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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

Die Amerikaner sind mit so vollen Segeln in den ihnen früher unbekannten
Imperialismus hineingesteuert, haben sich mit so geringer Kraftanstrengung nach
der Niederwerfung des greisenhafter Spaniens einen der schönsten Kolonial¬
besitze der Erde erwerben können und haben in so übertriebner Weise von allen
europäischen Besuchern hören müssen, daß sie im Lande der unbegrenzten Mög¬
lichkeiten wohnten, daß tatsächlich der Glaube in ihnen Wurzel fassen konnte,
daß sich ihr Imperialismus stetig so weiter entwickeln und nichts weiter von
ihnen verlangen würde als Kapital.

Die Ansprüche des Imperialismus begründete man nach klassischen Mustern.
Roosevelt interpretierte in seinem famosen Liv.og.n-I^teor die von keiner europäischen
Macht je anerkannte Monroedoktrin dahin, die Union habe die Pflicht, eine
internationale Polizeigewalt über den amerikanischen Kontinent auszuüben, uni
die andern Republiken zu zwingen to ave vnd. rsAsonablö sMoisno^ ana alö
(Zölio^ in, 80pig,1 g.na politioal mattem und um einzugreifen, sobald durch
odronio nroriActoinA eine amerikanische Republik in innern Bürgerkrieg oder in
einen Konflikt mit einer europäischen Macht hineingeraten sei.

Der junge Imperator sprach mit einer Stimme, die in der ganzen Welt
den weitesten Widerhall fand, und alles, was seitdem von ihm oder seinen Mi¬
nistern zur Beschönigung seiner Worte vorgebracht worden ist, hat die Wirkung
nicht abschwächen können. Wie Perikles die Suprematie Athens mit dem wohl¬
tuender Einfluß auf die unterworfnen Staaten, wie Cäsar die xax romang. mit
der Kulturpflicht Roms begründet hatte, und wie in den letzten Jahrhunderten
die Spanier und die Portugiesen mit religiösen, die Engländer mit sophistischen
Deduktionen ihre Eroberungspolitik motiviert hatten, war jetzt Roosevelt mit
einem Imperialismus hervorgetreten, der sich wieder auf ideale altrustische Be¬
weggründe stützte, daneben allerdings auch in einer des Macchiavelli würdigen
Weise die Okkupation Panamas als söll-äktöiisö bezeichnete und einen Hymnus
auf die Macht enthielt, da ja kein Staat in Ruhe und Frieden leben könne,
sondern entweder erobern oder erobert werden müsse.

Das moralische Protektorat, das Roosevelt für die Union über ganz Amerika
mit einem Federzug usurpiert hatte, würde sich im Ernstfalle selbstverständlich
in ein effektives Protektorat verwandeln. Was unter Ernstfall zu versteh" sei,
hat ja Roosevelt selbst angegeben. Daran ändern auch die Worte des Präsi¬
denten nichts, die Union habe keinen Landhunger und würde immer nur dann
in einer amerikanischen Republik intervenieren, wenn es deren eignes Interesse
fordere. Der Panamazwischenfall hat gezeigt, wie sich Roosevelt diese eignen
Interessen der andern Republiken denkt, und allgemein wird Roosevelt jetzt in
den latino-amerikanischen Zeitungen als der Lontillöntal-I'olioöMÄli bezeichnet,
weil er gesagt hat, solange eine Nation die Ordnung aufrecht erhalte und ihre
internationalen Staatsschulden bezahle, hätte sie keine Intervention von ihm zu
befürchten. Daß Staaten wie Mexiko, Argentinien, Chile und Brasilien, die
alle eine geradezu staunenswerte Entwicklung in den letzten Jahren auszuweisen


Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

Die Amerikaner sind mit so vollen Segeln in den ihnen früher unbekannten
Imperialismus hineingesteuert, haben sich mit so geringer Kraftanstrengung nach
der Niederwerfung des greisenhafter Spaniens einen der schönsten Kolonial¬
besitze der Erde erwerben können und haben in so übertriebner Weise von allen
europäischen Besuchern hören müssen, daß sie im Lande der unbegrenzten Mög¬
lichkeiten wohnten, daß tatsächlich der Glaube in ihnen Wurzel fassen konnte,
daß sich ihr Imperialismus stetig so weiter entwickeln und nichts weiter von
ihnen verlangen würde als Kapital.

Die Ansprüche des Imperialismus begründete man nach klassischen Mustern.
Roosevelt interpretierte in seinem famosen Liv.og.n-I^teor die von keiner europäischen
Macht je anerkannte Monroedoktrin dahin, die Union habe die Pflicht, eine
internationale Polizeigewalt über den amerikanischen Kontinent auszuüben, uni
die andern Republiken zu zwingen to ave vnd. rsAsonablö sMoisno^ ana alö
(Zölio^ in, 80pig,1 g.na politioal mattem und um einzugreifen, sobald durch
odronio nroriActoinA eine amerikanische Republik in innern Bürgerkrieg oder in
einen Konflikt mit einer europäischen Macht hineingeraten sei.

Der junge Imperator sprach mit einer Stimme, die in der ganzen Welt
den weitesten Widerhall fand, und alles, was seitdem von ihm oder seinen Mi¬
nistern zur Beschönigung seiner Worte vorgebracht worden ist, hat die Wirkung
nicht abschwächen können. Wie Perikles die Suprematie Athens mit dem wohl¬
tuender Einfluß auf die unterworfnen Staaten, wie Cäsar die xax romang. mit
der Kulturpflicht Roms begründet hatte, und wie in den letzten Jahrhunderten
die Spanier und die Portugiesen mit religiösen, die Engländer mit sophistischen
Deduktionen ihre Eroberungspolitik motiviert hatten, war jetzt Roosevelt mit
einem Imperialismus hervorgetreten, der sich wieder auf ideale altrustische Be¬
weggründe stützte, daneben allerdings auch in einer des Macchiavelli würdigen
Weise die Okkupation Panamas als söll-äktöiisö bezeichnete und einen Hymnus
auf die Macht enthielt, da ja kein Staat in Ruhe und Frieden leben könne,
sondern entweder erobern oder erobert werden müsse.

Das moralische Protektorat, das Roosevelt für die Union über ganz Amerika
mit einem Federzug usurpiert hatte, würde sich im Ernstfalle selbstverständlich
in ein effektives Protektorat verwandeln. Was unter Ernstfall zu versteh» sei,
hat ja Roosevelt selbst angegeben. Daran ändern auch die Worte des Präsi¬
denten nichts, die Union habe keinen Landhunger und würde immer nur dann
in einer amerikanischen Republik intervenieren, wenn es deren eignes Interesse
fordere. Der Panamazwischenfall hat gezeigt, wie sich Roosevelt diese eignen
Interessen der andern Republiken denkt, und allgemein wird Roosevelt jetzt in
den latino-amerikanischen Zeitungen als der Lontillöntal-I'olioöMÄli bezeichnet,
weil er gesagt hat, solange eine Nation die Ordnung aufrecht erhalte und ihre
internationalen Staatsschulden bezahle, hätte sie keine Intervention von ihm zu
befürchten. Daß Staaten wie Mexiko, Argentinien, Chile und Brasilien, die
alle eine geradezu staunenswerte Entwicklung in den letzten Jahren auszuweisen


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[0674] Die amerikanisch-japanischen Beziehungen Die Amerikaner sind mit so vollen Segeln in den ihnen früher unbekannten Imperialismus hineingesteuert, haben sich mit so geringer Kraftanstrengung nach der Niederwerfung des greisenhafter Spaniens einen der schönsten Kolonial¬ besitze der Erde erwerben können und haben in so übertriebner Weise von allen europäischen Besuchern hören müssen, daß sie im Lande der unbegrenzten Mög¬ lichkeiten wohnten, daß tatsächlich der Glaube in ihnen Wurzel fassen konnte, daß sich ihr Imperialismus stetig so weiter entwickeln und nichts weiter von ihnen verlangen würde als Kapital. Die Ansprüche des Imperialismus begründete man nach klassischen Mustern. Roosevelt interpretierte in seinem famosen Liv.og.n-I^teor die von keiner europäischen Macht je anerkannte Monroedoktrin dahin, die Union habe die Pflicht, eine internationale Polizeigewalt über den amerikanischen Kontinent auszuüben, uni die andern Republiken zu zwingen to ave vnd. rsAsonablö sMoisno^ ana alö (Zölio^ in, 80pig,1 g.na politioal mattem und um einzugreifen, sobald durch odronio nroriActoinA eine amerikanische Republik in innern Bürgerkrieg oder in einen Konflikt mit einer europäischen Macht hineingeraten sei. Der junge Imperator sprach mit einer Stimme, die in der ganzen Welt den weitesten Widerhall fand, und alles, was seitdem von ihm oder seinen Mi¬ nistern zur Beschönigung seiner Worte vorgebracht worden ist, hat die Wirkung nicht abschwächen können. Wie Perikles die Suprematie Athens mit dem wohl¬ tuender Einfluß auf die unterworfnen Staaten, wie Cäsar die xax romang. mit der Kulturpflicht Roms begründet hatte, und wie in den letzten Jahrhunderten die Spanier und die Portugiesen mit religiösen, die Engländer mit sophistischen Deduktionen ihre Eroberungspolitik motiviert hatten, war jetzt Roosevelt mit einem Imperialismus hervorgetreten, der sich wieder auf ideale altrustische Be¬ weggründe stützte, daneben allerdings auch in einer des Macchiavelli würdigen Weise die Okkupation Panamas als söll-äktöiisö bezeichnete und einen Hymnus auf die Macht enthielt, da ja kein Staat in Ruhe und Frieden leben könne, sondern entweder erobern oder erobert werden müsse. Das moralische Protektorat, das Roosevelt für die Union über ganz Amerika mit einem Federzug usurpiert hatte, würde sich im Ernstfalle selbstverständlich in ein effektives Protektorat verwandeln. Was unter Ernstfall zu versteh» sei, hat ja Roosevelt selbst angegeben. Daran ändern auch die Worte des Präsi¬ denten nichts, die Union habe keinen Landhunger und würde immer nur dann in einer amerikanischen Republik intervenieren, wenn es deren eignes Interesse fordere. Der Panamazwischenfall hat gezeigt, wie sich Roosevelt diese eignen Interessen der andern Republiken denkt, und allgemein wird Roosevelt jetzt in den latino-amerikanischen Zeitungen als der Lontillöntal-I'olioöMÄli bezeichnet, weil er gesagt hat, solange eine Nation die Ordnung aufrecht erhalte und ihre internationalen Staatsschulden bezahle, hätte sie keine Intervention von ihm zu befürchten. Daß Staaten wie Mexiko, Argentinien, Chile und Brasilien, die alle eine geradezu staunenswerte Entwicklung in den letzten Jahren auszuweisen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/674>, abgerufen am 04.07.2024.