Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Die Haselnuß Die Uniform machts nicht, sagte Immanuel, nun ebenfalls lächelnd, man sieht Hör Er, Mann, fragte der Fremde nach einer Pause, bin ich bei ihm sicher? Von mir und meiner Fran haben Sie nichts zu fürchten. Daran zweifle ich nicht. Ich meine nur, ob Er mich noch eine Weile im Weshalb nicht, Herr General? Wir schließen die Stube ab, dann kann Genügt mir durchaus. Es handelt sich ja auch nur um ein paar Tage. Daß Kann ich mir vorstellen, sagte der Alte, was könnte ihm auch jetzt ein General Güter Freund, erwiderte der Fremde, es ist eine lange Geschichte. Meinet¬ Nein nein, Herr General, auf den Schreck würden wir doch nicht mehr schlafen Die Frau hatte inzwischen Kaffee gekocht und stellte die zinnerne Kanne und Die beiden alten Leute setzten sich auf das Bett, während sich der Fremde Am 14. Oktober hatte mein Bataillon den Kaiser von Duden hierher zu be¬ Wir zogen in Leipzig ein und freuten uns schon auf bequeme Quartiere, da Man zündete auf dem Felde neben der Landstraße ein Feuer an und brachte Die Haselnuß Die Uniform machts nicht, sagte Immanuel, nun ebenfalls lächelnd, man sieht Hör Er, Mann, fragte der Fremde nach einer Pause, bin ich bei ihm sicher? Von mir und meiner Fran haben Sie nichts zu fürchten. Daran zweifle ich nicht. Ich meine nur, ob Er mich noch eine Weile im Weshalb nicht, Herr General? Wir schließen die Stube ab, dann kann Genügt mir durchaus. Es handelt sich ja auch nur um ein paar Tage. Daß Kann ich mir vorstellen, sagte der Alte, was könnte ihm auch jetzt ein General Güter Freund, erwiderte der Fremde, es ist eine lange Geschichte. Meinet¬ Nein nein, Herr General, auf den Schreck würden wir doch nicht mehr schlafen Die Frau hatte inzwischen Kaffee gekocht und stellte die zinnerne Kanne und Die beiden alten Leute setzten sich auf das Bett, während sich der Fremde Am 14. Oktober hatte mein Bataillon den Kaiser von Duden hierher zu be¬ Wir zogen in Leipzig ein und freuten uns schon auf bequeme Quartiere, da Man zündete auf dem Felde neben der Landstraße ein Feuer an und brachte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0162" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302150"/> <fw type="header" place="top"> Die Haselnuß</fw><lb/> <p xml:id="ID_763"> Die Uniform machts nicht, sagte Immanuel, nun ebenfalls lächelnd, man sieht<lb/> doch, wen mein vor sich hat. Wenn der Herr General Korporalsuniform angelegt<lb/> haben, so wird er schon seine Gründe dafür gehabt haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_764"> Hör Er, Mann, fragte der Fremde nach einer Pause, bin ich bei ihm sicher?</p><lb/> <p xml:id="ID_765"> Von mir und meiner Fran haben Sie nichts zu fürchten.</p><lb/> <p xml:id="ID_766"> Daran zweifle ich nicht. Ich meine nur, ob Er mich noch eine Weile im<lb/> Quartier behalten kann, ohne das; man mich bei Ihm entdeckt?</p><lb/> <p xml:id="ID_767"> Weshalb nicht, Herr General? Wir schließen die Stube ab, dann kann<lb/> niemand herein. Aber wir können Sie wenig Bequemlichkeit bieten. Wenn Sie<lb/> auf dem Sofa schlafen wollen und mit dem Essen zufrieden sind, das meine Fran<lb/> aus dem Spital mitbringt —</p><lb/> <p xml:id="ID_768"> Genügt mir durchaus. Es handelt sich ja auch nur um ein paar Tage. Daß<lb/> ich jetzt nicht weg kann, jetzt, wo die ganze Stadt voll Alliierte ist, wird Er ein¬<lb/> sehen. Sie würden mich gleich gefangen nehmen. Und das darf nicht sein. Ich<lb/> will mich zur Armee durchschlagen, ich muß zum Kaiser!</p><lb/> <p xml:id="ID_769"> Kann ich mir vorstellen, sagte der Alte, was könnte ihm auch jetzt ein General<lb/> nützen, der in Leipzig am Neukirchhof bei Gerlachs auf dem Sofa säße! Aber<lb/> hören Sie mal — Sie nehmen mir wohl die Frage nicht übel! — weshalb haben<lb/> Sie sich denn von Ihrem Kaiser getrennt?</p><lb/> <p xml:id="ID_770"> Güter Freund, erwiderte der Fremde, es ist eine lange Geschichte. Meinet¬<lb/> wegen will ich sie Ihm erzählen, aber will Er nicht lieber wieder zu Bett gehn?<lb/> Er ist doch gewiß müde und Seine Frau nicht minder.</p><lb/> <p xml:id="ID_771"> Nein nein, Herr General, auf den Schreck würden wir doch nicht mehr schlafen<lb/> können. Denn ein Schreck wars schließlich doch — wenn auch ein freudiger.</p><lb/> <p xml:id="ID_772"> Die Frau hatte inzwischen Kaffee gekocht und stellte die zinnerne Kanne und<lb/> eine Tasse mit der Aufschrift „Dem Silberbräutigam" vor den Fremden hin, der<lb/> sich nicht lange nötigen ließ und dem braunen Tränke wacker zusprach. Immanuel<lb/> beobachtete mit stiller Genugtuung, wie es seinem Gast schmeckte, und meinte, als<lb/> dieser den Kaffee rühmte: Ja, lieber Herre, so ein Schälchen Marokko hilft einem<lb/> wieder auf die Beine!</p><lb/> <p xml:id="ID_773"> Die beiden alten Leute setzten sich auf das Bett, während sich der Fremde<lb/> auf dem Sofa ausstreckte und seine Erzählung begann:</p><lb/> <p xml:id="ID_774"> Am 14. Oktober hatte mein Bataillon den Kaiser von Duden hierher zu be¬<lb/> gleiten. Wir wußten, daß uns eine große, entscheidende Bataille bevorstünde, und<lb/> suchten in den Mienen des Kaisers Aufklärung über unsre nächste Zukunft. Wir<lb/> hatten von den unglücklichen Affären bei Großbeeren, an der Katzbach, bei Denne-<lb/> witz und bei Kulm gehört, aber wir wußten, daß es in der Hand des Kaisers lag,<lb/> das Kriegsglück zurückzurufen und wieder dauernd an seine Fahnen zu ketten. Er<lb/> brauchte ja nur ernstlich zu wollen; durch unsre Niederlagen mußten die Feinde<lb/> in Sicherheit gewiegt worden sein und desto gewisser einem mit Entschlossenheit<lb/> geführten Schlage erliegen. Der Kaiser schien völlig gefaßt, und ich sah, wie er<lb/> einen der Adjutanten, der neben ihm ritt, am Ohr zupfte. Das war ein Zeichen,<lb/> daß er guter Laune war.</p><lb/> <p xml:id="ID_775"> Wir zogen in Leipzig ein und freuten uns schon auf bequeme Quartiere, da<lb/> hieß es: Der Kaiser will draußen vor der Stadt Stellung nehmen. Wir marschierten<lb/> also wieder hinaus. Und wo machten wir Halt? Bei einem Galgen, Leute, bei<lb/> einem Galgen!</p><lb/> <p xml:id="ID_776" next="#ID_777"> Man zündete auf dem Felde neben der Landstraße ein Feuer an und brachte<lb/> für den Kaiser einen Tisch und einen Stuhl herbei. Er setzte sich und vertiefte<lb/> sich in seine Landkarten. Um ihn her standen die Offiziere vom persönlichen Dienst</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0162]
Die Haselnuß
Die Uniform machts nicht, sagte Immanuel, nun ebenfalls lächelnd, man sieht
doch, wen mein vor sich hat. Wenn der Herr General Korporalsuniform angelegt
haben, so wird er schon seine Gründe dafür gehabt haben.
Hör Er, Mann, fragte der Fremde nach einer Pause, bin ich bei ihm sicher?
Von mir und meiner Fran haben Sie nichts zu fürchten.
Daran zweifle ich nicht. Ich meine nur, ob Er mich noch eine Weile im
Quartier behalten kann, ohne das; man mich bei Ihm entdeckt?
Weshalb nicht, Herr General? Wir schließen die Stube ab, dann kann
niemand herein. Aber wir können Sie wenig Bequemlichkeit bieten. Wenn Sie
auf dem Sofa schlafen wollen und mit dem Essen zufrieden sind, das meine Fran
aus dem Spital mitbringt —
Genügt mir durchaus. Es handelt sich ja auch nur um ein paar Tage. Daß
ich jetzt nicht weg kann, jetzt, wo die ganze Stadt voll Alliierte ist, wird Er ein¬
sehen. Sie würden mich gleich gefangen nehmen. Und das darf nicht sein. Ich
will mich zur Armee durchschlagen, ich muß zum Kaiser!
Kann ich mir vorstellen, sagte der Alte, was könnte ihm auch jetzt ein General
nützen, der in Leipzig am Neukirchhof bei Gerlachs auf dem Sofa säße! Aber
hören Sie mal — Sie nehmen mir wohl die Frage nicht übel! — weshalb haben
Sie sich denn von Ihrem Kaiser getrennt?
Güter Freund, erwiderte der Fremde, es ist eine lange Geschichte. Meinet¬
wegen will ich sie Ihm erzählen, aber will Er nicht lieber wieder zu Bett gehn?
Er ist doch gewiß müde und Seine Frau nicht minder.
Nein nein, Herr General, auf den Schreck würden wir doch nicht mehr schlafen
können. Denn ein Schreck wars schließlich doch — wenn auch ein freudiger.
Die Frau hatte inzwischen Kaffee gekocht und stellte die zinnerne Kanne und
eine Tasse mit der Aufschrift „Dem Silberbräutigam" vor den Fremden hin, der
sich nicht lange nötigen ließ und dem braunen Tränke wacker zusprach. Immanuel
beobachtete mit stiller Genugtuung, wie es seinem Gast schmeckte, und meinte, als
dieser den Kaffee rühmte: Ja, lieber Herre, so ein Schälchen Marokko hilft einem
wieder auf die Beine!
Die beiden alten Leute setzten sich auf das Bett, während sich der Fremde
auf dem Sofa ausstreckte und seine Erzählung begann:
Am 14. Oktober hatte mein Bataillon den Kaiser von Duden hierher zu be¬
gleiten. Wir wußten, daß uns eine große, entscheidende Bataille bevorstünde, und
suchten in den Mienen des Kaisers Aufklärung über unsre nächste Zukunft. Wir
hatten von den unglücklichen Affären bei Großbeeren, an der Katzbach, bei Denne-
witz und bei Kulm gehört, aber wir wußten, daß es in der Hand des Kaisers lag,
das Kriegsglück zurückzurufen und wieder dauernd an seine Fahnen zu ketten. Er
brauchte ja nur ernstlich zu wollen; durch unsre Niederlagen mußten die Feinde
in Sicherheit gewiegt worden sein und desto gewisser einem mit Entschlossenheit
geführten Schlage erliegen. Der Kaiser schien völlig gefaßt, und ich sah, wie er
einen der Adjutanten, der neben ihm ritt, am Ohr zupfte. Das war ein Zeichen,
daß er guter Laune war.
Wir zogen in Leipzig ein und freuten uns schon auf bequeme Quartiere, da
hieß es: Der Kaiser will draußen vor der Stadt Stellung nehmen. Wir marschierten
also wieder hinaus. Und wo machten wir Halt? Bei einem Galgen, Leute, bei
einem Galgen!
Man zündete auf dem Felde neben der Landstraße ein Feuer an und brachte
für den Kaiser einen Tisch und einen Stuhl herbei. Er setzte sich und vertiefte
sich in seine Landkarten. Um ihn her standen die Offiziere vom persönlichen Dienst
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |