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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Aufforderung zum Ramxf gegen die unechten Farben

sie, sobald es ohne Verlust möglich ist, bereit sind, einen echtem Farbstoff an
Stelle eines etwa früher gebrauchten weniger echten einzuführen. Aber wie
gesagt: "Billig, billig!" ist das Feldgeschrei: wer es einen Pfennig billiger tut,
macht das Geschäft, und da ist es natürlich, daß der Färber nicht nur die
einfachsten Verfahren sondern auch die billigsten Farben anwendet, deren er
habhaft werden kann.

Der Fabrikant drückt die Färbepreise, der Verkäufer die Fabrikations-
preise, das Publikum die Verkaufspreise, und alle schreien: "Billig, billig!"
Und die Geschäftsleute, denen der Verdienst die Hauptsache ist, verkaufen lieber
eine unechte Ware mit mehr Vorteil als eine echtere mit weniger -- jedoch
sie können das nur tun, solange das kaufende Publikum den Fragen der
Echtheit gleichgiltig oder unwissend gegenübersteht oder sich mit allgemeinen
Versicherungen über die Echtheit zufrieden gibt.

Also zunächst ist es das Publikum, das Billig, billig! schreit und sich
alles aufbinden läßt, wenn es nnr recht "preiswert" erscheint. Und zwar tragen
die Frauen die Hauptschuld daran, denn die weitaus überwiegende Menge
von gefärbten Textilmaterialien wird von ihnen eingekauft. Zu ihrem Trost
kann man aber hinzufügen, daß es die Männer um kein Haar besser machen
würden, denn erstens können die Männer in der Regel überhaupt nur sehr
schlecht im Laden einkaufen, zweitens gefüllt ihnen anch zumeist das Billigste
am besten.

Zuerst nun möchte ich die Zweifler, die mir noch nicht glauben wollen,
daß das Publikum selbst schuld ist, an der Hand von ein paar Beispielen zu
bekehren versuchen.

Einer der schlagendsten Beweise, daß sich das Publikum immer mehr mit
Geringen zufrieden gibt, ist der Verbrauch an türkischrot gefärbter Baum¬
wolle. Für Zwecke, für die früher nichts andres gebraucht wurde als Türkischrot
(z. V. Matratzentuche, Kissentuche, bunte Tischtücher usw.), werden jetzt auch von
guten Familien Fürbungen gekauft, die so licht-, wasch- und lustunecht sind,
daß man sie früher nur den Wilden in Asien und Südamerika aufhängen konnte.
Statt in demselben Maß wie die Gesamtmenge des Verbrauchs an Baum¬
wolle zu steigen, ist der Verbrauch an türkischrot gefärbter Baumwolle stehn
geblieben. Und doch gibt es kein Not, das es auch nur annähernd mit dem
echten Türkischrot aufnehmen kann, weder an Schönheit noch an Beständig¬
keit. Die billigern Ersatzfarben sind weit entfernt von der Schönheit des
echten alten Roth, und schon deshalb sollte das Publikum daraus bestehn,
dieses zu kaufen und nicht billigere, ühnliche, aber mehr oder weniger klägliche
Nachahmungen.

Ein andres Beispiel: das schöne alte Blauholzschwarz auf Wollstoffen
mit seiner leuchtenden Übersicht, seinem weichen Griff und seiner für Kleider¬
stoffe vollauf genügenden Echtheit ist im Rückgang begriffen. Es erfordert
viel Zeit, Sorgfalt und Arbeit in der Herstellung, und deshalb werden mehr


Aufforderung zum Ramxf gegen die unechten Farben

sie, sobald es ohne Verlust möglich ist, bereit sind, einen echtem Farbstoff an
Stelle eines etwa früher gebrauchten weniger echten einzuführen. Aber wie
gesagt: „Billig, billig!" ist das Feldgeschrei: wer es einen Pfennig billiger tut,
macht das Geschäft, und da ist es natürlich, daß der Färber nicht nur die
einfachsten Verfahren sondern auch die billigsten Farben anwendet, deren er
habhaft werden kann.

Der Fabrikant drückt die Färbepreise, der Verkäufer die Fabrikations-
preise, das Publikum die Verkaufspreise, und alle schreien: „Billig, billig!"
Und die Geschäftsleute, denen der Verdienst die Hauptsache ist, verkaufen lieber
eine unechte Ware mit mehr Vorteil als eine echtere mit weniger — jedoch
sie können das nur tun, solange das kaufende Publikum den Fragen der
Echtheit gleichgiltig oder unwissend gegenübersteht oder sich mit allgemeinen
Versicherungen über die Echtheit zufrieden gibt.

Also zunächst ist es das Publikum, das Billig, billig! schreit und sich
alles aufbinden läßt, wenn es nnr recht „preiswert" erscheint. Und zwar tragen
die Frauen die Hauptschuld daran, denn die weitaus überwiegende Menge
von gefärbten Textilmaterialien wird von ihnen eingekauft. Zu ihrem Trost
kann man aber hinzufügen, daß es die Männer um kein Haar besser machen
würden, denn erstens können die Männer in der Regel überhaupt nur sehr
schlecht im Laden einkaufen, zweitens gefüllt ihnen anch zumeist das Billigste
am besten.

Zuerst nun möchte ich die Zweifler, die mir noch nicht glauben wollen,
daß das Publikum selbst schuld ist, an der Hand von ein paar Beispielen zu
bekehren versuchen.

Einer der schlagendsten Beweise, daß sich das Publikum immer mehr mit
Geringen zufrieden gibt, ist der Verbrauch an türkischrot gefärbter Baum¬
wolle. Für Zwecke, für die früher nichts andres gebraucht wurde als Türkischrot
(z. V. Matratzentuche, Kissentuche, bunte Tischtücher usw.), werden jetzt auch von
guten Familien Fürbungen gekauft, die so licht-, wasch- und lustunecht sind,
daß man sie früher nur den Wilden in Asien und Südamerika aufhängen konnte.
Statt in demselben Maß wie die Gesamtmenge des Verbrauchs an Baum¬
wolle zu steigen, ist der Verbrauch an türkischrot gefärbter Baumwolle stehn
geblieben. Und doch gibt es kein Not, das es auch nur annähernd mit dem
echten Türkischrot aufnehmen kann, weder an Schönheit noch an Beständig¬
keit. Die billigern Ersatzfarben sind weit entfernt von der Schönheit des
echten alten Roth, und schon deshalb sollte das Publikum daraus bestehn,
dieses zu kaufen und nicht billigere, ühnliche, aber mehr oder weniger klägliche
Nachahmungen.

Ein andres Beispiel: das schöne alte Blauholzschwarz auf Wollstoffen
mit seiner leuchtenden Übersicht, seinem weichen Griff und seiner für Kleider¬
stoffe vollauf genügenden Echtheit ist im Rückgang begriffen. Es erfordert
viel Zeit, Sorgfalt und Arbeit in der Herstellung, und deshalb werden mehr


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[0535] Aufforderung zum Ramxf gegen die unechten Farben sie, sobald es ohne Verlust möglich ist, bereit sind, einen echtem Farbstoff an Stelle eines etwa früher gebrauchten weniger echten einzuführen. Aber wie gesagt: „Billig, billig!" ist das Feldgeschrei: wer es einen Pfennig billiger tut, macht das Geschäft, und da ist es natürlich, daß der Färber nicht nur die einfachsten Verfahren sondern auch die billigsten Farben anwendet, deren er habhaft werden kann. Der Fabrikant drückt die Färbepreise, der Verkäufer die Fabrikations- preise, das Publikum die Verkaufspreise, und alle schreien: „Billig, billig!" Und die Geschäftsleute, denen der Verdienst die Hauptsache ist, verkaufen lieber eine unechte Ware mit mehr Vorteil als eine echtere mit weniger — jedoch sie können das nur tun, solange das kaufende Publikum den Fragen der Echtheit gleichgiltig oder unwissend gegenübersteht oder sich mit allgemeinen Versicherungen über die Echtheit zufrieden gibt. Also zunächst ist es das Publikum, das Billig, billig! schreit und sich alles aufbinden läßt, wenn es nnr recht „preiswert" erscheint. Und zwar tragen die Frauen die Hauptschuld daran, denn die weitaus überwiegende Menge von gefärbten Textilmaterialien wird von ihnen eingekauft. Zu ihrem Trost kann man aber hinzufügen, daß es die Männer um kein Haar besser machen würden, denn erstens können die Männer in der Regel überhaupt nur sehr schlecht im Laden einkaufen, zweitens gefüllt ihnen anch zumeist das Billigste am besten. Zuerst nun möchte ich die Zweifler, die mir noch nicht glauben wollen, daß das Publikum selbst schuld ist, an der Hand von ein paar Beispielen zu bekehren versuchen. Einer der schlagendsten Beweise, daß sich das Publikum immer mehr mit Geringen zufrieden gibt, ist der Verbrauch an türkischrot gefärbter Baum¬ wolle. Für Zwecke, für die früher nichts andres gebraucht wurde als Türkischrot (z. V. Matratzentuche, Kissentuche, bunte Tischtücher usw.), werden jetzt auch von guten Familien Fürbungen gekauft, die so licht-, wasch- und lustunecht sind, daß man sie früher nur den Wilden in Asien und Südamerika aufhängen konnte. Statt in demselben Maß wie die Gesamtmenge des Verbrauchs an Baum¬ wolle zu steigen, ist der Verbrauch an türkischrot gefärbter Baumwolle stehn geblieben. Und doch gibt es kein Not, das es auch nur annähernd mit dem echten Türkischrot aufnehmen kann, weder an Schönheit noch an Beständig¬ keit. Die billigern Ersatzfarben sind weit entfernt von der Schönheit des echten alten Roth, und schon deshalb sollte das Publikum daraus bestehn, dieses zu kaufen und nicht billigere, ühnliche, aber mehr oder weniger klägliche Nachahmungen. Ein andres Beispiel: das schöne alte Blauholzschwarz auf Wollstoffen mit seiner leuchtenden Übersicht, seinem weichen Griff und seiner für Kleider¬ stoffe vollauf genügenden Echtheit ist im Rückgang begriffen. Es erfordert viel Zeit, Sorgfalt und Arbeit in der Herstellung, und deshalb werden mehr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/535>, abgerufen am 04.07.2024.