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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Der Säkulare Kampf gegen das Riesenkapital in Nordamerika

Kandidaten in Betracht, falls er selbst bei seiner Weigerung verharrt. Welcher
von ihnen, das ist noch nicht klar. Ob Noosevelt nun kandidiert oder nicht, auf
alle Fälle steht die Geschlossenheit der republikanischen Partei in Frage, und das
ist für das amerikanische Parteiwesen ein Umstand von der allergrößten Trag¬
weite, namentlich auch im Hinblick auf deu Kampf gegen die Trusts.

Inzwischen gehen auch auf demokratischer Seite seltsame Dinge vor sich.
Der Gegensatz zwischen Bryan und Hearst hat sich vergrößert. Vryan hat den
Staub der Silberwährungspolitik vorläufig von seinen Füßen geschüttelt. So
lange die Goldausbeute der Welt so groß bleibe, müsse sich der Bimetallismus
auf das Abwarten beschränken. Doch würde seine Zeit schon wieder kommen.
Im übrigen aber: gegen den Imperialismus, gegen die Trusts und darum auch
gegen den Hochschutzzoll, der das einzige Mittel sei, mit dem die Trusts ihre
gemeinschüdliche Allmacht aufrecht erhielten. Von der Verstaatlichung der Eisen¬
bahnen ist auf demokratischer Seite nicht viel mehr die Rede gewesen. Die Partei
behält sich ihre Stellung vor. Hearst ist ein Mann von mindestens sehr zweifel¬
haftem Charakter. Er kam vor einem Jahrzehnt aus dem fernen Westen nach
Newyork. Die Millionen in seinem Vermögen sollten ihm dienen, eine Rolle zu
spielen. Und sie haben es getan. Hearst wurde Massenbesitzer von Zeitungen.
Er kaufte alte, gründete neue. Er hatte das Talent, sich mit einem Stäbe guter
Kräfte zu umgeben. Die vielen Zeitungen und Zeitschriften seines Verlages,
teils in Newyork, teils weit über das Land zerstreut, nützten und unterstützten
sich gegenseitig. Und dann: sie dienten alle einem großen Zweck, der Verbreitung
des Ruhmes ihres Verlegers. Man kannte bald kaum einen prominentern Mann
in der demokratischen Partei als Mr. Hearst. Schon bei der Präsidentenwahl
von 1904 strebte er die Ernennung zum demokratischen Kandidaten an. Das
mißlang. Zugleich war er nichtoffizieller, wilder Kandidat für den Posten eines
Gouverneurs des Staates Newyork. Er siel glänzend durch. Trotzdem wurde
er im November 1906 offizieller Kandidat für dieses Amt. Es ist eines der
wichtigsten nach dem des Bundespräsidenten. Wer es einnimmt, der hat die
größte Aussicht, das nächstemal zum offiziellen Parteikandidaten für das aller-
vberste Amt ernannt zu werden, falls seine Partei eine Kandidatur offen hat.
Hearst war Demokrat, die Demokraten haben freie Hand, sie können aufstellen,
wen sie wollen, denn kein andrer hat diesmal ein älteres Recht. Die Demokraten
haben noch niemals gesiegt, wenn sie nicht den Staat Newyork für sich gewonnen
haben. Und wer könnte also der geeignetere Präsidentschaftskandidat sein als
der, den soeben der entscheidende Staat an seine Spitze berufen hatte? Roosevelt
befürchtete einen solchen Gang der Dinge so ernstlich, daß er den ganz un¬
gewöhnlichen Schritt tat, seinen Privatsekretür nach Newyork zu schicken und
dort öffentlich erklären zu lassen, daß Hearst an der Ermordung Mac Kinleys
einen großen Teil der Schuld trage. Seine gewissenlosen Sensationsblätter
hätten die Stimmung der Gesetzlosigkeit verbreitet, die den Mörder, der an sich
ein stupider Mensch gewesen sei, zu seiner unseligen Tat verleitet habe. Eine


Der Säkulare Kampf gegen das Riesenkapital in Nordamerika

Kandidaten in Betracht, falls er selbst bei seiner Weigerung verharrt. Welcher
von ihnen, das ist noch nicht klar. Ob Noosevelt nun kandidiert oder nicht, auf
alle Fälle steht die Geschlossenheit der republikanischen Partei in Frage, und das
ist für das amerikanische Parteiwesen ein Umstand von der allergrößten Trag¬
weite, namentlich auch im Hinblick auf deu Kampf gegen die Trusts.

Inzwischen gehen auch auf demokratischer Seite seltsame Dinge vor sich.
Der Gegensatz zwischen Bryan und Hearst hat sich vergrößert. Vryan hat den
Staub der Silberwährungspolitik vorläufig von seinen Füßen geschüttelt. So
lange die Goldausbeute der Welt so groß bleibe, müsse sich der Bimetallismus
auf das Abwarten beschränken. Doch würde seine Zeit schon wieder kommen.
Im übrigen aber: gegen den Imperialismus, gegen die Trusts und darum auch
gegen den Hochschutzzoll, der das einzige Mittel sei, mit dem die Trusts ihre
gemeinschüdliche Allmacht aufrecht erhielten. Von der Verstaatlichung der Eisen¬
bahnen ist auf demokratischer Seite nicht viel mehr die Rede gewesen. Die Partei
behält sich ihre Stellung vor. Hearst ist ein Mann von mindestens sehr zweifel¬
haftem Charakter. Er kam vor einem Jahrzehnt aus dem fernen Westen nach
Newyork. Die Millionen in seinem Vermögen sollten ihm dienen, eine Rolle zu
spielen. Und sie haben es getan. Hearst wurde Massenbesitzer von Zeitungen.
Er kaufte alte, gründete neue. Er hatte das Talent, sich mit einem Stäbe guter
Kräfte zu umgeben. Die vielen Zeitungen und Zeitschriften seines Verlages,
teils in Newyork, teils weit über das Land zerstreut, nützten und unterstützten
sich gegenseitig. Und dann: sie dienten alle einem großen Zweck, der Verbreitung
des Ruhmes ihres Verlegers. Man kannte bald kaum einen prominentern Mann
in der demokratischen Partei als Mr. Hearst. Schon bei der Präsidentenwahl
von 1904 strebte er die Ernennung zum demokratischen Kandidaten an. Das
mißlang. Zugleich war er nichtoffizieller, wilder Kandidat für den Posten eines
Gouverneurs des Staates Newyork. Er siel glänzend durch. Trotzdem wurde
er im November 1906 offizieller Kandidat für dieses Amt. Es ist eines der
wichtigsten nach dem des Bundespräsidenten. Wer es einnimmt, der hat die
größte Aussicht, das nächstemal zum offiziellen Parteikandidaten für das aller-
vberste Amt ernannt zu werden, falls seine Partei eine Kandidatur offen hat.
Hearst war Demokrat, die Demokraten haben freie Hand, sie können aufstellen,
wen sie wollen, denn kein andrer hat diesmal ein älteres Recht. Die Demokraten
haben noch niemals gesiegt, wenn sie nicht den Staat Newyork für sich gewonnen
haben. Und wer könnte also der geeignetere Präsidentschaftskandidat sein als
der, den soeben der entscheidende Staat an seine Spitze berufen hatte? Roosevelt
befürchtete einen solchen Gang der Dinge so ernstlich, daß er den ganz un¬
gewöhnlichen Schritt tat, seinen Privatsekretür nach Newyork zu schicken und
dort öffentlich erklären zu lassen, daß Hearst an der Ermordung Mac Kinleys
einen großen Teil der Schuld trage. Seine gewissenlosen Sensationsblätter
hätten die Stimmung der Gesetzlosigkeit verbreitet, die den Mörder, der an sich
ein stupider Mensch gewesen sei, zu seiner unseligen Tat verleitet habe. Eine


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[0176] Der Säkulare Kampf gegen das Riesenkapital in Nordamerika Kandidaten in Betracht, falls er selbst bei seiner Weigerung verharrt. Welcher von ihnen, das ist noch nicht klar. Ob Noosevelt nun kandidiert oder nicht, auf alle Fälle steht die Geschlossenheit der republikanischen Partei in Frage, und das ist für das amerikanische Parteiwesen ein Umstand von der allergrößten Trag¬ weite, namentlich auch im Hinblick auf deu Kampf gegen die Trusts. Inzwischen gehen auch auf demokratischer Seite seltsame Dinge vor sich. Der Gegensatz zwischen Bryan und Hearst hat sich vergrößert. Vryan hat den Staub der Silberwährungspolitik vorläufig von seinen Füßen geschüttelt. So lange die Goldausbeute der Welt so groß bleibe, müsse sich der Bimetallismus auf das Abwarten beschränken. Doch würde seine Zeit schon wieder kommen. Im übrigen aber: gegen den Imperialismus, gegen die Trusts und darum auch gegen den Hochschutzzoll, der das einzige Mittel sei, mit dem die Trusts ihre gemeinschüdliche Allmacht aufrecht erhielten. Von der Verstaatlichung der Eisen¬ bahnen ist auf demokratischer Seite nicht viel mehr die Rede gewesen. Die Partei behält sich ihre Stellung vor. Hearst ist ein Mann von mindestens sehr zweifel¬ haftem Charakter. Er kam vor einem Jahrzehnt aus dem fernen Westen nach Newyork. Die Millionen in seinem Vermögen sollten ihm dienen, eine Rolle zu spielen. Und sie haben es getan. Hearst wurde Massenbesitzer von Zeitungen. Er kaufte alte, gründete neue. Er hatte das Talent, sich mit einem Stäbe guter Kräfte zu umgeben. Die vielen Zeitungen und Zeitschriften seines Verlages, teils in Newyork, teils weit über das Land zerstreut, nützten und unterstützten sich gegenseitig. Und dann: sie dienten alle einem großen Zweck, der Verbreitung des Ruhmes ihres Verlegers. Man kannte bald kaum einen prominentern Mann in der demokratischen Partei als Mr. Hearst. Schon bei der Präsidentenwahl von 1904 strebte er die Ernennung zum demokratischen Kandidaten an. Das mißlang. Zugleich war er nichtoffizieller, wilder Kandidat für den Posten eines Gouverneurs des Staates Newyork. Er siel glänzend durch. Trotzdem wurde er im November 1906 offizieller Kandidat für dieses Amt. Es ist eines der wichtigsten nach dem des Bundespräsidenten. Wer es einnimmt, der hat die größte Aussicht, das nächstemal zum offiziellen Parteikandidaten für das aller- vberste Amt ernannt zu werden, falls seine Partei eine Kandidatur offen hat. Hearst war Demokrat, die Demokraten haben freie Hand, sie können aufstellen, wen sie wollen, denn kein andrer hat diesmal ein älteres Recht. Die Demokraten haben noch niemals gesiegt, wenn sie nicht den Staat Newyork für sich gewonnen haben. Und wer könnte also der geeignetere Präsidentschaftskandidat sein als der, den soeben der entscheidende Staat an seine Spitze berufen hatte? Roosevelt befürchtete einen solchen Gang der Dinge so ernstlich, daß er den ganz un¬ gewöhnlichen Schritt tat, seinen Privatsekretür nach Newyork zu schicken und dort öffentlich erklären zu lassen, daß Hearst an der Ermordung Mac Kinleys einen großen Teil der Schuld trage. Seine gewissenlosen Sensationsblätter hätten die Stimmung der Gesetzlosigkeit verbreitet, die den Mörder, der an sich ein stupider Mensch gewesen sei, zu seiner unseligen Tat verleitet habe. Eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/176>, abgerufen am 06.02.2025.