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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Schicksal

ewigen Feuers, stehen, wenn ihr Weg vollendet ist, um den göttlichen Thron, leuchtend,
mit dem Hammer ihrer Macht in Händen, die Heerscharen um ihren Herrn!

Lex stand hoch aufgerichtet unter seinen Altersgenossen, wie einer aus dem
Kreis der Heerscharen, und sie schlössen sich ihm gern an. Das Schicksal der vielen,
die nur zu vergebliche" Leiden gelebt hatten, brauchte sie nicht zu kümmern; denn
wer sich von dem vorüberschreitender Feuer mitreißen und entzünden ließ, der hatte
Teil an seinem siegreichen Wege. Der Dämon zog einen breiten leuchtenden Streifen
aus dem Gewimmel der Lebendigen mit sich nach oben.

Das wären alles nur Gedankensplitter, sagte Lex, er würde sie ausführen und
in einem Werke niederlegen, jetzt mußten erst die Studentenjahre und die Examina
abgetan sein, dann das Einleben in seinen Universitätsberuf und nebenbei die ge¬
sellschaftlichen Pflichten, um sich einzuführen.

Lex war gern gesehen, ein Begehrter in der Gesellschaft bei seiner glänzenden
Unterhaltungsgabe, und da wäre kaum ein Haus gewesen, das ihn nicht auch als
Familienglied begrüßt hätte. Aber er verstand zu überraschen, er zeigte seinen feinen
Sinn: über die Zäune der Herkömmlichkeit hinweg und durch alle Weihrauchwolken
hindurch wandte er sich einem jungen zarten Kinde zu, das er zum allgemeinen
Erstaunen heiratete.

Sie war in der Gesellschaft uoch unbekannt und ganz ungeeignet, seine Triumphe
zu steigern. Sie schwieg, wenn die eleganten Frauen Unterhaltung machten, und
auf Hofmacherei antwortete sie mit nichts als dem stummen, prüfenden Blick, den
man in Kinderaugen findet, wenn sich die großen Leute töricht benehmen.

Aber wenn sie allein waren, und er ihr seine Zukunftspläne enthüllte, wie ver¬
stand sie zuzuhören. An ihrer Zuversicht fühlte er sein eignes Feuer wachsen. Sie
lauschte wie ein zarter Vogel dem Rauschen, das vom Flügelschlag des Adlers kommt.

Und sie wurde nicht müde darin. Wenn er am Abend vor ihr stand, im
schwarzen Leibrock und der blendenden Wäsche und die Handschuhe über die Finger
streifte, es sah aus, als wären es so viel Ringe der Statthalterschaften, die er auf¬
streifte; wenn er sich aus seiner Höhe zu ihr niederbeugte, dann sah sie mit leiden¬
schaftlicher Erwartung zu ihm hinauf oder sah ihm nach. Heute hatte er noch keine
Zeit gehabt, aber morgen! Jetzt wußten es die Menschen noch nicht, was er in sich
trug. Aber sie würden den Ruck nach aufwärts spüren, wenn er erst reden wollte.
Heute ließ er seinen Geist noch zu ihrer Unterhaltung spielen, er wußte es ja, er
war ein glänzender Mann!

So gingen die Jahre hin, und sie wartete noch immer. Ihm wurde es mit¬
unter lästig, daß sie nicht müde wurde zu warten, und daß sie es ihn fühlen ließ,
wie sie wartete. Sie mußte doch dem Leben Rechnung tragen, nun wurde sie doch
allgemach alt genug, um zu verstehen, daß der laufende Tag auch seinen Anspruch
hatte, nicht nnr für sie, die ihre Arbeit im Hause und uuter den Kindern hatte,
sondern auch für ihn, der seinem künftigen Werk den Boden vorbereitete, der sich
vom Leben und von den Menschen nicht abschließen konnte. Es machte sich bei ihr
sogar etwas wie Enttäuschung geltend oder etwas wie Mißbilligung -- als wenn
er nun gerade heute sich hinsetzen und beginnen müßte, und er hatte es sich doch
für künftige Woche vorgenommen. Montag nicht, da war der Abend beim schwedischen
Gesandten, aber Dienstag. Er ging in seinem Zimmer auf und nieder und dachte
an den Anfang seines Werkes. Hatte er nicht die Kraft? schlummerte sie nicht in
ihm, daß er sie atmen spürte? Aber dieses wortlose Drängen störte ihn und lenkte
ihn ab. Er wandte sich zur Tür und ging ins Familienzimmer.

Dort machte sich bei seinem Schritt ein ängstliches Verstummen geltend. Irgend¬
eine zerknitterte Buchseite oder ein umgestoßnes Glas oder eine rauchende Lampe
fand sich auch immer, um daran ein Strafgericht zu knüpfen und dadurch die


Schicksal

ewigen Feuers, stehen, wenn ihr Weg vollendet ist, um den göttlichen Thron, leuchtend,
mit dem Hammer ihrer Macht in Händen, die Heerscharen um ihren Herrn!

Lex stand hoch aufgerichtet unter seinen Altersgenossen, wie einer aus dem
Kreis der Heerscharen, und sie schlössen sich ihm gern an. Das Schicksal der vielen,
die nur zu vergebliche» Leiden gelebt hatten, brauchte sie nicht zu kümmern; denn
wer sich von dem vorüberschreitender Feuer mitreißen und entzünden ließ, der hatte
Teil an seinem siegreichen Wege. Der Dämon zog einen breiten leuchtenden Streifen
aus dem Gewimmel der Lebendigen mit sich nach oben.

Das wären alles nur Gedankensplitter, sagte Lex, er würde sie ausführen und
in einem Werke niederlegen, jetzt mußten erst die Studentenjahre und die Examina
abgetan sein, dann das Einleben in seinen Universitätsberuf und nebenbei die ge¬
sellschaftlichen Pflichten, um sich einzuführen.

Lex war gern gesehen, ein Begehrter in der Gesellschaft bei seiner glänzenden
Unterhaltungsgabe, und da wäre kaum ein Haus gewesen, das ihn nicht auch als
Familienglied begrüßt hätte. Aber er verstand zu überraschen, er zeigte seinen feinen
Sinn: über die Zäune der Herkömmlichkeit hinweg und durch alle Weihrauchwolken
hindurch wandte er sich einem jungen zarten Kinde zu, das er zum allgemeinen
Erstaunen heiratete.

Sie war in der Gesellschaft uoch unbekannt und ganz ungeeignet, seine Triumphe
zu steigern. Sie schwieg, wenn die eleganten Frauen Unterhaltung machten, und
auf Hofmacherei antwortete sie mit nichts als dem stummen, prüfenden Blick, den
man in Kinderaugen findet, wenn sich die großen Leute töricht benehmen.

Aber wenn sie allein waren, und er ihr seine Zukunftspläne enthüllte, wie ver¬
stand sie zuzuhören. An ihrer Zuversicht fühlte er sein eignes Feuer wachsen. Sie
lauschte wie ein zarter Vogel dem Rauschen, das vom Flügelschlag des Adlers kommt.

Und sie wurde nicht müde darin. Wenn er am Abend vor ihr stand, im
schwarzen Leibrock und der blendenden Wäsche und die Handschuhe über die Finger
streifte, es sah aus, als wären es so viel Ringe der Statthalterschaften, die er auf¬
streifte; wenn er sich aus seiner Höhe zu ihr niederbeugte, dann sah sie mit leiden¬
schaftlicher Erwartung zu ihm hinauf oder sah ihm nach. Heute hatte er noch keine
Zeit gehabt, aber morgen! Jetzt wußten es die Menschen noch nicht, was er in sich
trug. Aber sie würden den Ruck nach aufwärts spüren, wenn er erst reden wollte.
Heute ließ er seinen Geist noch zu ihrer Unterhaltung spielen, er wußte es ja, er
war ein glänzender Mann!

So gingen die Jahre hin, und sie wartete noch immer. Ihm wurde es mit¬
unter lästig, daß sie nicht müde wurde zu warten, und daß sie es ihn fühlen ließ,
wie sie wartete. Sie mußte doch dem Leben Rechnung tragen, nun wurde sie doch
allgemach alt genug, um zu verstehen, daß der laufende Tag auch seinen Anspruch
hatte, nicht nnr für sie, die ihre Arbeit im Hause und uuter den Kindern hatte,
sondern auch für ihn, der seinem künftigen Werk den Boden vorbereitete, der sich
vom Leben und von den Menschen nicht abschließen konnte. Es machte sich bei ihr
sogar etwas wie Enttäuschung geltend oder etwas wie Mißbilligung — als wenn
er nun gerade heute sich hinsetzen und beginnen müßte, und er hatte es sich doch
für künftige Woche vorgenommen. Montag nicht, da war der Abend beim schwedischen
Gesandten, aber Dienstag. Er ging in seinem Zimmer auf und nieder und dachte
an den Anfang seines Werkes. Hatte er nicht die Kraft? schlummerte sie nicht in
ihm, daß er sie atmen spürte? Aber dieses wortlose Drängen störte ihn und lenkte
ihn ab. Er wandte sich zur Tür und ging ins Familienzimmer.

Dort machte sich bei seinem Schritt ein ängstliches Verstummen geltend. Irgend¬
eine zerknitterte Buchseite oder ein umgestoßnes Glas oder eine rauchende Lampe
fand sich auch immer, um daran ein Strafgericht zu knüpfen und dadurch die


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[0327] Schicksal ewigen Feuers, stehen, wenn ihr Weg vollendet ist, um den göttlichen Thron, leuchtend, mit dem Hammer ihrer Macht in Händen, die Heerscharen um ihren Herrn! Lex stand hoch aufgerichtet unter seinen Altersgenossen, wie einer aus dem Kreis der Heerscharen, und sie schlössen sich ihm gern an. Das Schicksal der vielen, die nur zu vergebliche» Leiden gelebt hatten, brauchte sie nicht zu kümmern; denn wer sich von dem vorüberschreitender Feuer mitreißen und entzünden ließ, der hatte Teil an seinem siegreichen Wege. Der Dämon zog einen breiten leuchtenden Streifen aus dem Gewimmel der Lebendigen mit sich nach oben. Das wären alles nur Gedankensplitter, sagte Lex, er würde sie ausführen und in einem Werke niederlegen, jetzt mußten erst die Studentenjahre und die Examina abgetan sein, dann das Einleben in seinen Universitätsberuf und nebenbei die ge¬ sellschaftlichen Pflichten, um sich einzuführen. Lex war gern gesehen, ein Begehrter in der Gesellschaft bei seiner glänzenden Unterhaltungsgabe, und da wäre kaum ein Haus gewesen, das ihn nicht auch als Familienglied begrüßt hätte. Aber er verstand zu überraschen, er zeigte seinen feinen Sinn: über die Zäune der Herkömmlichkeit hinweg und durch alle Weihrauchwolken hindurch wandte er sich einem jungen zarten Kinde zu, das er zum allgemeinen Erstaunen heiratete. Sie war in der Gesellschaft uoch unbekannt und ganz ungeeignet, seine Triumphe zu steigern. Sie schwieg, wenn die eleganten Frauen Unterhaltung machten, und auf Hofmacherei antwortete sie mit nichts als dem stummen, prüfenden Blick, den man in Kinderaugen findet, wenn sich die großen Leute töricht benehmen. Aber wenn sie allein waren, und er ihr seine Zukunftspläne enthüllte, wie ver¬ stand sie zuzuhören. An ihrer Zuversicht fühlte er sein eignes Feuer wachsen. Sie lauschte wie ein zarter Vogel dem Rauschen, das vom Flügelschlag des Adlers kommt. Und sie wurde nicht müde darin. Wenn er am Abend vor ihr stand, im schwarzen Leibrock und der blendenden Wäsche und die Handschuhe über die Finger streifte, es sah aus, als wären es so viel Ringe der Statthalterschaften, die er auf¬ streifte; wenn er sich aus seiner Höhe zu ihr niederbeugte, dann sah sie mit leiden¬ schaftlicher Erwartung zu ihm hinauf oder sah ihm nach. Heute hatte er noch keine Zeit gehabt, aber morgen! Jetzt wußten es die Menschen noch nicht, was er in sich trug. Aber sie würden den Ruck nach aufwärts spüren, wenn er erst reden wollte. Heute ließ er seinen Geist noch zu ihrer Unterhaltung spielen, er wußte es ja, er war ein glänzender Mann! So gingen die Jahre hin, und sie wartete noch immer. Ihm wurde es mit¬ unter lästig, daß sie nicht müde wurde zu warten, und daß sie es ihn fühlen ließ, wie sie wartete. Sie mußte doch dem Leben Rechnung tragen, nun wurde sie doch allgemach alt genug, um zu verstehen, daß der laufende Tag auch seinen Anspruch hatte, nicht nnr für sie, die ihre Arbeit im Hause und uuter den Kindern hatte, sondern auch für ihn, der seinem künftigen Werk den Boden vorbereitete, der sich vom Leben und von den Menschen nicht abschließen konnte. Es machte sich bei ihr sogar etwas wie Enttäuschung geltend oder etwas wie Mißbilligung — als wenn er nun gerade heute sich hinsetzen und beginnen müßte, und er hatte es sich doch für künftige Woche vorgenommen. Montag nicht, da war der Abend beim schwedischen Gesandten, aber Dienstag. Er ging in seinem Zimmer auf und nieder und dachte an den Anfang seines Werkes. Hatte er nicht die Kraft? schlummerte sie nicht in ihm, daß er sie atmen spürte? Aber dieses wortlose Drängen störte ihn und lenkte ihn ab. Er wandte sich zur Tür und ging ins Familienzimmer. Dort machte sich bei seinem Schritt ein ängstliches Verstummen geltend. Irgend¬ eine zerknitterte Buchseite oder ein umgestoßnes Glas oder eine rauchende Lampe fand sich auch immer, um daran ein Strafgericht zu knüpfen und dadurch die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/327>, abgerufen am 02.07.2024.