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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Die Schaffung des deutschen Seekabelnetzes

Golf wird billiger arbeiten als die zurzeit bestehenden indoeuropäischen Linien.
Vor einiger Zeit hat übrigens das Kabel Konstanz"-Kilia eine bemerkenswerte
Verlängerung bis Smyrna erhalten.

Weiter war am 24. Juni 1901 und am 10. Juni 1902 zwischen der deutschen
und der holländischen Regierung ein Abkommen geschlossen worden, wonach beide
Länder an der Eingangspforte vom Indischen zum Großen Ozean gemeinsam den
Kampf gegen das englische Kabelmonopol aufnehmen wollen, um den dortigen
holländischen und deutschen Kolonien eine vom englischen Einfluß unabhängige
telegraphische Verbindung mit den Mutterländern zu schaffen. Mit Unterstützung
der beiden Regierungen wurde alsdann am 19. Juli 1904 eine "Deutsch-
Niederländische Telegraphengesellschaft" mit dem Sitz in Köln und einem Aktien¬
kapital von 7 Millionen gegründet, die es sich zur Aufgabe stellte, von Menado
in Nordcelebes nach der deutscheu Insel Jay in der Karolinengruppe ein Kabel
zu verlegen, das von dort einerseits nach der amerikanischen Ladroneninsel
Guam, andrerseits nach Schanghai verlängert werden sollte. In Guam findet
das Kabel Anschluß an das 1903 vollendete große Pacifickabel der Ver¬
einigten Staaten, das auf dem Wege über Amerika eine von englischen Tele¬
graphenverbindungen unabhängige Verbindung mit den Mutterländern in Europa
gewährleistet; in Schanghai wird andrerseits eine Verbindung mit den an der
ostasiatischen Küste entlang laufenden Kabeln der dänisch-russischen Großen Nor¬
dischen Telegraphengesellschaft erreicht und somit auf dem Wege über Wladi¬
wostok und Sibirien-Rußland eine zweite nichtenglische Telegraphenverbindung
mit der deutschen und der holländischen Heimat vermittelt. Natürlich wird auch
Kiautschou von dieser zweifachen nichtenglischen Telegraphenverbindung mit Berlin,
einer westlichen und einer östlichen, seinen Vorteil haben.

Am 8. Januar 1905 lief der Kabeldampfer "Stephan", der die deutsch-nieder¬
ländischen Kabel zu verlegen hatte, aus Nordenham aus und verlegte von Mitte
Mürz bis 27. April die 3035 Kilometer lange Kabelstrecke Menado-Yap-
Guam. Von der noch größer" Reststrecke Schanghai-Aap, die insgesamt eine
Länge von 3295 Kilometer aufweist, verlegte er in der zweiten Hälfte des
Mai eine 210 Kilometer lange Teilstrecke, kehrte dann am 11. Juli wohl¬
behalten nach Nordenham zurück, um von dort am 24. August mit dem Nestkabel
abermals nach dem fernen Osten auszulaufen. Am 12. Oktober wurde das
neue Kabel mit dem freien Ende der im Mai verlegten Teilstrecke zusammen-
gespleißt, und nach einer glatten, ohne Unfall verlaufnen Fahrt landete der
"Stephan" am 25. Oktober in Uap und beendete damit seine Aufgabe. Die voll¬
brachte Leistung ist um so großartiger, als die beiden Kabel Menado-Jay
wie Schanghai-Jay stellenweise in die ganz außerordentlich große Meerestiefe
von etwa 8000 Meter versenkt werden mußten, da die Meere in der Nähe der
Insel Guam die tiefsten der ganzen Erde sind; findet sich doch hier auch die
"Nerotiefe", die überhaupt tiefste, bekannt gewordne Senkung des Meeres¬
bodens (9633 Meter). Mit dieser Kabelverlegung und nicht minder mit der


Die Schaffung des deutschen Seekabelnetzes

Golf wird billiger arbeiten als die zurzeit bestehenden indoeuropäischen Linien.
Vor einiger Zeit hat übrigens das Kabel Konstanz«-Kilia eine bemerkenswerte
Verlängerung bis Smyrna erhalten.

Weiter war am 24. Juni 1901 und am 10. Juni 1902 zwischen der deutschen
und der holländischen Regierung ein Abkommen geschlossen worden, wonach beide
Länder an der Eingangspforte vom Indischen zum Großen Ozean gemeinsam den
Kampf gegen das englische Kabelmonopol aufnehmen wollen, um den dortigen
holländischen und deutschen Kolonien eine vom englischen Einfluß unabhängige
telegraphische Verbindung mit den Mutterländern zu schaffen. Mit Unterstützung
der beiden Regierungen wurde alsdann am 19. Juli 1904 eine „Deutsch-
Niederländische Telegraphengesellschaft" mit dem Sitz in Köln und einem Aktien¬
kapital von 7 Millionen gegründet, die es sich zur Aufgabe stellte, von Menado
in Nordcelebes nach der deutscheu Insel Jay in der Karolinengruppe ein Kabel
zu verlegen, das von dort einerseits nach der amerikanischen Ladroneninsel
Guam, andrerseits nach Schanghai verlängert werden sollte. In Guam findet
das Kabel Anschluß an das 1903 vollendete große Pacifickabel der Ver¬
einigten Staaten, das auf dem Wege über Amerika eine von englischen Tele¬
graphenverbindungen unabhängige Verbindung mit den Mutterländern in Europa
gewährleistet; in Schanghai wird andrerseits eine Verbindung mit den an der
ostasiatischen Küste entlang laufenden Kabeln der dänisch-russischen Großen Nor¬
dischen Telegraphengesellschaft erreicht und somit auf dem Wege über Wladi¬
wostok und Sibirien-Rußland eine zweite nichtenglische Telegraphenverbindung
mit der deutschen und der holländischen Heimat vermittelt. Natürlich wird auch
Kiautschou von dieser zweifachen nichtenglischen Telegraphenverbindung mit Berlin,
einer westlichen und einer östlichen, seinen Vorteil haben.

Am 8. Januar 1905 lief der Kabeldampfer „Stephan", der die deutsch-nieder¬
ländischen Kabel zu verlegen hatte, aus Nordenham aus und verlegte von Mitte
Mürz bis 27. April die 3035 Kilometer lange Kabelstrecke Menado-Yap-
Guam. Von der noch größer« Reststrecke Schanghai-Aap, die insgesamt eine
Länge von 3295 Kilometer aufweist, verlegte er in der zweiten Hälfte des
Mai eine 210 Kilometer lange Teilstrecke, kehrte dann am 11. Juli wohl¬
behalten nach Nordenham zurück, um von dort am 24. August mit dem Nestkabel
abermals nach dem fernen Osten auszulaufen. Am 12. Oktober wurde das
neue Kabel mit dem freien Ende der im Mai verlegten Teilstrecke zusammen-
gespleißt, und nach einer glatten, ohne Unfall verlaufnen Fahrt landete der
„Stephan" am 25. Oktober in Uap und beendete damit seine Aufgabe. Die voll¬
brachte Leistung ist um so großartiger, als die beiden Kabel Menado-Jay
wie Schanghai-Jay stellenweise in die ganz außerordentlich große Meerestiefe
von etwa 8000 Meter versenkt werden mußten, da die Meere in der Nähe der
Insel Guam die tiefsten der ganzen Erde sind; findet sich doch hier auch die
„Nerotiefe", die überhaupt tiefste, bekannt gewordne Senkung des Meeres¬
bodens (9633 Meter). Mit dieser Kabelverlegung und nicht minder mit der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/24>, abgerufen am 05.02.2025.