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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Zur Reichssteuerreform

Wird das sittliche Fundament unsers Heerwesens erschüttert." Der Kriegs¬
minister von Kamele wies diesen Einwand damit zurück, daß ja die Wehr¬
steuer nur den Untauglichen auferlegt werden solle, daß also von einem
Loskaufen gar keine Rede sein könne. Wird die Wehrsteuer bei uns einmal
eingeführt -- und das dürfte binnen kurzem geschehen --, dann soll sie nach
der Ansicht unsers Auslanddeutschen nicht für allgemeine Neichszwecke, sondern
nur für Wehrzwecke verwandt werden. Er rechnet auf einen Ertrag von
50 Millionen, den er folgendermaßen verteilen will. 15 Millionen zur Er¬
höhung des Neichskriegsschatzes in der Weise, daß dieser auf eine halbe Milliarde
gebracht und die dazu nötige Anleihe mit jenen 15 Millionen verzinst und
amortisiert wird; 20 Millionen zur Erhöhung der Pensionen und Jnvaliden-
gelder; 10 Millionen zur Verbesserung und Verfeinerung der Kost der Soldaten;
5 Millionen für Soldatenheime (Erholungsstätten) und geistige Ausbildung
der Gemeinen, einen Zweck, für den das Alkoholmonopol noch ebensoviel bei¬
zusteuern haben werde.

Auch mit diesem ist uns die Schweiz seit 1887 vorangegangen. Die Be¬
stimmungen ihres mehrfach abgeänderten Alkoholmonopolgesetzcs, die für uns,
wenn es dazu kommt, vorbildlich sein dürften, werden in dem Buche vollständig
mitgeteilt. Wir heben daraus nur zweierlei hervor. An die Kartoffel- und
Getreidebrenner wird "eine ganz horrende Liebesgabe gezahlt. . . . Der
Schweizer ist eben kein so erbärmlicher Neidhammel wie der Deutsche; er
gönnt, im nationalen Interesse, auch dem Bauer einmal einen besondern Vor¬
teil." Dann das Alkoholzehntel! Vom Reingewinn der Monopolverwaltung,
der sich um 9 Millionen Franken bewegt, wird der zehnte Teil den Kantonen
überwiesen zur direkten und indirekten Bekämpfung der Trunksucht. Bis 1902
haben die Kantone von diesen Überweisungen gegen 8 Millionen verwandt
auf Trinkerheilstätten, Versorgung armer schwachsinniger oder verwahrloster
Kinder und jugendlicher Verbrecher, Speisung von Schulkindern, Ferienkolonien,
Naturalverpflegung von Wanderburschen, Besserungsanstalten, Unterstützung
von Arbeitlosen und von entlassenen Sträflingen, Irrenanstalten, von Epilep¬
tikern, Blinden und Taubstummen, endlich auf Berufsbildung und allgemeine
Volksbildung. Das Alkoholzehntel des zukünftigen deutschen Monopols soll
wie folgt eingeteilt werden. 1 Zehntel für Trinkerheilanstalten, 1 Zehntel für
die Soldatenheime, 3 Zehntel für alkoholfreie Volkshäuser mit Bibliotheken
und sonstigem Zubehör, 1 Zehntel dem Reichsgesundheitsamt zur Besoldung
von Wanderrednern und Unterstützung von Mäßigkeitsvereinen, 1 Zehntel auf
Förderung der solchen Zwecken dienenden Literatur, 2 Zehntel den Unterrichts¬
ministerien, damit sie die Schulen aller Art und die Kasernen mit den zur
Bekämpfung des Alkoholismus erforderlichen Lehrmitteln ausrüsten; 1 Zehntel
zur Unterstützung aller Fabrikationsmethoden, die den Alkoholgehalt der
(Gärungs-?) Produkte aus Trauben, Obst, Beeren, Getreide und Kartoffeln
zu vermindern (verhindern ist Wohl Druckfehler) vermögen. Monopol- und


Zur Reichssteuerreform

Wird das sittliche Fundament unsers Heerwesens erschüttert." Der Kriegs¬
minister von Kamele wies diesen Einwand damit zurück, daß ja die Wehr¬
steuer nur den Untauglichen auferlegt werden solle, daß also von einem
Loskaufen gar keine Rede sein könne. Wird die Wehrsteuer bei uns einmal
eingeführt — und das dürfte binnen kurzem geschehen —, dann soll sie nach
der Ansicht unsers Auslanddeutschen nicht für allgemeine Neichszwecke, sondern
nur für Wehrzwecke verwandt werden. Er rechnet auf einen Ertrag von
50 Millionen, den er folgendermaßen verteilen will. 15 Millionen zur Er¬
höhung des Neichskriegsschatzes in der Weise, daß dieser auf eine halbe Milliarde
gebracht und die dazu nötige Anleihe mit jenen 15 Millionen verzinst und
amortisiert wird; 20 Millionen zur Erhöhung der Pensionen und Jnvaliden-
gelder; 10 Millionen zur Verbesserung und Verfeinerung der Kost der Soldaten;
5 Millionen für Soldatenheime (Erholungsstätten) und geistige Ausbildung
der Gemeinen, einen Zweck, für den das Alkoholmonopol noch ebensoviel bei¬
zusteuern haben werde.

Auch mit diesem ist uns die Schweiz seit 1887 vorangegangen. Die Be¬
stimmungen ihres mehrfach abgeänderten Alkoholmonopolgesetzcs, die für uns,
wenn es dazu kommt, vorbildlich sein dürften, werden in dem Buche vollständig
mitgeteilt. Wir heben daraus nur zweierlei hervor. An die Kartoffel- und
Getreidebrenner wird „eine ganz horrende Liebesgabe gezahlt. . . . Der
Schweizer ist eben kein so erbärmlicher Neidhammel wie der Deutsche; er
gönnt, im nationalen Interesse, auch dem Bauer einmal einen besondern Vor¬
teil." Dann das Alkoholzehntel! Vom Reingewinn der Monopolverwaltung,
der sich um 9 Millionen Franken bewegt, wird der zehnte Teil den Kantonen
überwiesen zur direkten und indirekten Bekämpfung der Trunksucht. Bis 1902
haben die Kantone von diesen Überweisungen gegen 8 Millionen verwandt
auf Trinkerheilstätten, Versorgung armer schwachsinniger oder verwahrloster
Kinder und jugendlicher Verbrecher, Speisung von Schulkindern, Ferienkolonien,
Naturalverpflegung von Wanderburschen, Besserungsanstalten, Unterstützung
von Arbeitlosen und von entlassenen Sträflingen, Irrenanstalten, von Epilep¬
tikern, Blinden und Taubstummen, endlich auf Berufsbildung und allgemeine
Volksbildung. Das Alkoholzehntel des zukünftigen deutschen Monopols soll
wie folgt eingeteilt werden. 1 Zehntel für Trinkerheilanstalten, 1 Zehntel für
die Soldatenheime, 3 Zehntel für alkoholfreie Volkshäuser mit Bibliotheken
und sonstigem Zubehör, 1 Zehntel dem Reichsgesundheitsamt zur Besoldung
von Wanderrednern und Unterstützung von Mäßigkeitsvereinen, 1 Zehntel auf
Förderung der solchen Zwecken dienenden Literatur, 2 Zehntel den Unterrichts¬
ministerien, damit sie die Schulen aller Art und die Kasernen mit den zur
Bekämpfung des Alkoholismus erforderlichen Lehrmitteln ausrüsten; 1 Zehntel
zur Unterstützung aller Fabrikationsmethoden, die den Alkoholgehalt der
(Gärungs-?) Produkte aus Trauben, Obst, Beeren, Getreide und Kartoffeln
zu vermindern (verhindern ist Wohl Druckfehler) vermögen. Monopol- und


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[0187] Zur Reichssteuerreform Wird das sittliche Fundament unsers Heerwesens erschüttert." Der Kriegs¬ minister von Kamele wies diesen Einwand damit zurück, daß ja die Wehr¬ steuer nur den Untauglichen auferlegt werden solle, daß also von einem Loskaufen gar keine Rede sein könne. Wird die Wehrsteuer bei uns einmal eingeführt — und das dürfte binnen kurzem geschehen —, dann soll sie nach der Ansicht unsers Auslanddeutschen nicht für allgemeine Neichszwecke, sondern nur für Wehrzwecke verwandt werden. Er rechnet auf einen Ertrag von 50 Millionen, den er folgendermaßen verteilen will. 15 Millionen zur Er¬ höhung des Neichskriegsschatzes in der Weise, daß dieser auf eine halbe Milliarde gebracht und die dazu nötige Anleihe mit jenen 15 Millionen verzinst und amortisiert wird; 20 Millionen zur Erhöhung der Pensionen und Jnvaliden- gelder; 10 Millionen zur Verbesserung und Verfeinerung der Kost der Soldaten; 5 Millionen für Soldatenheime (Erholungsstätten) und geistige Ausbildung der Gemeinen, einen Zweck, für den das Alkoholmonopol noch ebensoviel bei¬ zusteuern haben werde. Auch mit diesem ist uns die Schweiz seit 1887 vorangegangen. Die Be¬ stimmungen ihres mehrfach abgeänderten Alkoholmonopolgesetzcs, die für uns, wenn es dazu kommt, vorbildlich sein dürften, werden in dem Buche vollständig mitgeteilt. Wir heben daraus nur zweierlei hervor. An die Kartoffel- und Getreidebrenner wird „eine ganz horrende Liebesgabe gezahlt. . . . Der Schweizer ist eben kein so erbärmlicher Neidhammel wie der Deutsche; er gönnt, im nationalen Interesse, auch dem Bauer einmal einen besondern Vor¬ teil." Dann das Alkoholzehntel! Vom Reingewinn der Monopolverwaltung, der sich um 9 Millionen Franken bewegt, wird der zehnte Teil den Kantonen überwiesen zur direkten und indirekten Bekämpfung der Trunksucht. Bis 1902 haben die Kantone von diesen Überweisungen gegen 8 Millionen verwandt auf Trinkerheilstätten, Versorgung armer schwachsinniger oder verwahrloster Kinder und jugendlicher Verbrecher, Speisung von Schulkindern, Ferienkolonien, Naturalverpflegung von Wanderburschen, Besserungsanstalten, Unterstützung von Arbeitlosen und von entlassenen Sträflingen, Irrenanstalten, von Epilep¬ tikern, Blinden und Taubstummen, endlich auf Berufsbildung und allgemeine Volksbildung. Das Alkoholzehntel des zukünftigen deutschen Monopols soll wie folgt eingeteilt werden. 1 Zehntel für Trinkerheilanstalten, 1 Zehntel für die Soldatenheime, 3 Zehntel für alkoholfreie Volkshäuser mit Bibliotheken und sonstigem Zubehör, 1 Zehntel dem Reichsgesundheitsamt zur Besoldung von Wanderrednern und Unterstützung von Mäßigkeitsvereinen, 1 Zehntel auf Förderung der solchen Zwecken dienenden Literatur, 2 Zehntel den Unterrichts¬ ministerien, damit sie die Schulen aller Art und die Kasernen mit den zur Bekämpfung des Alkoholismus erforderlichen Lehrmitteln ausrüsten; 1 Zehntel zur Unterstützung aller Fabrikationsmethoden, die den Alkoholgehalt der (Gärungs-?) Produkte aus Trauben, Obst, Beeren, Getreide und Kartoffeln zu vermindern (verhindern ist Wohl Druckfehler) vermögen. Monopol- und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/187>, abgerufen am 06.02.2025.