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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Wären, wenn du nicht alte Sprachen, Geographie und Geschichte gelernt hättest;
wäre nicht durch Lernen und Umgang dein Nachdenken, dein Sinn für Natur-
beobachtung geweckt worden, du würdest die schöne Natur so stumpfsinnig anglotzen
wie der Ochs, oder um ein Wesen mit schärfern Augen zu nennen, in ihr gleich
dem Adler nichts sehen als die zum Fraß geeignete" Mitgeschöpfe. Jedoch beruht
auch diese Predigt der Innerlichkeit auf falsche" Voraussetzungen, so ist sie doch
keineswegs ungerechtfertigt und überflüssig. Thoreau hat Recht mit dem Vorwurf,
daß die heutige Welt dem Strom des Neue", der sich täglich über sie ergießt, un¬
glaublichen Stumpfsinn entgegensetzt. Eben weil der Strom des Neuen so reich
und so stark ist, rauscht er vorüber, ohne ins Innere aufgenommen zu werden.
Deshalb ist periodische Einsamkeit eine diätetische Notwendigkeit für die Seele.
Sollen Eindrücke wirken, geistige Nahrungsstoffe aufgenommen und verdaut werden,
so muß ihre Menge auf das Maß dessen beschränkt werden, was der einzelne auf-
zunehmen imstande ist, und das ist bei den meiste" sehr gering, weshalb besonders
in der Schule die Erfahrung täglich lehrt, daß weniger mehr sein würde. Kann
also einer dem tägliche" übermäßigen Stoffzufluß nicht anders wehre", so soll er
vor ihm von Zeit z" Zeit i" die Einsamkeit fliehen, um der geistigen Verdauung
obzuliegen und das inne zu werden, was er im Studium oder im tätige" Leben
in sich aufgenommen hat. Tut er das nicht, so hört er auf, ein lebendiger Mensch
zu sein,' er wird eine Arbeitsmaschine oder ein zweibeiniges Konversationslexikon.
Diese notwendige Wahrheit ist es, die von den Asketen den im Weltwirrwarr
Taumelnden kräftig gepredigt wird; wenn auch die Begründung meist falsch ist und
die Gefahr nahe liegt, daß Übertreibung die Wahrheit in Unwahrheit Verkehre, so
wird dadurch diese Predigt noch nicht überflüssig.

A"es an volkswirtschaftlichen Lehren, die Beachtung verdienen, sind das Leben
und die Bücher unsers wunderlichen Heiligen nicht arm. Er findet es absurd, daß
mau erst irgendein Geld abwerfendes Gewerbe treiben müsse, wen" man eine"
Schuhriemen haben wolle, den man sich doch mit kleiner Mühe selbst anfertigen
könne. Darauf, daß Arbeit und Bedürfnisbefriedigung immer weiter auseinander¬
rücken, beruht unsre hohe Kultur. Um Brot essen zu können, bauen wir nicht Korn,
sondern schreibe" Bücher, fertigen Rechnungen oder Dampfkessel oder Damenhüte an,
und und den, dafür gelösten Gelde kaufen wir Brot. Das ist gut so, denn ans
den zahllose" Zwischenstufen, die das Nahrungsmittel zu durchlaufen hat, ehe es i"
de" Besitz des Hungrigen kommt, und in den verschiednen Tätigkeiten, die geübt
werde", um das Geld für den Brokkens zu schaffen, wird alles das geleistet, was unsre
Kultur, was den Reichtum unsers inner" Lebens ausmacht. Aber ein Zustand, wo
gar kein Mensch mehr eines seiner Bedürfnisse unmittelbar durch eigne Arbeit be¬
friedigen könnte -- und dieseni Zustande nähert sich der heutige Industrie- und
Handelsstaat --, würde tatsächlich absurd und dabei sehr gefährlich sein. Sein Haus
im Walde samt Kamin hat Thoreau 28 Dollars gekostet. Waruni zahle ein Student
jährlich so viel und mehr für eine Mietwohnung, da er für dieses Geld ein Haus
auf Lebenszeit haben könne? In der Tat, nicht gerade der Student, aber der
kleine Handwerker, der Lohnarbeiter, der kleine Beamte, die könnten sich um ein
weniges eine Hütte bauen, wenn jedermann Geschick zu körperlichen Arbeiten hätte,
und wenn der Götze "standesgemäß" nicht wäre, der es selbst dem anständigen
Lohnarbeiter verbietet, in einem Blockhaus zu wohnen, statt in einer mit allem
Komfort der Neuzeit ausgestatteten Mietwohnung. Freilich würden bet uns außer¬
dem auch noch die Polizei und der Bodeupreis, ja der gänzliche Mangel an ver¬
fügbaren Boden unübersteigliche Hindernisse bereiten, und es entsteht die Frage,
ob wir den Kulturfortschritt, der so etwas bei uns seit mehr als hundert Jahren


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Wären, wenn du nicht alte Sprachen, Geographie und Geschichte gelernt hättest;
wäre nicht durch Lernen und Umgang dein Nachdenken, dein Sinn für Natur-
beobachtung geweckt worden, du würdest die schöne Natur so stumpfsinnig anglotzen
wie der Ochs, oder um ein Wesen mit schärfern Augen zu nennen, in ihr gleich
dem Adler nichts sehen als die zum Fraß geeignete» Mitgeschöpfe. Jedoch beruht
auch diese Predigt der Innerlichkeit auf falsche» Voraussetzungen, so ist sie doch
keineswegs ungerechtfertigt und überflüssig. Thoreau hat Recht mit dem Vorwurf,
daß die heutige Welt dem Strom des Neue», der sich täglich über sie ergießt, un¬
glaublichen Stumpfsinn entgegensetzt. Eben weil der Strom des Neuen so reich
und so stark ist, rauscht er vorüber, ohne ins Innere aufgenommen zu werden.
Deshalb ist periodische Einsamkeit eine diätetische Notwendigkeit für die Seele.
Sollen Eindrücke wirken, geistige Nahrungsstoffe aufgenommen und verdaut werden,
so muß ihre Menge auf das Maß dessen beschränkt werden, was der einzelne auf-
zunehmen imstande ist, und das ist bei den meiste» sehr gering, weshalb besonders
in der Schule die Erfahrung täglich lehrt, daß weniger mehr sein würde. Kann
also einer dem tägliche» übermäßigen Stoffzufluß nicht anders wehre», so soll er
vor ihm von Zeit z» Zeit i» die Einsamkeit fliehen, um der geistigen Verdauung
obzuliegen und das inne zu werden, was er im Studium oder im tätige» Leben
in sich aufgenommen hat. Tut er das nicht, so hört er auf, ein lebendiger Mensch
zu sein,' er wird eine Arbeitsmaschine oder ein zweibeiniges Konversationslexikon.
Diese notwendige Wahrheit ist es, die von den Asketen den im Weltwirrwarr
Taumelnden kräftig gepredigt wird; wenn auch die Begründung meist falsch ist und
die Gefahr nahe liegt, daß Übertreibung die Wahrheit in Unwahrheit Verkehre, so
wird dadurch diese Predigt noch nicht überflüssig.

A»es an volkswirtschaftlichen Lehren, die Beachtung verdienen, sind das Leben
und die Bücher unsers wunderlichen Heiligen nicht arm. Er findet es absurd, daß
mau erst irgendein Geld abwerfendes Gewerbe treiben müsse, wen» man eine»
Schuhriemen haben wolle, den man sich doch mit kleiner Mühe selbst anfertigen
könne. Darauf, daß Arbeit und Bedürfnisbefriedigung immer weiter auseinander¬
rücken, beruht unsre hohe Kultur. Um Brot essen zu können, bauen wir nicht Korn,
sondern schreibe» Bücher, fertigen Rechnungen oder Dampfkessel oder Damenhüte an,
und und den, dafür gelösten Gelde kaufen wir Brot. Das ist gut so, denn ans
den zahllose» Zwischenstufen, die das Nahrungsmittel zu durchlaufen hat, ehe es i»
de» Besitz des Hungrigen kommt, und in den verschiednen Tätigkeiten, die geübt
werde», um das Geld für den Brokkens zu schaffen, wird alles das geleistet, was unsre
Kultur, was den Reichtum unsers inner» Lebens ausmacht. Aber ein Zustand, wo
gar kein Mensch mehr eines seiner Bedürfnisse unmittelbar durch eigne Arbeit be¬
friedigen könnte — und dieseni Zustande nähert sich der heutige Industrie- und
Handelsstaat —, würde tatsächlich absurd und dabei sehr gefährlich sein. Sein Haus
im Walde samt Kamin hat Thoreau 28 Dollars gekostet. Waruni zahle ein Student
jährlich so viel und mehr für eine Mietwohnung, da er für dieses Geld ein Haus
auf Lebenszeit haben könne? In der Tat, nicht gerade der Student, aber der
kleine Handwerker, der Lohnarbeiter, der kleine Beamte, die könnten sich um ein
weniges eine Hütte bauen, wenn jedermann Geschick zu körperlichen Arbeiten hätte,
und wenn der Götze „standesgemäß" nicht wäre, der es selbst dem anständigen
Lohnarbeiter verbietet, in einem Blockhaus zu wohnen, statt in einer mit allem
Komfort der Neuzeit ausgestatteten Mietwohnung. Freilich würden bet uns außer¬
dem auch noch die Polizei und der Bodeupreis, ja der gänzliche Mangel an ver¬
fügbaren Boden unübersteigliche Hindernisse bereiten, und es entsteht die Frage,
ob wir den Kulturfortschritt, der so etwas bei uns seit mehr als hundert Jahren


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[0606] Maßgebliches und Unmaßgebliches Wären, wenn du nicht alte Sprachen, Geographie und Geschichte gelernt hättest; wäre nicht durch Lernen und Umgang dein Nachdenken, dein Sinn für Natur- beobachtung geweckt worden, du würdest die schöne Natur so stumpfsinnig anglotzen wie der Ochs, oder um ein Wesen mit schärfern Augen zu nennen, in ihr gleich dem Adler nichts sehen als die zum Fraß geeignete» Mitgeschöpfe. Jedoch beruht auch diese Predigt der Innerlichkeit auf falsche» Voraussetzungen, so ist sie doch keineswegs ungerechtfertigt und überflüssig. Thoreau hat Recht mit dem Vorwurf, daß die heutige Welt dem Strom des Neue», der sich täglich über sie ergießt, un¬ glaublichen Stumpfsinn entgegensetzt. Eben weil der Strom des Neuen so reich und so stark ist, rauscht er vorüber, ohne ins Innere aufgenommen zu werden. Deshalb ist periodische Einsamkeit eine diätetische Notwendigkeit für die Seele. Sollen Eindrücke wirken, geistige Nahrungsstoffe aufgenommen und verdaut werden, so muß ihre Menge auf das Maß dessen beschränkt werden, was der einzelne auf- zunehmen imstande ist, und das ist bei den meiste» sehr gering, weshalb besonders in der Schule die Erfahrung täglich lehrt, daß weniger mehr sein würde. Kann also einer dem tägliche» übermäßigen Stoffzufluß nicht anders wehre», so soll er vor ihm von Zeit z» Zeit i» die Einsamkeit fliehen, um der geistigen Verdauung obzuliegen und das inne zu werden, was er im Studium oder im tätige» Leben in sich aufgenommen hat. Tut er das nicht, so hört er auf, ein lebendiger Mensch zu sein,' er wird eine Arbeitsmaschine oder ein zweibeiniges Konversationslexikon. Diese notwendige Wahrheit ist es, die von den Asketen den im Weltwirrwarr Taumelnden kräftig gepredigt wird; wenn auch die Begründung meist falsch ist und die Gefahr nahe liegt, daß Übertreibung die Wahrheit in Unwahrheit Verkehre, so wird dadurch diese Predigt noch nicht überflüssig. A»es an volkswirtschaftlichen Lehren, die Beachtung verdienen, sind das Leben und die Bücher unsers wunderlichen Heiligen nicht arm. Er findet es absurd, daß mau erst irgendein Geld abwerfendes Gewerbe treiben müsse, wen» man eine» Schuhriemen haben wolle, den man sich doch mit kleiner Mühe selbst anfertigen könne. Darauf, daß Arbeit und Bedürfnisbefriedigung immer weiter auseinander¬ rücken, beruht unsre hohe Kultur. Um Brot essen zu können, bauen wir nicht Korn, sondern schreibe» Bücher, fertigen Rechnungen oder Dampfkessel oder Damenhüte an, und und den, dafür gelösten Gelde kaufen wir Brot. Das ist gut so, denn ans den zahllose» Zwischenstufen, die das Nahrungsmittel zu durchlaufen hat, ehe es i» de» Besitz des Hungrigen kommt, und in den verschiednen Tätigkeiten, die geübt werde», um das Geld für den Brokkens zu schaffen, wird alles das geleistet, was unsre Kultur, was den Reichtum unsers inner» Lebens ausmacht. Aber ein Zustand, wo gar kein Mensch mehr eines seiner Bedürfnisse unmittelbar durch eigne Arbeit be¬ friedigen könnte — und dieseni Zustande nähert sich der heutige Industrie- und Handelsstaat —, würde tatsächlich absurd und dabei sehr gefährlich sein. Sein Haus im Walde samt Kamin hat Thoreau 28 Dollars gekostet. Waruni zahle ein Student jährlich so viel und mehr für eine Mietwohnung, da er für dieses Geld ein Haus auf Lebenszeit haben könne? In der Tat, nicht gerade der Student, aber der kleine Handwerker, der Lohnarbeiter, der kleine Beamte, die könnten sich um ein weniges eine Hütte bauen, wenn jedermann Geschick zu körperlichen Arbeiten hätte, und wenn der Götze „standesgemäß" nicht wäre, der es selbst dem anständigen Lohnarbeiter verbietet, in einem Blockhaus zu wohnen, statt in einer mit allem Komfort der Neuzeit ausgestatteten Mietwohnung. Freilich würden bet uns außer¬ dem auch noch die Polizei und der Bodeupreis, ja der gänzliche Mangel an ver¬ fügbaren Boden unübersteigliche Hindernisse bereiten, und es entsteht die Frage, ob wir den Kulturfortschritt, der so etwas bei uns seit mehr als hundert Jahren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/606>, abgerufen am 30.06.2024.