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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die militärischen Machtmittel der Japaner

Fragt man um, welche dieser vielen Reformen schon durchgeführt oder in
Angriff genommen oder auch nur von der Volksvertretung bewilligt worden
sind, so ist vorauszuschicken, daß die beabsichtigten Nenformationen an Reiterei
und reitender Artillerie vorläufig aufgegeben sein sollen. Es fehlt dazu um dein
notwendigen und hinreichend geeigneten Pferdematerial -- ein Mangel, an dem
Japan bekanntlich schon lange leidet. Erst wenn die Tätigkeit des im vorigen
Jahre mit bedeutenden Kosten ins Leben gerufnen Pferdeverwaltungsdepartements,
an dessen Spitze General Baron some steht, zu greifbare": Resultaten geführt
haben wird, soll der Verwendung der Kavallerie und der Aufstellung reitender
Batterien -- das im Kriege bei der zweiten Armee (General Otu) provisorisch auf¬
gestellte reitende Artillerieregimcnt ist inzwischen wieder aufgelöst worden -- näher
getreten werden. Vermutlich wird wohl auch die Rückkehr der nach Europa ent¬
sandten Pferdekaufskommission abgewartet werden, die bis jetzt in Frankreich
für 290000 Franes Pferde gekauft hat, sich gegenwärtig in England aufhält
und später auch noch Deutschland und Österreich besuchen will.

Was die Herstellung neuen Artilleriematerials anlangt, so bestellte Japan
bei Krupp zweitausend Stahlblöcke nach "abgeblasenem Bessemerverfahren",
von denen bis zum Frühjahr 1906 fünfhundert Stück abgenommen worden
waren; sie werden in Osaka wieder erhitzt und gebohrt. Die neuen Geschütze
erhalten weder Schutzschilde noch Rohrrücklaufbremsen, dafür an der Lafette einen
federnden Sporn sowie eine Stahldrahtbremse in einem Führungszylinder. Als
Geschoß ist ein neues Schrapnell mit Zeitzünder bis 7500 Meter vorgesehen.
In organisatorischer Hinsicht bei der Artillerie ist die Neugliederung der Feld-
und Gebirgsartillerie schon in der Art durchgeführt worden, daß von jetzt ab
sämtliche Feldartillerieregimenter nur mit Feldgeschützen ausgerüstet sind. Es
wurden danach bei der 5., 9., 10. und 11. Division, die bisher bei allen sechs
Batterien nur Gebirgsgeschütze hatten, und bei der 7. Division, bei der zwei
Batterien mit Gebirgsgeschützen ausgerüstet waren, diese Geschütze abgeschafft.
Die übrigen Divisionen hatten überhaupt nur Feldgeschütze, auch die zuletzt
formierten Divisionen 14 bis 16. Da aber Gebirgsgeschütze für die Armee
notwendig sind, ist bestimmt worden, im Kriegsfalle je nach der Notwendigkeit
selbständige Gebirgsbatterien zu formieren und diese auf die Divisionen zu
verteilen.

Da hier von Bewaffnungsfragen die Rede ist, mag hinsichtlich der In¬
fanterie angeführt werden, daß sie mit dem 6,5 Millimeter Arisaka-Gewehr
ausgerüstet ist, so benannt nach dem Konstrukteur General Arisaka, der in
Spandau seine Studien gemacht hat; daher ähnelt das Gewehr in seiner Repetier-
vorrichtung dem deutschen Jnfcmteriegewehr 98. Als ein Mangel dieses klein-
kalibrigen Gewehrs hatte sich im Kriege herausgestellt, daß die durch sein Geschoß
verursachten Verwundungen den Gegner sehr oft nicht gefechtsunfühig machten,
auch schnell und leicht heilten. Es verlautete, man beabsichtige die Einführung
eines Repetiergewehrs von 8 Millimetern, doch findet dieses Gerücht keine Be-


Die militärischen Machtmittel der Japaner

Fragt man um, welche dieser vielen Reformen schon durchgeführt oder in
Angriff genommen oder auch nur von der Volksvertretung bewilligt worden
sind, so ist vorauszuschicken, daß die beabsichtigten Nenformationen an Reiterei
und reitender Artillerie vorläufig aufgegeben sein sollen. Es fehlt dazu um dein
notwendigen und hinreichend geeigneten Pferdematerial — ein Mangel, an dem
Japan bekanntlich schon lange leidet. Erst wenn die Tätigkeit des im vorigen
Jahre mit bedeutenden Kosten ins Leben gerufnen Pferdeverwaltungsdepartements,
an dessen Spitze General Baron some steht, zu greifbare«: Resultaten geführt
haben wird, soll der Verwendung der Kavallerie und der Aufstellung reitender
Batterien — das im Kriege bei der zweiten Armee (General Otu) provisorisch auf¬
gestellte reitende Artillerieregimcnt ist inzwischen wieder aufgelöst worden — näher
getreten werden. Vermutlich wird wohl auch die Rückkehr der nach Europa ent¬
sandten Pferdekaufskommission abgewartet werden, die bis jetzt in Frankreich
für 290000 Franes Pferde gekauft hat, sich gegenwärtig in England aufhält
und später auch noch Deutschland und Österreich besuchen will.

Was die Herstellung neuen Artilleriematerials anlangt, so bestellte Japan
bei Krupp zweitausend Stahlblöcke nach „abgeblasenem Bessemerverfahren",
von denen bis zum Frühjahr 1906 fünfhundert Stück abgenommen worden
waren; sie werden in Osaka wieder erhitzt und gebohrt. Die neuen Geschütze
erhalten weder Schutzschilde noch Rohrrücklaufbremsen, dafür an der Lafette einen
federnden Sporn sowie eine Stahldrahtbremse in einem Führungszylinder. Als
Geschoß ist ein neues Schrapnell mit Zeitzünder bis 7500 Meter vorgesehen.
In organisatorischer Hinsicht bei der Artillerie ist die Neugliederung der Feld-
und Gebirgsartillerie schon in der Art durchgeführt worden, daß von jetzt ab
sämtliche Feldartillerieregimenter nur mit Feldgeschützen ausgerüstet sind. Es
wurden danach bei der 5., 9., 10. und 11. Division, die bisher bei allen sechs
Batterien nur Gebirgsgeschütze hatten, und bei der 7. Division, bei der zwei
Batterien mit Gebirgsgeschützen ausgerüstet waren, diese Geschütze abgeschafft.
Die übrigen Divisionen hatten überhaupt nur Feldgeschütze, auch die zuletzt
formierten Divisionen 14 bis 16. Da aber Gebirgsgeschütze für die Armee
notwendig sind, ist bestimmt worden, im Kriegsfalle je nach der Notwendigkeit
selbständige Gebirgsbatterien zu formieren und diese auf die Divisionen zu
verteilen.

Da hier von Bewaffnungsfragen die Rede ist, mag hinsichtlich der In¬
fanterie angeführt werden, daß sie mit dem 6,5 Millimeter Arisaka-Gewehr
ausgerüstet ist, so benannt nach dem Konstrukteur General Arisaka, der in
Spandau seine Studien gemacht hat; daher ähnelt das Gewehr in seiner Repetier-
vorrichtung dem deutschen Jnfcmteriegewehr 98. Als ein Mangel dieses klein-
kalibrigen Gewehrs hatte sich im Kriege herausgestellt, daß die durch sein Geschoß
verursachten Verwundungen den Gegner sehr oft nicht gefechtsunfühig machten,
auch schnell und leicht heilten. Es verlautete, man beabsichtige die Einführung
eines Repetiergewehrs von 8 Millimetern, doch findet dieses Gerücht keine Be-


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[0396] Die militärischen Machtmittel der Japaner Fragt man um, welche dieser vielen Reformen schon durchgeführt oder in Angriff genommen oder auch nur von der Volksvertretung bewilligt worden sind, so ist vorauszuschicken, daß die beabsichtigten Nenformationen an Reiterei und reitender Artillerie vorläufig aufgegeben sein sollen. Es fehlt dazu um dein notwendigen und hinreichend geeigneten Pferdematerial — ein Mangel, an dem Japan bekanntlich schon lange leidet. Erst wenn die Tätigkeit des im vorigen Jahre mit bedeutenden Kosten ins Leben gerufnen Pferdeverwaltungsdepartements, an dessen Spitze General Baron some steht, zu greifbare«: Resultaten geführt haben wird, soll der Verwendung der Kavallerie und der Aufstellung reitender Batterien — das im Kriege bei der zweiten Armee (General Otu) provisorisch auf¬ gestellte reitende Artillerieregimcnt ist inzwischen wieder aufgelöst worden — näher getreten werden. Vermutlich wird wohl auch die Rückkehr der nach Europa ent¬ sandten Pferdekaufskommission abgewartet werden, die bis jetzt in Frankreich für 290000 Franes Pferde gekauft hat, sich gegenwärtig in England aufhält und später auch noch Deutschland und Österreich besuchen will. Was die Herstellung neuen Artilleriematerials anlangt, so bestellte Japan bei Krupp zweitausend Stahlblöcke nach „abgeblasenem Bessemerverfahren", von denen bis zum Frühjahr 1906 fünfhundert Stück abgenommen worden waren; sie werden in Osaka wieder erhitzt und gebohrt. Die neuen Geschütze erhalten weder Schutzschilde noch Rohrrücklaufbremsen, dafür an der Lafette einen federnden Sporn sowie eine Stahldrahtbremse in einem Führungszylinder. Als Geschoß ist ein neues Schrapnell mit Zeitzünder bis 7500 Meter vorgesehen. In organisatorischer Hinsicht bei der Artillerie ist die Neugliederung der Feld- und Gebirgsartillerie schon in der Art durchgeführt worden, daß von jetzt ab sämtliche Feldartillerieregimenter nur mit Feldgeschützen ausgerüstet sind. Es wurden danach bei der 5., 9., 10. und 11. Division, die bisher bei allen sechs Batterien nur Gebirgsgeschütze hatten, und bei der 7. Division, bei der zwei Batterien mit Gebirgsgeschützen ausgerüstet waren, diese Geschütze abgeschafft. Die übrigen Divisionen hatten überhaupt nur Feldgeschütze, auch die zuletzt formierten Divisionen 14 bis 16. Da aber Gebirgsgeschütze für die Armee notwendig sind, ist bestimmt worden, im Kriegsfalle je nach der Notwendigkeit selbständige Gebirgsbatterien zu formieren und diese auf die Divisionen zu verteilen. Da hier von Bewaffnungsfragen die Rede ist, mag hinsichtlich der In¬ fanterie angeführt werden, daß sie mit dem 6,5 Millimeter Arisaka-Gewehr ausgerüstet ist, so benannt nach dem Konstrukteur General Arisaka, der in Spandau seine Studien gemacht hat; daher ähnelt das Gewehr in seiner Repetier- vorrichtung dem deutschen Jnfcmteriegewehr 98. Als ein Mangel dieses klein- kalibrigen Gewehrs hatte sich im Kriege herausgestellt, daß die durch sein Geschoß verursachten Verwundungen den Gegner sehr oft nicht gefechtsunfühig machten, auch schnell und leicht heilten. Es verlautete, man beabsichtige die Einführung eines Repetiergewehrs von 8 Millimetern, doch findet dieses Gerücht keine Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/396>, abgerufen am 24.07.2024.