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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Ausfc>rderung zum Amnpf gegen die unechten Farben

kunde, manche echte Binsen- und Hemdenstoffe, teils gedruckte, teils gefärbte,
auch viele Kleiderstoffe, besonders wenn wir in der Wahl der Farben vor¬
sichtig sind. Es gibt auch Fülle, wo hervorragende Licht- und Waschechtheit
nicht verlangt werden, so zum Beispiel bei Futterstoffen, bei Ball- und Ge¬
sellschaftskleidern, die wohl kaum dem Sonnenlicht ausgesetzt werden; und doch
sind auch hier gewisse Echtheitseigenschaften nötig und wünschenswert, von
denen weiter unten gesprochen werden soll. Im großen und ganzen jedoch,
wenn wir uns Möbel, Kleider oder sonstige Stoffe kaufen, sind wir sicher,
daß sie echt sind? Nein!

Der Verkäufer im Laden wird uns sagen, die Sachen seien so echt, wie
sie nur gemacht werden könnten -- doch was weiß er davon? Meist so wenig
wie das Publikum selber. Es würde aber bald anders werden, wenn wir den
Kampf aufnahmen! -- Der Fabrikant, der Färber, die Farbenfabriken, wissen die
davon? Die meisten Leser werden sagen: Ja, sie wissen ganz genau, wie echt
oder unecht ihre Farben sind, und es ist eine Schande, daß sie uns so minder¬
wertiges Zeug liefern! So sprachen auch die neuen Bekannten des Chemikers,
von dem ich vorhin erzählt habe.

Was tun die Farbenfabriken? Sie sind jahraus jahrein bestrebt, die
schönsten, echtesten und billigsten Farben auf den Markt zu bringen. Wenn
man sieht, wie jetzt immer mehr und mehr Farbstoffe fast in allen Farben zu
haben sind, die den Indigo an Echtheit um ein Vielfaches übertreffen, wenn
man weiß, daß schon seit Jahren eine ganze Reihe von Farbstoffen im Handel
ist, die die Naturfarbstoffe (und die sind es, zu denen uns die Anklüger zurück¬
kehren sehen möchten) nicht nur an Mannigfaltigkeit, sondern auch an Echtheit
übertreffen, so muß man ohne Rückhalt zugeben, daß es nicht die Schuld
der Farbenfabriken ist, wenn wir keine echten Sachen mehr bekommen können.
Die Farbenfabriken gehn ja noch viel weiter, sie haben dem Fürber eine große
Anzahl von neuen Verfahren in die Hand gegeben, sie haben Farbstoffe, die
früher fast unerschwinglich teuer waren, so billig herzustellen gelernt, daß sie
auch für billige Waren angewandt werden können, sie haben dem Färber durch
technische Reisende, durch Prospekte und Musterkarteu, ja durch große und
kostbare Werke in Buchform, die als zuverlässige Ratgeber benützt werden können,
seine Arbeit erleichtert und vereinfacht.

Wie kommt es nun, daß sich der Fürber nicht diese schönen und echten
Farbstoffe zum alleinigen Gebrauch aussucht und alles andre, das Unechte,
ja auch das Zweifelhafte, Ungeprüfte streng ausscheidet? Das kommt davon,
daß "Billig, billig!" die alleinige Losung geworden ist. Das Publikum wühlt
das Billige. Deshalb bietet ihm der Fabrikant das Billige an, der Färber
schreit nach billigen Farben, und auch diesen Wunsch muß ihm der Farben¬
fabrikant nach Möglichkeit erfüllen, sonst geht er im Wettbewerb unter.

Aus eigner Erfahrung kann ich sagen, daß die Färber im allgemeinen
immer die echtesten Farben anwenden, die der Fürbepreis erlaubt, und daß


Ausfc>rderung zum Amnpf gegen die unechten Farben

kunde, manche echte Binsen- und Hemdenstoffe, teils gedruckte, teils gefärbte,
auch viele Kleiderstoffe, besonders wenn wir in der Wahl der Farben vor¬
sichtig sind. Es gibt auch Fülle, wo hervorragende Licht- und Waschechtheit
nicht verlangt werden, so zum Beispiel bei Futterstoffen, bei Ball- und Ge¬
sellschaftskleidern, die wohl kaum dem Sonnenlicht ausgesetzt werden; und doch
sind auch hier gewisse Echtheitseigenschaften nötig und wünschenswert, von
denen weiter unten gesprochen werden soll. Im großen und ganzen jedoch,
wenn wir uns Möbel, Kleider oder sonstige Stoffe kaufen, sind wir sicher,
daß sie echt sind? Nein!

Der Verkäufer im Laden wird uns sagen, die Sachen seien so echt, wie
sie nur gemacht werden könnten — doch was weiß er davon? Meist so wenig
wie das Publikum selber. Es würde aber bald anders werden, wenn wir den
Kampf aufnahmen! — Der Fabrikant, der Färber, die Farbenfabriken, wissen die
davon? Die meisten Leser werden sagen: Ja, sie wissen ganz genau, wie echt
oder unecht ihre Farben sind, und es ist eine Schande, daß sie uns so minder¬
wertiges Zeug liefern! So sprachen auch die neuen Bekannten des Chemikers,
von dem ich vorhin erzählt habe.

Was tun die Farbenfabriken? Sie sind jahraus jahrein bestrebt, die
schönsten, echtesten und billigsten Farben auf den Markt zu bringen. Wenn
man sieht, wie jetzt immer mehr und mehr Farbstoffe fast in allen Farben zu
haben sind, die den Indigo an Echtheit um ein Vielfaches übertreffen, wenn
man weiß, daß schon seit Jahren eine ganze Reihe von Farbstoffen im Handel
ist, die die Naturfarbstoffe (und die sind es, zu denen uns die Anklüger zurück¬
kehren sehen möchten) nicht nur an Mannigfaltigkeit, sondern auch an Echtheit
übertreffen, so muß man ohne Rückhalt zugeben, daß es nicht die Schuld
der Farbenfabriken ist, wenn wir keine echten Sachen mehr bekommen können.
Die Farbenfabriken gehn ja noch viel weiter, sie haben dem Fürber eine große
Anzahl von neuen Verfahren in die Hand gegeben, sie haben Farbstoffe, die
früher fast unerschwinglich teuer waren, so billig herzustellen gelernt, daß sie
auch für billige Waren angewandt werden können, sie haben dem Färber durch
technische Reisende, durch Prospekte und Musterkarteu, ja durch große und
kostbare Werke in Buchform, die als zuverlässige Ratgeber benützt werden können,
seine Arbeit erleichtert und vereinfacht.

Wie kommt es nun, daß sich der Fürber nicht diese schönen und echten
Farbstoffe zum alleinigen Gebrauch aussucht und alles andre, das Unechte,
ja auch das Zweifelhafte, Ungeprüfte streng ausscheidet? Das kommt davon,
daß „Billig, billig!" die alleinige Losung geworden ist. Das Publikum wühlt
das Billige. Deshalb bietet ihm der Fabrikant das Billige an, der Färber
schreit nach billigen Farben, und auch diesen Wunsch muß ihm der Farben¬
fabrikant nach Möglichkeit erfüllen, sonst geht er im Wettbewerb unter.

Aus eigner Erfahrung kann ich sagen, daß die Färber im allgemeinen
immer die echtesten Farben anwenden, die der Fürbepreis erlaubt, und daß


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[0534] Ausfc>rderung zum Amnpf gegen die unechten Farben kunde, manche echte Binsen- und Hemdenstoffe, teils gedruckte, teils gefärbte, auch viele Kleiderstoffe, besonders wenn wir in der Wahl der Farben vor¬ sichtig sind. Es gibt auch Fülle, wo hervorragende Licht- und Waschechtheit nicht verlangt werden, so zum Beispiel bei Futterstoffen, bei Ball- und Ge¬ sellschaftskleidern, die wohl kaum dem Sonnenlicht ausgesetzt werden; und doch sind auch hier gewisse Echtheitseigenschaften nötig und wünschenswert, von denen weiter unten gesprochen werden soll. Im großen und ganzen jedoch, wenn wir uns Möbel, Kleider oder sonstige Stoffe kaufen, sind wir sicher, daß sie echt sind? Nein! Der Verkäufer im Laden wird uns sagen, die Sachen seien so echt, wie sie nur gemacht werden könnten — doch was weiß er davon? Meist so wenig wie das Publikum selber. Es würde aber bald anders werden, wenn wir den Kampf aufnahmen! — Der Fabrikant, der Färber, die Farbenfabriken, wissen die davon? Die meisten Leser werden sagen: Ja, sie wissen ganz genau, wie echt oder unecht ihre Farben sind, und es ist eine Schande, daß sie uns so minder¬ wertiges Zeug liefern! So sprachen auch die neuen Bekannten des Chemikers, von dem ich vorhin erzählt habe. Was tun die Farbenfabriken? Sie sind jahraus jahrein bestrebt, die schönsten, echtesten und billigsten Farben auf den Markt zu bringen. Wenn man sieht, wie jetzt immer mehr und mehr Farbstoffe fast in allen Farben zu haben sind, die den Indigo an Echtheit um ein Vielfaches übertreffen, wenn man weiß, daß schon seit Jahren eine ganze Reihe von Farbstoffen im Handel ist, die die Naturfarbstoffe (und die sind es, zu denen uns die Anklüger zurück¬ kehren sehen möchten) nicht nur an Mannigfaltigkeit, sondern auch an Echtheit übertreffen, so muß man ohne Rückhalt zugeben, daß es nicht die Schuld der Farbenfabriken ist, wenn wir keine echten Sachen mehr bekommen können. Die Farbenfabriken gehn ja noch viel weiter, sie haben dem Fürber eine große Anzahl von neuen Verfahren in die Hand gegeben, sie haben Farbstoffe, die früher fast unerschwinglich teuer waren, so billig herzustellen gelernt, daß sie auch für billige Waren angewandt werden können, sie haben dem Färber durch technische Reisende, durch Prospekte und Musterkarteu, ja durch große und kostbare Werke in Buchform, die als zuverlässige Ratgeber benützt werden können, seine Arbeit erleichtert und vereinfacht. Wie kommt es nun, daß sich der Fürber nicht diese schönen und echten Farbstoffe zum alleinigen Gebrauch aussucht und alles andre, das Unechte, ja auch das Zweifelhafte, Ungeprüfte streng ausscheidet? Das kommt davon, daß „Billig, billig!" die alleinige Losung geworden ist. Das Publikum wühlt das Billige. Deshalb bietet ihm der Fabrikant das Billige an, der Färber schreit nach billigen Farben, und auch diesen Wunsch muß ihm der Farben¬ fabrikant nach Möglichkeit erfüllen, sonst geht er im Wettbewerb unter. Aus eigner Erfahrung kann ich sagen, daß die Färber im allgemeinen immer die echtesten Farben anwenden, die der Fürbepreis erlaubt, und daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/534>, abgerufen am 04.07.2024.