Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Zur Reichssteuerreform Institut an, das hohe Zinsen verspricht, und verlieren es. Sie fangen aufs Durchaus nachahmenswerte Beispiele gibt sie mit der Wehrsteuer und Zur Reichssteuerreform Institut an, das hohe Zinsen verspricht, und verlieren es. Sie fangen aufs Durchaus nachahmenswerte Beispiele gibt sie mit der Wehrsteuer und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0186" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302174"/> <fw type="header" place="top"> Zur Reichssteuerreform</fw><lb/> <p xml:id="ID_843" prev="#ID_842"> Institut an, das hohe Zinsen verspricht, und verlieren es. Sie fangen aufs<lb/> neue zu sparen an und bringen 1000 Mark zusammen. Da stirbt der Mann,<lb/> und weil nun an den Tag kommt, daß sie „Kapitalisten" sind, wird die Frau<lb/> dafür bestraft, daß sie ihren Mammon nicht versteuert haben. Nach Abzug<lb/> der Buße und der Kosten bleiben der Ärmsten, die sich in ihren hohen Tagen<lb/> und allein nicht mehr mit Holzhacken, sondern bloß noch mit Straßenkehren<lb/> ernähren kann, noch 200 und etliche zwanzig Franken. So sieht die Demokratie<lb/> aus. Man kann also, bemerkt der Verfasser, von der Schweiz nicht bloß lernen,<lb/> wies zu machen ist, sondern auch, wie es nicht gemacht werden darf.</p><lb/> <p xml:id="ID_844" next="#ID_845"> Durchaus nachahmenswerte Beispiele gibt sie mit der Wehrsteuer und<lb/> dem Branntweinmonopol. Die Wehrsteuer haben die Kantone eingeführt, zuerst<lb/> Bern im Jahre 1804, dann nach und nach die übrigen, und zwar meist in<lb/> der Form einer Montierungsabgabe. Im Aargau zum Beispiel hatte d^r<lb/> Militärpflichtige sich selbst zu montieren, für die Armen sorgte die Gemeinde<lb/> in der Weise, daß jeder Landesabwesende, falls er nicht nachdiente, eine voll¬<lb/> ständige Montur bezahlen mußte. Da die Bundesverfassung von 1874 das<lb/> Militärwesen zentralisiert hatte, beschloß mau, auch die buntscheckige Wehr¬<lb/> steuer zu vereinheitlichen. Nach Ablehnung zweier Entwürfe wurde ein dritter,<lb/> vom 28. Juni 1878, angenommen. Wie hoch sie sich für die verschiednen<lb/> Steuerstufen beläuft, ist aus der ziemlich unübersichtlichen Darstellung nicht<lb/> zu ersehen; nur daß sie 3000 Franken nicht überschreiten darf, steht deutlich da.<lb/> In den Ertrag, der für 1904 auf drei Millionen Franken angeschlagen war,<lb/> teilen sich der Bund und die Kantone. Diese Steuer ist nach den Aussprüchen<lb/> schlichter schweizer Bürger, die sie zahlen müssen, die populärste aller Steuern,<lb/> weil sie als die gerechteste anerkannt wird. Die Gerechtigkeit der Wehrsteuer<lb/> hat in Deutschland unter andern Professor Gustav Cohn bewiesen in einer<lb/> Polemik gegen den Generalleutnant z. D. von der Boeck, die hier abgedruckt<lb/> wird. Der General hatte behauptet: 1. Gegen die Steuer spreche der ideale<lb/> Gedanke, der der allgemeinen, persönlich abzuleistenden Wehrpflicht zugrunde<lb/> liege; 2. die Erfüllung der Wehrpflicht bedeute keine materielle Schädigung;<lb/> 3. die Volksvertretung habe bereits 1831 die Steuer aus triftigen Gründen<lb/> abgelehnt. Alle drei Einwürfe werden überzeugend widerlegt. In Beziehung<lb/> auf die Ablehnung im Jahre 1881 wird gesagt, der damalige Reichsschatz¬<lb/> sekretär Scholz habe durch feine „brutale" Erklärung: nur als fiskalische<lb/> Steuer, nicht um der ausgleichenden Gerechtigkeit willen sei die Wehrsteuer<lb/> von den Regierungen vorgeschlagen worden, die Vorlage erdrosselt. Eine fis¬<lb/> kalische Steuer dürfe sie nimmermehr sein, sondern sie müsse als Ausgleichs¬<lb/> steuer behandelt werden; als solche würde sie auch eine Mehrheit gefunden<lb/> haben, wie eine Äußerung Reichenspergers beweise. Den idealen Einwand<lb/> hatte Treitschke erhoben: „Ganz unwillkürlich wird sich die Vorstellung fest¬<lb/> setzen, daß, wer nicht dient, zahlt, und daß man sich durch Geldzählen seiner<lb/> Dienstpflicht entledigen kann; durch das Aufkommen dieser Vorstellung aber</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0186]
Zur Reichssteuerreform
Institut an, das hohe Zinsen verspricht, und verlieren es. Sie fangen aufs
neue zu sparen an und bringen 1000 Mark zusammen. Da stirbt der Mann,
und weil nun an den Tag kommt, daß sie „Kapitalisten" sind, wird die Frau
dafür bestraft, daß sie ihren Mammon nicht versteuert haben. Nach Abzug
der Buße und der Kosten bleiben der Ärmsten, die sich in ihren hohen Tagen
und allein nicht mehr mit Holzhacken, sondern bloß noch mit Straßenkehren
ernähren kann, noch 200 und etliche zwanzig Franken. So sieht die Demokratie
aus. Man kann also, bemerkt der Verfasser, von der Schweiz nicht bloß lernen,
wies zu machen ist, sondern auch, wie es nicht gemacht werden darf.
Durchaus nachahmenswerte Beispiele gibt sie mit der Wehrsteuer und
dem Branntweinmonopol. Die Wehrsteuer haben die Kantone eingeführt, zuerst
Bern im Jahre 1804, dann nach und nach die übrigen, und zwar meist in
der Form einer Montierungsabgabe. Im Aargau zum Beispiel hatte d^r
Militärpflichtige sich selbst zu montieren, für die Armen sorgte die Gemeinde
in der Weise, daß jeder Landesabwesende, falls er nicht nachdiente, eine voll¬
ständige Montur bezahlen mußte. Da die Bundesverfassung von 1874 das
Militärwesen zentralisiert hatte, beschloß mau, auch die buntscheckige Wehr¬
steuer zu vereinheitlichen. Nach Ablehnung zweier Entwürfe wurde ein dritter,
vom 28. Juni 1878, angenommen. Wie hoch sie sich für die verschiednen
Steuerstufen beläuft, ist aus der ziemlich unübersichtlichen Darstellung nicht
zu ersehen; nur daß sie 3000 Franken nicht überschreiten darf, steht deutlich da.
In den Ertrag, der für 1904 auf drei Millionen Franken angeschlagen war,
teilen sich der Bund und die Kantone. Diese Steuer ist nach den Aussprüchen
schlichter schweizer Bürger, die sie zahlen müssen, die populärste aller Steuern,
weil sie als die gerechteste anerkannt wird. Die Gerechtigkeit der Wehrsteuer
hat in Deutschland unter andern Professor Gustav Cohn bewiesen in einer
Polemik gegen den Generalleutnant z. D. von der Boeck, die hier abgedruckt
wird. Der General hatte behauptet: 1. Gegen die Steuer spreche der ideale
Gedanke, der der allgemeinen, persönlich abzuleistenden Wehrpflicht zugrunde
liege; 2. die Erfüllung der Wehrpflicht bedeute keine materielle Schädigung;
3. die Volksvertretung habe bereits 1831 die Steuer aus triftigen Gründen
abgelehnt. Alle drei Einwürfe werden überzeugend widerlegt. In Beziehung
auf die Ablehnung im Jahre 1881 wird gesagt, der damalige Reichsschatz¬
sekretär Scholz habe durch feine „brutale" Erklärung: nur als fiskalische
Steuer, nicht um der ausgleichenden Gerechtigkeit willen sei die Wehrsteuer
von den Regierungen vorgeschlagen worden, die Vorlage erdrosselt. Eine fis¬
kalische Steuer dürfe sie nimmermehr sein, sondern sie müsse als Ausgleichs¬
steuer behandelt werden; als solche würde sie auch eine Mehrheit gefunden
haben, wie eine Äußerung Reichenspergers beweise. Den idealen Einwand
hatte Treitschke erhoben: „Ganz unwillkürlich wird sich die Vorstellung fest¬
setzen, daß, wer nicht dient, zahlt, und daß man sich durch Geldzählen seiner
Dienstpflicht entledigen kann; durch das Aufkommen dieser Vorstellung aber
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