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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die militärpolitische Lage in den vereinigten Staaten von Nordamerika

die Arbeitskräfte der 40 000 Japaner, die sich im Laufe der Jahre eingefunden
hatten, waren der wahre Grund der Erbitterung geworden, weil sie für billiges
Geld ihre Dienste anboten und dadurch den einheimischen Kräften in der nach¬
teiligsten Weise Konkurrenz zu machen drohten. Die natürliche Folge dieser Um¬
stände war, daß sich die Innungen aller Berufe, die besonders in Kalifornien ein
solidarisches Ganzes bilden, immer enger zu gemeinsamem Vorgehn zusammen¬
schlossen. Dadurch gerieten die Arbeitgeber, die durch die Tradesunion den
Arbeitnehmern gegenüber schon so wie so sehr im Nachteil sind, noch mehr in
Bedrängnis, und es läßt sich gar nicht übersehen, welche Folgen für Handel
und Gewerbe bei dem fortgesetzten Widerstande der landsüssigen Arbeiter und
ihrer feindseligen Haltung gegen die zunehmende Einwanderung der Japaner
entstanden sein würden, wenn nicht gerade noch zu rechter Stunde der erwähnte
Vertrag zustande gekommen wäre, der die Tore Kaliforniens der gelben Nasse
so gut wie verschließt. Es fragt sich nur, ob sich Japan auf die Dauer an
den Wortlaut dieser Abmachung halten wird, ja auch nur halten kann, bei der
stetigen Zunahme seiner Bevölkerung und der Unmöglichkeit, sie im eignen
Lande unterzubringen und in ausreichendem Maße zu beschäftigen. Schon
jetzt machen sich nach dieser Richtung in der japanischen Presse ernste Bedenken
geltend, und der Regierung wird der Vorwurf gemacht, daß sie in der Differenz
mit den Vereinigten Staaten trotz des scheinbaren Erfolges in der Schulfrage
unterlegen sei, weil sie einen Vertrag abgeschlossen habe, der sich auf die Dauer
doch nicht aufrecht erhalten lassen werde. Das japanische Inselreich drängt
eben unausgesetzt auf Erweiterung seines Besitzes, die eignen Grenzen sind ihm
im Laufe der Zeiten zu eng geworden, es muß mehr Absatz finden als bisher,
nicht uur für seine Waren und Produkte, sondern auch für den Überschuß
seiner arbeitenden Bewohner. Es ist ja bekannt, daß einer der Hauptgründe,
die zum Kriege zwischen Japan und Rußland geführt haben, in diesen zuversicht¬
lichen Zielen der aufstrebenden japanischen Nation zu suchen war. Das schwach
bevölkerte Korea sollte den Zuwachs des benachbarten Reiches aufnehmen,
japanische Kultur, Sitten, Bewirtschaftung und Gewerbe sollten hier ihre Aus¬
breitung finden und neue Absatzgebiete schaffen und so einen Boden vorbereiten,
auf dem das Reich der aufgehenden Sonne allmählich seine eigne Standarte
aufpflanzen konnte. Nußland, das aus diesen Absichten für seine eignen
Interessen im fernen Osten fürchtete, wollte das Vordringen und Festsetzen
Jungjapans in solchem Maße nicht gestatten und ließ es schließlich auf die
Entscheidung durch die Waffen ankommen. Mit welchem Erfolge, ist bekannt.
Nun hat zwar Japan, wenn auch noch nicht ganz formell, so doch in der Tat
von dem zu jedem Widerstande ohnmächtigen Korea so gut wie vollständigen
Besitz ergriffen, aber da hat sich nun jetzt ganz unerwarteterweise die Er¬
scheinung gezeigt, daß der japanische Arbeiter wenig Neigung hat, sich den un¬
wirtlichen und noch wenig wirtschaftlichen Verhältnissen, mich seinen Gewohn¬
heiten und Lebensbedürfnissen nicht entsprechenden Zuständen in den jüngst


Die militärpolitische Lage in den vereinigten Staaten von Nordamerika

die Arbeitskräfte der 40 000 Japaner, die sich im Laufe der Jahre eingefunden
hatten, waren der wahre Grund der Erbitterung geworden, weil sie für billiges
Geld ihre Dienste anboten und dadurch den einheimischen Kräften in der nach¬
teiligsten Weise Konkurrenz zu machen drohten. Die natürliche Folge dieser Um¬
stände war, daß sich die Innungen aller Berufe, die besonders in Kalifornien ein
solidarisches Ganzes bilden, immer enger zu gemeinsamem Vorgehn zusammen¬
schlossen. Dadurch gerieten die Arbeitgeber, die durch die Tradesunion den
Arbeitnehmern gegenüber schon so wie so sehr im Nachteil sind, noch mehr in
Bedrängnis, und es läßt sich gar nicht übersehen, welche Folgen für Handel
und Gewerbe bei dem fortgesetzten Widerstande der landsüssigen Arbeiter und
ihrer feindseligen Haltung gegen die zunehmende Einwanderung der Japaner
entstanden sein würden, wenn nicht gerade noch zu rechter Stunde der erwähnte
Vertrag zustande gekommen wäre, der die Tore Kaliforniens der gelben Nasse
so gut wie verschließt. Es fragt sich nur, ob sich Japan auf die Dauer an
den Wortlaut dieser Abmachung halten wird, ja auch nur halten kann, bei der
stetigen Zunahme seiner Bevölkerung und der Unmöglichkeit, sie im eignen
Lande unterzubringen und in ausreichendem Maße zu beschäftigen. Schon
jetzt machen sich nach dieser Richtung in der japanischen Presse ernste Bedenken
geltend, und der Regierung wird der Vorwurf gemacht, daß sie in der Differenz
mit den Vereinigten Staaten trotz des scheinbaren Erfolges in der Schulfrage
unterlegen sei, weil sie einen Vertrag abgeschlossen habe, der sich auf die Dauer
doch nicht aufrecht erhalten lassen werde. Das japanische Inselreich drängt
eben unausgesetzt auf Erweiterung seines Besitzes, die eignen Grenzen sind ihm
im Laufe der Zeiten zu eng geworden, es muß mehr Absatz finden als bisher,
nicht uur für seine Waren und Produkte, sondern auch für den Überschuß
seiner arbeitenden Bewohner. Es ist ja bekannt, daß einer der Hauptgründe,
die zum Kriege zwischen Japan und Rußland geführt haben, in diesen zuversicht¬
lichen Zielen der aufstrebenden japanischen Nation zu suchen war. Das schwach
bevölkerte Korea sollte den Zuwachs des benachbarten Reiches aufnehmen,
japanische Kultur, Sitten, Bewirtschaftung und Gewerbe sollten hier ihre Aus¬
breitung finden und neue Absatzgebiete schaffen und so einen Boden vorbereiten,
auf dem das Reich der aufgehenden Sonne allmählich seine eigne Standarte
aufpflanzen konnte. Nußland, das aus diesen Absichten für seine eignen
Interessen im fernen Osten fürchtete, wollte das Vordringen und Festsetzen
Jungjapans in solchem Maße nicht gestatten und ließ es schließlich auf die
Entscheidung durch die Waffen ankommen. Mit welchem Erfolge, ist bekannt.
Nun hat zwar Japan, wenn auch noch nicht ganz formell, so doch in der Tat
von dem zu jedem Widerstande ohnmächtigen Korea so gut wie vollständigen
Besitz ergriffen, aber da hat sich nun jetzt ganz unerwarteterweise die Er¬
scheinung gezeigt, daß der japanische Arbeiter wenig Neigung hat, sich den un¬
wirtlichen und noch wenig wirtschaftlichen Verhältnissen, mich seinen Gewohn¬
heiten und Lebensbedürfnissen nicht entsprechenden Zuständen in den jüngst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/610>, abgerufen am 30.06.2024.