Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Leben und Treiben in Alt-Buchara man ein wenig zulegen mußte, um über einen sehr annehmbaren Preis handels¬ Demnächst lockte uns der Seidenbasar. Die festen, schönen, mit Natur¬ Die Tonwarenhändler und Kupferschmiede hielten ihre eigentümlich ge¬ Im allgemeinen hockten die Ladeninhaber in ihren kleinen Läden auf dem Leben und Treiben in Alt-Buchara man ein wenig zulegen mußte, um über einen sehr annehmbaren Preis handels¬ Demnächst lockte uns der Seidenbasar. Die festen, schönen, mit Natur¬ Die Tonwarenhändler und Kupferschmiede hielten ihre eigentümlich ge¬ Im allgemeinen hockten die Ladeninhaber in ihren kleinen Läden auf dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0203" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302191"/> <fw type="header" place="top"> Leben und Treiben in Alt-Buchara</fw><lb/> <p xml:id="ID_909" prev="#ID_908"> man ein wenig zulegen mußte, um über einen sehr annehmbaren Preis handels¬<lb/> eins zu werden. Päckte bei dem Gegengebot der Verkäufer seine Ware stumm<lb/> zusammen, oder setzte er sich darauf, so war auf der Grundlage nicht weiter zu<lb/> verhandeln. Ich darf unsre Einkäufe nicht diskreditieren — wir haben aber<lb/> nach Kennerurteil sehr billig gekauft, denn die Geschäftsverhältnisse waren uns<lb/> günstig, die Kaufkraft in der Kriegszeit gering, die allgemeine Lage gespannt.<lb/> Nachdem wir mit viel Mühe und viel Trinkgeld unsre Einkäufe heil durch<lb/> Rußland gebracht haben, bedauern wir lebhaft, die Konjunktur nicht mehr aus¬<lb/> genutzt zu haben. Natürlich, vom Rathaus kommend ist man immer klüger.</p><lb/> <p xml:id="ID_910"> Demnächst lockte uns der Seidenbasar. Die festen, schönen, mit Natur¬<lb/> farbe behandelten Seidenstoffe, die dort zu kaufen sind, sind ein andres Gewebe<lb/> als die kaukasischen Stoffe oder auch die Moskaner Waren, die man uns in<lb/> Andishan anzudrehen versuchte. Zart und doch fest; federleicht die weißen<lb/> Seidenshals, die man durch einen Fingerring ziehn kann. Die Silberarbeiter<lb/> und die Goldschmiede zeigten, nicht ungern ihre Tätigkeit unterbrechend, ihre<lb/> eigentümlichen Schmucksachen, Büchsen und Schälchen in Silber und Emaille,<lb/> alles die sauberste, peinlichst genaue Handarbeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_911"> Die Tonwarenhändler und Kupferschmiede hielten ihre eigentümlich ge¬<lb/> formten dickbäuchigen Flaschen mit den langen Hälsen in allen Größen feil,<lb/> Seiler und Sattler die einfachen Peitschen, Geschirrteile und Seile, mit denen<lb/> sich der eingeborne Landmann behilft. An einer Ecke waren an langen Schnüren<lb/> die buntfarbigen, unter der Tschakma, dem weißen endlos langen, kunstvoll ge-<lb/> schlungner Kopftuch zu tragenden Kopflappen (Titjubeiken) aufgereiht. An einer<lb/> andern hingen rote und blane silbern schillernde Frauengürtel — oder waren<lb/> es Strumpfbänder? Die Waffenhändler, die alte bucharische Rüstungen, Ketten¬<lb/> hemden, bronzene Helme und Schilde, Schwerter, Flinten, Lanzen und Keulen<lb/> unglaublichster Konstruktionen feilhielten, waren mehr vereinzelt, ebenso die Buch¬<lb/> händler, von denen sich aber einige in einem hellen Kuppelbau aufgetan hatten.<lb/> Anscheinend verbietet die landesväterliche Fürsorge unnötige Lektüre. Was hier<lb/> außer einer Art Zeitung feilgehalten wurde, waren fromme Traktätchen, Koran¬<lb/> abschnitte und Kalender. Kein russisches Buch, keine russische Zeitung war zu<lb/> sehen. Neben den Buchhändlern zählten Geldwechsler ihre Geldhaufen gleich¬<lb/> mütig ab und sortierten die verschiedenartigsten Münzen, russisches, persisches<lb/> und bucharisches Geld. Der Puhl, die kleine Kupfermünze, spielte insofern<lb/> eine große Rolle, als er nur in großer Menge einen nennenswerten Betrag<lb/> darstellt.</p><lb/> <p xml:id="ID_912" next="#ID_913"> Im allgemeinen hockten die Ladeninhaber in ihren kleinen Läden auf dem<lb/> Teppich des Fußbodens, hatten auch wohl Bekannte zum Besuch, mit denen<lb/> sie sich in den dumpfen Gutturaltönen ihrer Dialekte unterhielten, bis ein Käufer<lb/> nahte. Dem Freitag, dem mohammedanischen Sabbat zuliebe, war Ladenschluß<lb/> bis um Mittag, bis die Gläubigen durch die engen Straßen aus den Moscheen<lb/> zurückgeströmt kamen. Mancher Laden öffnete sich überhaupt nicht, und an vielen<lb/> Stellen ruhte der sonst rührige Fleiß im Kleingewerbe. Sehr zu unserm Leid¬<lb/> wesen, denn das Entsteh» des Arbeitsstückes unter den geschickten, nicht haftenden<lb/> Händen des orientalischen Arbeiters ist mindestens so sehenswert wie das Er¬<lb/> zeugnis. Nur die Bäcker und die Konditoren, die Fleischer wußten nichts von<lb/> Sabbatruhe. In ihren Straßenvierteln spritzte das Fett, brodelte und schmorte<lb/> das Fleisch, dampfte aus sonderbarsten Gefäßen kochendes Wasser und lagerte<lb/> der wenig angenehme Geruch des Hammeltalgs. Das war ja eigentlich nichts<lb/> neues mehr, und doch waren die Bilder hier so reizvoll, daß der Kodak tüchtig<lb/> arbeiten mußte. Daß er die ganze Originalität nicht festhalten konnte, daran</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0203]
Leben und Treiben in Alt-Buchara
man ein wenig zulegen mußte, um über einen sehr annehmbaren Preis handels¬
eins zu werden. Päckte bei dem Gegengebot der Verkäufer seine Ware stumm
zusammen, oder setzte er sich darauf, so war auf der Grundlage nicht weiter zu
verhandeln. Ich darf unsre Einkäufe nicht diskreditieren — wir haben aber
nach Kennerurteil sehr billig gekauft, denn die Geschäftsverhältnisse waren uns
günstig, die Kaufkraft in der Kriegszeit gering, die allgemeine Lage gespannt.
Nachdem wir mit viel Mühe und viel Trinkgeld unsre Einkäufe heil durch
Rußland gebracht haben, bedauern wir lebhaft, die Konjunktur nicht mehr aus¬
genutzt zu haben. Natürlich, vom Rathaus kommend ist man immer klüger.
Demnächst lockte uns der Seidenbasar. Die festen, schönen, mit Natur¬
farbe behandelten Seidenstoffe, die dort zu kaufen sind, sind ein andres Gewebe
als die kaukasischen Stoffe oder auch die Moskaner Waren, die man uns in
Andishan anzudrehen versuchte. Zart und doch fest; federleicht die weißen
Seidenshals, die man durch einen Fingerring ziehn kann. Die Silberarbeiter
und die Goldschmiede zeigten, nicht ungern ihre Tätigkeit unterbrechend, ihre
eigentümlichen Schmucksachen, Büchsen und Schälchen in Silber und Emaille,
alles die sauberste, peinlichst genaue Handarbeit.
Die Tonwarenhändler und Kupferschmiede hielten ihre eigentümlich ge¬
formten dickbäuchigen Flaschen mit den langen Hälsen in allen Größen feil,
Seiler und Sattler die einfachen Peitschen, Geschirrteile und Seile, mit denen
sich der eingeborne Landmann behilft. An einer Ecke waren an langen Schnüren
die buntfarbigen, unter der Tschakma, dem weißen endlos langen, kunstvoll ge-
schlungner Kopftuch zu tragenden Kopflappen (Titjubeiken) aufgereiht. An einer
andern hingen rote und blane silbern schillernde Frauengürtel — oder waren
es Strumpfbänder? Die Waffenhändler, die alte bucharische Rüstungen, Ketten¬
hemden, bronzene Helme und Schilde, Schwerter, Flinten, Lanzen und Keulen
unglaublichster Konstruktionen feilhielten, waren mehr vereinzelt, ebenso die Buch¬
händler, von denen sich aber einige in einem hellen Kuppelbau aufgetan hatten.
Anscheinend verbietet die landesväterliche Fürsorge unnötige Lektüre. Was hier
außer einer Art Zeitung feilgehalten wurde, waren fromme Traktätchen, Koran¬
abschnitte und Kalender. Kein russisches Buch, keine russische Zeitung war zu
sehen. Neben den Buchhändlern zählten Geldwechsler ihre Geldhaufen gleich¬
mütig ab und sortierten die verschiedenartigsten Münzen, russisches, persisches
und bucharisches Geld. Der Puhl, die kleine Kupfermünze, spielte insofern
eine große Rolle, als er nur in großer Menge einen nennenswerten Betrag
darstellt.
Im allgemeinen hockten die Ladeninhaber in ihren kleinen Läden auf dem
Teppich des Fußbodens, hatten auch wohl Bekannte zum Besuch, mit denen
sie sich in den dumpfen Gutturaltönen ihrer Dialekte unterhielten, bis ein Käufer
nahte. Dem Freitag, dem mohammedanischen Sabbat zuliebe, war Ladenschluß
bis um Mittag, bis die Gläubigen durch die engen Straßen aus den Moscheen
zurückgeströmt kamen. Mancher Laden öffnete sich überhaupt nicht, und an vielen
Stellen ruhte der sonst rührige Fleiß im Kleingewerbe. Sehr zu unserm Leid¬
wesen, denn das Entsteh» des Arbeitsstückes unter den geschickten, nicht haftenden
Händen des orientalischen Arbeiters ist mindestens so sehenswert wie das Er¬
zeugnis. Nur die Bäcker und die Konditoren, die Fleischer wußten nichts von
Sabbatruhe. In ihren Straßenvierteln spritzte das Fett, brodelte und schmorte
das Fleisch, dampfte aus sonderbarsten Gefäßen kochendes Wasser und lagerte
der wenig angenehme Geruch des Hammeltalgs. Das war ja eigentlich nichts
neues mehr, und doch waren die Bilder hier so reizvoll, daß der Kodak tüchtig
arbeiten mußte. Daß er die ganze Originalität nicht festhalten konnte, daran
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