Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Zur Reichssteuerreform der Zölle (mit Ausnahme der Hälfte der Getreidezölle), der Getränkesteuern und Gewiß. Doch die Schwierigkeiten der Verwirklichung sind nicht gering, Zur Reichssteuerreform der Zölle (mit Ausnahme der Hälfte der Getreidezölle), der Getränkesteuern und Gewiß. Doch die Schwierigkeiten der Verwirklichung sind nicht gering, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0183" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302171"/> <fw type="header" place="top"> Zur Reichssteuerreform</fw><lb/> <p xml:id="ID_838" prev="#ID_837"> der Zölle (mit Ausnahme der Hälfte der Getreidezölle), der Getränkesteuern und<lb/> der Tabaksteuer sind für den Schutz des Reichs, für Heer und Flotte zu verwenden.<lb/> Reichen diese Steuern auch bei stärkster Anspannung nicht hin, dann sind die Er¬<lb/> trage der übrigen genannten Steuern und Zölle für diesen Zweck heranzuziehen.<lb/> Die Hälfte des Zollertrags aus Weizen, Roggen, Speck, Schmalz, Hering. Butter,<lb/> Speiseölen, Eiern, Käse, Fleisch und Schweinen ist für sozialpolitische Zwecke zu<lb/> verwenden, insbesondre für die Kranken-, Unfall-, Invaliden-, Alten-, Witwen-,<lb/> Waisen- und Arbeillvsenversicherung, endlich ein Zehntel des Getränkesteuerertrags<lb/> zur Bekämpfung der Trunksucht und andrer Volkslaster sowie für die hauswirt-<lb/> schaftliche Ausbildung der weiblichen Bevölkerung. (Hygienische Volkserziehungs-<lb/> stener nach schweizerischem Muster!)" Damit würde zweierlei erreicht: Heer und<lb/> Flotte könnten ans eigner gesicherter finanzieller Grundlage mit der Zunahme der<lb/> Bevölkerung wachsen, und es wären die hygienische Volkserziehung und die Existenz<lb/> der Arbeiterbevölkerung gesichert. „Es blieben nach unserm Vorschlag für sozial¬<lb/> politische Zwecke 119^2 Millionen Mark reserviert. Nimmt man an, der neue<lb/> Tarif steigere die Zolleinnahmen von 537 Millionen Mark (im Jahre 1902) auf<lb/> 690 Millionen, und die gewerblichen Lohnarbeiter machten den dritten Teil der<lb/> Bevölkerung aus, so hätten sie 200 Millionen beizutragen und würden davon etwa<lb/> 120 Millionen in Form von Versicherungsbeiträgen zurückbekommen. Da aber der<lb/> Konsum der arbeitenden Klassen an diesen Lebensmitteln relativ geringer ist als<lb/> der der Wohlhabenden sgerade die ärmern Klassen verzehren mehr Brot, Heringe,<lb/> amerikanisches Fett und Fleisch als die Wohlhabenden; nur Butter, Eier, Speise¬<lb/> öle und importierter Käse gehören zu den Nahrungsmitteln der mittlern Klassen),<lb/> so gleicht sich diese Mehrbelastung wieder aus, und die arbeitende Klasse erhält<lb/> aus dem Zollertrag ungefähr so viel, als sie dazu beiträgt, mit andern Worten:<lb/> sie zahlt nichts. . . . Sind die Einzelstaaten mich vermittelst der ihnen verblichnen<lb/> direkten Steuern, die, Staats- und Kommunalstener zusammengenommen, höchstens<lb/> ^ehr Prozent der Einkommen über 900 Mark ausmachen dürfen, nicht imstande,<lb/> ihre Kulturbedürfnisse zu bestreiten, so hat ihnen das Reich durch Subventionen für<lb/> bestimmte Zwecke oder durch Überweisungen aus den Reichsstenern beizuspringen."<lb/> Die „Bewilligung" der Matrikularbeiträge, wenn sie auch nur kalkulatorische Be¬<lb/> deutung hat, werde sich die Mehrheit des Reichstags nicht entziehen lassen »vollen;<lb/> deshalb und aus einigen andern Gründen sei der geradeste Weg zur reinlichen<lb/> Scheidung der Reichs- und Staatsfinanzen nicht gangbar. Man dürfe zufrieden<lb/> sein, wenn die Matrikularbeiträge und die Überweisungen des Reichs an die Einzel¬<lb/> staaten einander das Gleichgewicht hielten, und solange dieses Gleichgewicht nicht<lb/> gesetzlich festgelegt sei, werde man. nach einer Äußerung des bayrischen Finanz¬<lb/> ministers von Riedel, mit einem Überschuß der Matrikularbeiträge rechnen müssen.<lb/> Aber das im Auge zu behaltende Ideal bleibe dennoch die Dotation der Einzel-<lb/> swaten durch das Reich.</p><lb/> <p xml:id="ID_839" next="#ID_840"> Gewiß. Doch die Schwierigkeiten der Verwirklichung sind nicht gering,<lb/> auch abgesehen von mancherlei Rechenfehlern des Auslanddeutschen, von denen<lb/> wir einen in der obigen Klammer angemerkt haben. Dieser würde übrigens<lb/> seine Ideen, von denen die rassenhygienische nicht die schlechteste ist, wirksamer<lb/> empfehlen, wenn er sich von Übertreibungen fern hielte. Er eignet sich nämlich<lb/> bei der Heranziehung von Zeugnissen der Wissenschaft für seine Plane u. a.<lb/> alle Übertreibungen der Abstinenzschwürmer an, mit denen sich die Grenzboten<lb/> bei verschieden Gelegenheiten, zum Beispiel im 27. und 28. Hefte des Jahr-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0183]
Zur Reichssteuerreform
der Zölle (mit Ausnahme der Hälfte der Getreidezölle), der Getränkesteuern und
der Tabaksteuer sind für den Schutz des Reichs, für Heer und Flotte zu verwenden.
Reichen diese Steuern auch bei stärkster Anspannung nicht hin, dann sind die Er¬
trage der übrigen genannten Steuern und Zölle für diesen Zweck heranzuziehen.
Die Hälfte des Zollertrags aus Weizen, Roggen, Speck, Schmalz, Hering. Butter,
Speiseölen, Eiern, Käse, Fleisch und Schweinen ist für sozialpolitische Zwecke zu
verwenden, insbesondre für die Kranken-, Unfall-, Invaliden-, Alten-, Witwen-,
Waisen- und Arbeillvsenversicherung, endlich ein Zehntel des Getränkesteuerertrags
zur Bekämpfung der Trunksucht und andrer Volkslaster sowie für die hauswirt-
schaftliche Ausbildung der weiblichen Bevölkerung. (Hygienische Volkserziehungs-
stener nach schweizerischem Muster!)" Damit würde zweierlei erreicht: Heer und
Flotte könnten ans eigner gesicherter finanzieller Grundlage mit der Zunahme der
Bevölkerung wachsen, und es wären die hygienische Volkserziehung und die Existenz
der Arbeiterbevölkerung gesichert. „Es blieben nach unserm Vorschlag für sozial¬
politische Zwecke 119^2 Millionen Mark reserviert. Nimmt man an, der neue
Tarif steigere die Zolleinnahmen von 537 Millionen Mark (im Jahre 1902) auf
690 Millionen, und die gewerblichen Lohnarbeiter machten den dritten Teil der
Bevölkerung aus, so hätten sie 200 Millionen beizutragen und würden davon etwa
120 Millionen in Form von Versicherungsbeiträgen zurückbekommen. Da aber der
Konsum der arbeitenden Klassen an diesen Lebensmitteln relativ geringer ist als
der der Wohlhabenden sgerade die ärmern Klassen verzehren mehr Brot, Heringe,
amerikanisches Fett und Fleisch als die Wohlhabenden; nur Butter, Eier, Speise¬
öle und importierter Käse gehören zu den Nahrungsmitteln der mittlern Klassen),
so gleicht sich diese Mehrbelastung wieder aus, und die arbeitende Klasse erhält
aus dem Zollertrag ungefähr so viel, als sie dazu beiträgt, mit andern Worten:
sie zahlt nichts. . . . Sind die Einzelstaaten mich vermittelst der ihnen verblichnen
direkten Steuern, die, Staats- und Kommunalstener zusammengenommen, höchstens
^ehr Prozent der Einkommen über 900 Mark ausmachen dürfen, nicht imstande,
ihre Kulturbedürfnisse zu bestreiten, so hat ihnen das Reich durch Subventionen für
bestimmte Zwecke oder durch Überweisungen aus den Reichsstenern beizuspringen."
Die „Bewilligung" der Matrikularbeiträge, wenn sie auch nur kalkulatorische Be¬
deutung hat, werde sich die Mehrheit des Reichstags nicht entziehen lassen »vollen;
deshalb und aus einigen andern Gründen sei der geradeste Weg zur reinlichen
Scheidung der Reichs- und Staatsfinanzen nicht gangbar. Man dürfe zufrieden
sein, wenn die Matrikularbeiträge und die Überweisungen des Reichs an die Einzel¬
staaten einander das Gleichgewicht hielten, und solange dieses Gleichgewicht nicht
gesetzlich festgelegt sei, werde man. nach einer Äußerung des bayrischen Finanz¬
ministers von Riedel, mit einem Überschuß der Matrikularbeiträge rechnen müssen.
Aber das im Auge zu behaltende Ideal bleibe dennoch die Dotation der Einzel-
swaten durch das Reich.
Gewiß. Doch die Schwierigkeiten der Verwirklichung sind nicht gering,
auch abgesehen von mancherlei Rechenfehlern des Auslanddeutschen, von denen
wir einen in der obigen Klammer angemerkt haben. Dieser würde übrigens
seine Ideen, von denen die rassenhygienische nicht die schlechteste ist, wirksamer
empfehlen, wenn er sich von Übertreibungen fern hielte. Er eignet sich nämlich
bei der Heranziehung von Zeugnissen der Wissenschaft für seine Plane u. a.
alle Übertreibungen der Abstinenzschwürmer an, mit denen sich die Grenzboten
bei verschieden Gelegenheiten, zum Beispiel im 27. und 28. Hefte des Jahr-
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