Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Die Haselnuß nicht erst aufhalten. Die zweite bezeichnete er als schon besser, aber bei dieser war Die drei Zuhörer bemerkten mit Erstaunen, wie sicher der zerlumpte Musi¬ Da lächelte Quietschky wehmütig und erwiderte mit edelm Freimut: Bildet Die Herren gingen in das Nebenzimmer und berieten miteinander, wie dem Tags darauf stellte sich Quietschky wieder ein. Er trug jetzt zu seinen alten Ehe dieser davon Gebrauch machte, ließ er sich zierliche Visitenkarten mit der Die Haselnuß nicht erst aufhalten. Die zweite bezeichnete er als schon besser, aber bei dieser war Die drei Zuhörer bemerkten mit Erstaunen, wie sicher der zerlumpte Musi¬ Da lächelte Quietschky wehmütig und erwiderte mit edelm Freimut: Bildet Die Herren gingen in das Nebenzimmer und berieten miteinander, wie dem Tags darauf stellte sich Quietschky wieder ein. Er trug jetzt zu seinen alten Ehe dieser davon Gebrauch machte, ließ er sich zierliche Visitenkarten mit der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0214" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302202"/> <fw type="header" place="top"> Die Haselnuß</fw><lb/> <p xml:id="ID_979" prev="#ID_978"> nicht erst aufhalten. Die zweite bezeichnete er als schon besser, aber bei dieser war<lb/> ihm die Decke zu dünn. Sie hielte, erklärte er, nicht viel aus und verlöre mit<lb/> den Jahren den Ton. Mit so einem Instrument sei ihm natürlich nicht geholfen.<lb/> Die dritte endlich fand Gnade vor seinen Augen, es war ein gutes, edel geformtes<lb/> Instrument, das Werk eines alten Tiroler Meisters. Quietschky stimmte lange<lb/> daran herum und sagte schließlich, auf so schlechten Saiten getraue er sich gar nicht<lb/> zu spielen, ließ sich schließlich aber doch herbei, eine Sonate von Tartini vor¬<lb/> zutragen.</p><lb/> <p xml:id="ID_980"> Die drei Zuhörer bemerkten mit Erstaunen, wie sicher der zerlumpte Musi¬<lb/> kant das kostbare Instrument handhabte, und der Hausherr meinte, als er dem<lb/> Künstler nach beendeten Spiel die Violine feierlich zum Geschenk machte, nun würde<lb/> mau wohl öfter das Vergnügen haben, den Herrn Musikus in Assembleen und<lb/> Sozietäten zu hören.</p><lb/> <p xml:id="ID_981"> Da lächelte Quietschky wehmütig und erwiderte mit edelm Freimut: Bildet<lb/> sich der Herr etwa ein, mit diesen Lumpen könnte ich mich in Assembleen sehen<lb/> lassen? Was nützt mir die beste Geige, wenn ich keine saubern Kleider, keinen<lb/> Frack, keine Pantalons aus Atlas, keine Schnallenschuhe und keinen Chapeau-<lb/> bas habe?</p><lb/> <p xml:id="ID_982"> Die Herren gingen in das Nebenzimmer und berieten miteinander, wie dem<lb/> Manne zu helfen sei. Als sie zurückkamen, überreichten sie ihm die Summe von<lb/> fünfzig Talern, die er, ohne sich lange mit Danksagungen aufzuhalten, einstrich,<lb/> wobei er bemerkte, er wolle sehen, wie weit er mit dem Gelde komme. Reiche es<lb/> nicht, so werde er sich die Freiheit nehmen, den Herren mitzuteilen, wieviel ihni<lb/> noch zu seiner Equipiernng fehle. Die drei Mäcene waren über diese Offenherzig¬<lb/> keit ein wenig verdutzt, sagten sich aber, daß man einem Virtuosen so etwas zu¬<lb/> gute halten müsse, es sei ja eben das Wunderbare am Genie, daß es zeitlebens<lb/> ein Kind bleibe und als solches immer einen Wunsch habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_983"> Tags darauf stellte sich Quietschky wieder ein. Er trug jetzt zu seinen alten<lb/> Hosen einen schönen dunkelblauen Frack mit silbernen Knöpfen und eine weißseidne<lb/> Halsbinde, in der eine Diamantnadel blitzte. Jetzt fehlten ihm, sagte er, nur noch<lb/> die Pantalons, die Schnallenschuhe und der Chapeau-bas, und er brauche zum<lb/> mindesten noch dreißig Taler. Dann aber würden sich die Herren, die ihm so<lb/> liebenswürdig unter die Arme gegriffen hätten, seiner nicht mehr zu schämen haben.<lb/> Natürlich müsse er auch um Empfehlungsbriefe bitten, denn ohne Empfehlungen<lb/> könnte ihm weder die Geige noch der neue Anzug helfen, die vornehmen Leute<lb/> seien unbekannten Künstlern gegenüber, wenn sie auch noch so ausgezeichnete Vir¬<lb/> tuosen wären, meist ein wenig mißtrauisch, und das dürfe man ihnen nicht einmal<lb/> verdenken, denn es treibe sich gerade unter den Künstlern allerhand verdächtiges<lb/> Volk herum, dem man gar nicht vorsichtig genug begegnen könne. Der Entdecker<lb/> des neuen Sterns mußte dem beipflichten, rückte, wenn auch nicht mehr ganz so<lb/> opferfreudig wie zuvor, die dreißig Taler heraus und schrieb bis spät in die Nacht<lb/> seinem Schützling Empfehlungsbriefe.</p><lb/> <p xml:id="ID_984" next="#ID_985"> Ehe dieser davon Gebrauch machte, ließ er sich zierliche Visitenkarten mit der<lb/> Aufschrift: Maestro Amadeo Quietschky, Violin-Virtuos stechen und ordnete an, daß<lb/> die Rechnung dafür an seinen Gönner gesandt werde. Dann machte er, von einem<lb/> Lohnbedienten begleitet, der ihn überall anmelden mußte, seine große Besuchstour<lb/> durch das musikverständige Leipzig. Die Empfehlungen seines Beschützers ver¬<lb/> schafften ihm in den vornehmsten Häusern Einlaß; man hatte schon von dem neuen<lb/> Phänomen gehört und wetteiferte darin, den großen Mann, der bisher aus lauter<lb/> Bescheidenheit nicht in die Öffentlichkeit getreten war, mit Gunstbezeugungen zu</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0214]
Die Haselnuß
nicht erst aufhalten. Die zweite bezeichnete er als schon besser, aber bei dieser war
ihm die Decke zu dünn. Sie hielte, erklärte er, nicht viel aus und verlöre mit
den Jahren den Ton. Mit so einem Instrument sei ihm natürlich nicht geholfen.
Die dritte endlich fand Gnade vor seinen Augen, es war ein gutes, edel geformtes
Instrument, das Werk eines alten Tiroler Meisters. Quietschky stimmte lange
daran herum und sagte schließlich, auf so schlechten Saiten getraue er sich gar nicht
zu spielen, ließ sich schließlich aber doch herbei, eine Sonate von Tartini vor¬
zutragen.
Die drei Zuhörer bemerkten mit Erstaunen, wie sicher der zerlumpte Musi¬
kant das kostbare Instrument handhabte, und der Hausherr meinte, als er dem
Künstler nach beendeten Spiel die Violine feierlich zum Geschenk machte, nun würde
mau wohl öfter das Vergnügen haben, den Herrn Musikus in Assembleen und
Sozietäten zu hören.
Da lächelte Quietschky wehmütig und erwiderte mit edelm Freimut: Bildet
sich der Herr etwa ein, mit diesen Lumpen könnte ich mich in Assembleen sehen
lassen? Was nützt mir die beste Geige, wenn ich keine saubern Kleider, keinen
Frack, keine Pantalons aus Atlas, keine Schnallenschuhe und keinen Chapeau-
bas habe?
Die Herren gingen in das Nebenzimmer und berieten miteinander, wie dem
Manne zu helfen sei. Als sie zurückkamen, überreichten sie ihm die Summe von
fünfzig Talern, die er, ohne sich lange mit Danksagungen aufzuhalten, einstrich,
wobei er bemerkte, er wolle sehen, wie weit er mit dem Gelde komme. Reiche es
nicht, so werde er sich die Freiheit nehmen, den Herren mitzuteilen, wieviel ihni
noch zu seiner Equipiernng fehle. Die drei Mäcene waren über diese Offenherzig¬
keit ein wenig verdutzt, sagten sich aber, daß man einem Virtuosen so etwas zu¬
gute halten müsse, es sei ja eben das Wunderbare am Genie, daß es zeitlebens
ein Kind bleibe und als solches immer einen Wunsch habe.
Tags darauf stellte sich Quietschky wieder ein. Er trug jetzt zu seinen alten
Hosen einen schönen dunkelblauen Frack mit silbernen Knöpfen und eine weißseidne
Halsbinde, in der eine Diamantnadel blitzte. Jetzt fehlten ihm, sagte er, nur noch
die Pantalons, die Schnallenschuhe und der Chapeau-bas, und er brauche zum
mindesten noch dreißig Taler. Dann aber würden sich die Herren, die ihm so
liebenswürdig unter die Arme gegriffen hätten, seiner nicht mehr zu schämen haben.
Natürlich müsse er auch um Empfehlungsbriefe bitten, denn ohne Empfehlungen
könnte ihm weder die Geige noch der neue Anzug helfen, die vornehmen Leute
seien unbekannten Künstlern gegenüber, wenn sie auch noch so ausgezeichnete Vir¬
tuosen wären, meist ein wenig mißtrauisch, und das dürfe man ihnen nicht einmal
verdenken, denn es treibe sich gerade unter den Künstlern allerhand verdächtiges
Volk herum, dem man gar nicht vorsichtig genug begegnen könne. Der Entdecker
des neuen Sterns mußte dem beipflichten, rückte, wenn auch nicht mehr ganz so
opferfreudig wie zuvor, die dreißig Taler heraus und schrieb bis spät in die Nacht
seinem Schützling Empfehlungsbriefe.
Ehe dieser davon Gebrauch machte, ließ er sich zierliche Visitenkarten mit der
Aufschrift: Maestro Amadeo Quietschky, Violin-Virtuos stechen und ordnete an, daß
die Rechnung dafür an seinen Gönner gesandt werde. Dann machte er, von einem
Lohnbedienten begleitet, der ihn überall anmelden mußte, seine große Besuchstour
durch das musikverständige Leipzig. Die Empfehlungen seines Beschützers ver¬
schafften ihm in den vornehmsten Häusern Einlaß; man hatte schon von dem neuen
Phänomen gehört und wetteiferte darin, den großen Mann, der bisher aus lauter
Bescheidenheit nicht in die Öffentlichkeit getreten war, mit Gunstbezeugungen zu
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