Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Ueitelbeck und x>in^k>oll

beschlossen, denselben von den Kommandantengeschüften zu dispensieren"; er
erkannte die Verdienste des Obersten von Lncadou an, indem er ihm den
Charakter als Generalmajor und anfangs sein volles Einkommen, später die
gesetzliche Pension verlieh. Gneisenau ersparte durch sein vornehmes Benehmen
seinem Vorgänger jedes unangenehme Gefühl, sodaß Lucadou bei Übergabe der
Geschäfte noch mehrere Tage mit ihm in demselben Hause wohnte. Der alte
Kommandant blieb pflichttreu uoch Mährend der ganzen Belagerung in der
Festung, obgleich die Hafenausfahrt bis zum Schluß völlig frei war, und viele
Bürger die Stadt verließen. Es ist auch dies als ein Beweis dafür anzusehen,
daß Lucadous Stellung in Kolberg nicht so in Mißkredit war, wie dies nach
der Nettelbeckschen Darstellung vielfach angenommen wird.

Am 29. April kam der Major Neidhart von Gneisenau von Memel über
Danzig nach Kolberg und übernahm nach Order des Königs das Kommando
der Festung. Seine tüchtige Haltung in und nach den Schlachten bei Saal¬
feld und bei Jena, eine militärische Denkschrift und vor allein die Empfehlungen
des Kabinettrats Beyme und des Generals von Rüchel mögen den König auf
seine Person aufmerksam gemacht haben; aber was den König anlangt, so ist
auch diese Ernennung eines neuen Kommandanten ein Beweis dafür, daß im
Unglück die Willenskraft und das Urteil des Monarchen wuchsen: er hatte
den rechten Mann an die rechte Stelle gesetzt, der Krieger und Bürger gleich¬
mäßig zu begeistern verstand. Das Wort des Dichters wurde in der Festung
wahr:

Pertz, der Geschichtschreiber Gneisenaus, nennt mit Recht die Verteidigung
Kolbergs die erste entscheidende Tatsache in der neuen Wissenschaft des Festungs¬
krieges, und Gneisenaus Name gehört seit dem 2. Juli 1807 dem ganzen
deutschen Volke. Wie der französische General Loison, der ebensowenig wie
der gefürchtete Marschall Mortier den Titel eines Herzogs von Kolberg zu
erwerben vermochte, am 2. Juli 1807 nach dem Waffenstillstand in den zer¬
schossenen Wällen von Kolberg vor dem preußischen Major in Bewunderung
und Hochachtung den Hut zog, so schlägt jedes Preußen und jedes Deutschen
Herz noch heute in freudigem Stolz schneller bei den Worten: "Kolberg 1807!"




Grcuzbole" I I"N7
Ueitelbeck und x>in^k>oll

beschlossen, denselben von den Kommandantengeschüften zu dispensieren"; er
erkannte die Verdienste des Obersten von Lncadou an, indem er ihm den
Charakter als Generalmajor und anfangs sein volles Einkommen, später die
gesetzliche Pension verlieh. Gneisenau ersparte durch sein vornehmes Benehmen
seinem Vorgänger jedes unangenehme Gefühl, sodaß Lucadou bei Übergabe der
Geschäfte noch mehrere Tage mit ihm in demselben Hause wohnte. Der alte
Kommandant blieb pflichttreu uoch Mährend der ganzen Belagerung in der
Festung, obgleich die Hafenausfahrt bis zum Schluß völlig frei war, und viele
Bürger die Stadt verließen. Es ist auch dies als ein Beweis dafür anzusehen,
daß Lucadous Stellung in Kolberg nicht so in Mißkredit war, wie dies nach
der Nettelbeckschen Darstellung vielfach angenommen wird.

Am 29. April kam der Major Neidhart von Gneisenau von Memel über
Danzig nach Kolberg und übernahm nach Order des Königs das Kommando
der Festung. Seine tüchtige Haltung in und nach den Schlachten bei Saal¬
feld und bei Jena, eine militärische Denkschrift und vor allein die Empfehlungen
des Kabinettrats Beyme und des Generals von Rüchel mögen den König auf
seine Person aufmerksam gemacht haben; aber was den König anlangt, so ist
auch diese Ernennung eines neuen Kommandanten ein Beweis dafür, daß im
Unglück die Willenskraft und das Urteil des Monarchen wuchsen: er hatte
den rechten Mann an die rechte Stelle gesetzt, der Krieger und Bürger gleich¬
mäßig zu begeistern verstand. Das Wort des Dichters wurde in der Festung
wahr:

Pertz, der Geschichtschreiber Gneisenaus, nennt mit Recht die Verteidigung
Kolbergs die erste entscheidende Tatsache in der neuen Wissenschaft des Festungs¬
krieges, und Gneisenaus Name gehört seit dem 2. Juli 1807 dem ganzen
deutschen Volke. Wie der französische General Loison, der ebensowenig wie
der gefürchtete Marschall Mortier den Titel eines Herzogs von Kolberg zu
erwerben vermochte, am 2. Juli 1807 nach dem Waffenstillstand in den zer¬
schossenen Wällen von Kolberg vor dem preußischen Major in Bewunderung
und Hochachtung den Hut zog, so schlägt jedes Preußen und jedes Deutschen
Herz noch heute in freudigem Stolz schneller bei den Worten: „Kolberg 1807!"




Grcuzbole» I I»N7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0521" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301775"/>
          <fw type="header" place="top"> Ueitelbeck und x&gt;in^k&gt;oll</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1934" prev="#ID_1933"> beschlossen, denselben von den Kommandantengeschüften zu dispensieren"; er<lb/>
erkannte die Verdienste des Obersten von Lncadou an, indem er ihm den<lb/>
Charakter als Generalmajor und anfangs sein volles Einkommen, später die<lb/>
gesetzliche Pension verlieh. Gneisenau ersparte durch sein vornehmes Benehmen<lb/>
seinem Vorgänger jedes unangenehme Gefühl, sodaß Lucadou bei Übergabe der<lb/>
Geschäfte noch mehrere Tage mit ihm in demselben Hause wohnte. Der alte<lb/>
Kommandant blieb pflichttreu uoch Mährend der ganzen Belagerung in der<lb/>
Festung, obgleich die Hafenausfahrt bis zum Schluß völlig frei war, und viele<lb/>
Bürger die Stadt verließen. Es ist auch dies als ein Beweis dafür anzusehen,<lb/>
daß Lucadous Stellung in Kolberg nicht so in Mißkredit war, wie dies nach<lb/>
der Nettelbeckschen Darstellung vielfach angenommen wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1935"> Am 29. April kam der Major Neidhart von Gneisenau von Memel über<lb/>
Danzig nach Kolberg und übernahm nach Order des Königs das Kommando<lb/>
der Festung. Seine tüchtige Haltung in und nach den Schlachten bei Saal¬<lb/>
feld und bei Jena, eine militärische Denkschrift und vor allein die Empfehlungen<lb/>
des Kabinettrats Beyme und des Generals von Rüchel mögen den König auf<lb/>
seine Person aufmerksam gemacht haben; aber was den König anlangt, so ist<lb/>
auch diese Ernennung eines neuen Kommandanten ein Beweis dafür, daß im<lb/>
Unglück die Willenskraft und das Urteil des Monarchen wuchsen: er hatte<lb/>
den rechten Mann an die rechte Stelle gesetzt, der Krieger und Bürger gleich¬<lb/>
mäßig zu begeistern verstand. Das Wort des Dichters wurde in der Festung<lb/>
wahr:</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_20" type="poem">
            <l/>
          </lg><lb/>
          <p xml:id="ID_1936"> Pertz, der Geschichtschreiber Gneisenaus, nennt mit Recht die Verteidigung<lb/>
Kolbergs die erste entscheidende Tatsache in der neuen Wissenschaft des Festungs¬<lb/>
krieges, und Gneisenaus Name gehört seit dem 2. Juli 1807 dem ganzen<lb/>
deutschen Volke. Wie der französische General Loison, der ebensowenig wie<lb/>
der gefürchtete Marschall Mortier den Titel eines Herzogs von Kolberg zu<lb/>
erwerben vermochte, am 2. Juli 1807 nach dem Waffenstillstand in den zer¬<lb/>
schossenen Wällen von Kolberg vor dem preußischen Major in Bewunderung<lb/>
und Hochachtung den Hut zog, so schlägt jedes Preußen und jedes Deutschen<lb/>
Herz noch heute in freudigem Stolz schneller bei den Worten: &#x201E;Kolberg 1807!"</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grcuzbole» I I»N7</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0521] Ueitelbeck und x>in^k>oll beschlossen, denselben von den Kommandantengeschüften zu dispensieren"; er erkannte die Verdienste des Obersten von Lncadou an, indem er ihm den Charakter als Generalmajor und anfangs sein volles Einkommen, später die gesetzliche Pension verlieh. Gneisenau ersparte durch sein vornehmes Benehmen seinem Vorgänger jedes unangenehme Gefühl, sodaß Lucadou bei Übergabe der Geschäfte noch mehrere Tage mit ihm in demselben Hause wohnte. Der alte Kommandant blieb pflichttreu uoch Mährend der ganzen Belagerung in der Festung, obgleich die Hafenausfahrt bis zum Schluß völlig frei war, und viele Bürger die Stadt verließen. Es ist auch dies als ein Beweis dafür anzusehen, daß Lucadous Stellung in Kolberg nicht so in Mißkredit war, wie dies nach der Nettelbeckschen Darstellung vielfach angenommen wird. Am 29. April kam der Major Neidhart von Gneisenau von Memel über Danzig nach Kolberg und übernahm nach Order des Königs das Kommando der Festung. Seine tüchtige Haltung in und nach den Schlachten bei Saal¬ feld und bei Jena, eine militärische Denkschrift und vor allein die Empfehlungen des Kabinettrats Beyme und des Generals von Rüchel mögen den König auf seine Person aufmerksam gemacht haben; aber was den König anlangt, so ist auch diese Ernennung eines neuen Kommandanten ein Beweis dafür, daß im Unglück die Willenskraft und das Urteil des Monarchen wuchsen: er hatte den rechten Mann an die rechte Stelle gesetzt, der Krieger und Bürger gleich¬ mäßig zu begeistern verstand. Das Wort des Dichters wurde in der Festung wahr: Pertz, der Geschichtschreiber Gneisenaus, nennt mit Recht die Verteidigung Kolbergs die erste entscheidende Tatsache in der neuen Wissenschaft des Festungs¬ krieges, und Gneisenaus Name gehört seit dem 2. Juli 1807 dem ganzen deutschen Volke. Wie der französische General Loison, der ebensowenig wie der gefürchtete Marschall Mortier den Titel eines Herzogs von Kolberg zu erwerben vermochte, am 2. Juli 1807 nach dem Waffenstillstand in den zer¬ schossenen Wällen von Kolberg vor dem preußischen Major in Bewunderung und Hochachtung den Hut zog, so schlägt jedes Preußen und jedes Deutschen Herz noch heute in freudigem Stolz schneller bei den Worten: „Kolberg 1807!" Grcuzbole» I I»N7

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/521
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/521>, abgerufen am 24.07.2024.