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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die neue Personen- und (Zepäcktarifreforin

billigung ist recht bedeutend; leider aber werden von ihr nur sehr wenig Leute
Nutzen haben, da nur die wenigsten Reisenden einfache Karten zu benutzen
pflegen. Wie steht es nun aber mit der überwiegenden Menge von Reisenden,
die bisher mit Rückfahrkarten zu reisen gewohnt waren? Bei Benutzung von
Personenzügen bleibt der Preis derselbe, das heißt also für den Lokalvcrkehr,
der sich immer nur auf kurze Entfernungen erstreckt. Ganz anders aber stellt
sich die Sache für alle die, die Schnellzuge benutzen müssen, und das gilt doch
für die ganze Schar der Kaufleute, der Vergnügungsreisenden, der Erholungs¬
bedürftigen usw., das heißt also für alle die, die weite Strecken zurücklegen
müssen, um an ihr Ziel zu gelangen. Für alle diese Leute verteuert sich die
Reise, sobald diese mehr als 150 Kilometer beträgt, um mindestens je 1 Mark
für Hin- und Rückfahrt. Wer aber bei weiten Entfernungen verschiedne Fahr¬
karten lösen muß -- und das wird leider nur zu oft vorkommen --, der muß
nicht 2 Mark, sondern 4 oder 6 Mark oder gar noch mehr bezahlen. Von allen
Orten und nach allen Orten wird es und kann es unmöglich bestimmte Fahr¬
karten geben, wenn auch der Eisenbahnminister wiederholt erklärt hat, daß die
Fahrkarten vermehrt werden sollen. Was wird die natürliche Folge dieser Ver¬
teuerung sein? Es werden wieder die gräßlichen Rundreisehefte, die ja, wie schon
erwähnt worden ist, seit dem Sommer 1901 immer seltner und seltner zu sehen
waren, in den Verkehr kommen; denn für gewisse Entfernungen wird in Zukunft
die Reise mit Nundreiseheften billiger werden. Bei einer Fahrt zum Beispiel vou
600 Kilometern erspart man 80 Pfennige, da das Rundrcischcft 19 Mark
20 Pfennige kostet, während die einfache Hin- und Rückfahrt mit Zuschlag
20 Mark kostet. Diese Ersparnis verringert sich immer desto mehr, je weiter
die Strecke ist, die man mit einem Nundreiseheft zurücklegt, bis bei einer Fahrt
von 1000 Kilometern die Preise gleich sind. Sollte man aber genötigt sein,
sich mehr als eine einfache Karte zu lösen, dann würde auch über eine Ent¬
fernung von 1000 Kilometern hinaus ein Rnndrciseheft billiger sein. Dazu
kommt noch ein andrer Umstand. Wer für die Strecke von A bis B eine ein¬
fache Karte löst, muß dafür die betreffende Steuer bezahlen; wer aber unter
Umständen für eine andre ebenso weite Strecke C bis D zwei Karten lösen
muß, muß zweimal Steuern bezahlen, deren Summe größer ist als die ein¬
malige Steuer für A bis B. So kann es vorkommen, daß ein Reisender, der
ein Rundreiseheft benutzt, nur einmal Steuer zu zahlen hat, während der
Reisende mit gewöhnlicher Fahrkarte zweimal oder sogar mehrmals Steuern
bezahlen muß, deren Summe größer ist als die einmalige Steuer für das ganze
Rundreiseheft. Wenn dieser Preisunterschied zwischen einfacher Karte und Nund¬
reiseheft auch kein bedeutender sein wird -- es wird sich höchstens um einige
Mark handeln --, so werden doch gewiß viele auch diesen kleinen Faktor,
der sich überdies bei mehreren Personen aus derselben Familie vervielfacht, mit
in Rechnung ziehn, zumal da ja das Freigepäck bei den gewöhnlichen Karten
in Wegfall kommen soll.


Die neue Personen- und (Zepäcktarifreforin

billigung ist recht bedeutend; leider aber werden von ihr nur sehr wenig Leute
Nutzen haben, da nur die wenigsten Reisenden einfache Karten zu benutzen
pflegen. Wie steht es nun aber mit der überwiegenden Menge von Reisenden,
die bisher mit Rückfahrkarten zu reisen gewohnt waren? Bei Benutzung von
Personenzügen bleibt der Preis derselbe, das heißt also für den Lokalvcrkehr,
der sich immer nur auf kurze Entfernungen erstreckt. Ganz anders aber stellt
sich die Sache für alle die, die Schnellzuge benutzen müssen, und das gilt doch
für die ganze Schar der Kaufleute, der Vergnügungsreisenden, der Erholungs¬
bedürftigen usw., das heißt also für alle die, die weite Strecken zurücklegen
müssen, um an ihr Ziel zu gelangen. Für alle diese Leute verteuert sich die
Reise, sobald diese mehr als 150 Kilometer beträgt, um mindestens je 1 Mark
für Hin- und Rückfahrt. Wer aber bei weiten Entfernungen verschiedne Fahr¬
karten lösen muß — und das wird leider nur zu oft vorkommen —, der muß
nicht 2 Mark, sondern 4 oder 6 Mark oder gar noch mehr bezahlen. Von allen
Orten und nach allen Orten wird es und kann es unmöglich bestimmte Fahr¬
karten geben, wenn auch der Eisenbahnminister wiederholt erklärt hat, daß die
Fahrkarten vermehrt werden sollen. Was wird die natürliche Folge dieser Ver¬
teuerung sein? Es werden wieder die gräßlichen Rundreisehefte, die ja, wie schon
erwähnt worden ist, seit dem Sommer 1901 immer seltner und seltner zu sehen
waren, in den Verkehr kommen; denn für gewisse Entfernungen wird in Zukunft
die Reise mit Nundreiseheften billiger werden. Bei einer Fahrt zum Beispiel vou
600 Kilometern erspart man 80 Pfennige, da das Rundrcischcft 19 Mark
20 Pfennige kostet, während die einfache Hin- und Rückfahrt mit Zuschlag
20 Mark kostet. Diese Ersparnis verringert sich immer desto mehr, je weiter
die Strecke ist, die man mit einem Nundreiseheft zurücklegt, bis bei einer Fahrt
von 1000 Kilometern die Preise gleich sind. Sollte man aber genötigt sein,
sich mehr als eine einfache Karte zu lösen, dann würde auch über eine Ent¬
fernung von 1000 Kilometern hinaus ein Rnndrciseheft billiger sein. Dazu
kommt noch ein andrer Umstand. Wer für die Strecke von A bis B eine ein¬
fache Karte löst, muß dafür die betreffende Steuer bezahlen; wer aber unter
Umständen für eine andre ebenso weite Strecke C bis D zwei Karten lösen
muß, muß zweimal Steuern bezahlen, deren Summe größer ist als die ein¬
malige Steuer für A bis B. So kann es vorkommen, daß ein Reisender, der
ein Rundreiseheft benutzt, nur einmal Steuer zu zahlen hat, während der
Reisende mit gewöhnlicher Fahrkarte zweimal oder sogar mehrmals Steuern
bezahlen muß, deren Summe größer ist als die einmalige Steuer für das ganze
Rundreiseheft. Wenn dieser Preisunterschied zwischen einfacher Karte und Nund¬
reiseheft auch kein bedeutender sein wird — es wird sich höchstens um einige
Mark handeln —, so werden doch gewiß viele auch diesen kleinen Faktor,
der sich überdies bei mehreren Personen aus derselben Familie vervielfacht, mit
in Rechnung ziehn, zumal da ja das Freigepäck bei den gewöhnlichen Karten
in Wegfall kommen soll.


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[0296] Die neue Personen- und (Zepäcktarifreforin billigung ist recht bedeutend; leider aber werden von ihr nur sehr wenig Leute Nutzen haben, da nur die wenigsten Reisenden einfache Karten zu benutzen pflegen. Wie steht es nun aber mit der überwiegenden Menge von Reisenden, die bisher mit Rückfahrkarten zu reisen gewohnt waren? Bei Benutzung von Personenzügen bleibt der Preis derselbe, das heißt also für den Lokalvcrkehr, der sich immer nur auf kurze Entfernungen erstreckt. Ganz anders aber stellt sich die Sache für alle die, die Schnellzuge benutzen müssen, und das gilt doch für die ganze Schar der Kaufleute, der Vergnügungsreisenden, der Erholungs¬ bedürftigen usw., das heißt also für alle die, die weite Strecken zurücklegen müssen, um an ihr Ziel zu gelangen. Für alle diese Leute verteuert sich die Reise, sobald diese mehr als 150 Kilometer beträgt, um mindestens je 1 Mark für Hin- und Rückfahrt. Wer aber bei weiten Entfernungen verschiedne Fahr¬ karten lösen muß — und das wird leider nur zu oft vorkommen —, der muß nicht 2 Mark, sondern 4 oder 6 Mark oder gar noch mehr bezahlen. Von allen Orten und nach allen Orten wird es und kann es unmöglich bestimmte Fahr¬ karten geben, wenn auch der Eisenbahnminister wiederholt erklärt hat, daß die Fahrkarten vermehrt werden sollen. Was wird die natürliche Folge dieser Ver¬ teuerung sein? Es werden wieder die gräßlichen Rundreisehefte, die ja, wie schon erwähnt worden ist, seit dem Sommer 1901 immer seltner und seltner zu sehen waren, in den Verkehr kommen; denn für gewisse Entfernungen wird in Zukunft die Reise mit Nundreiseheften billiger werden. Bei einer Fahrt zum Beispiel vou 600 Kilometern erspart man 80 Pfennige, da das Rundrcischcft 19 Mark 20 Pfennige kostet, während die einfache Hin- und Rückfahrt mit Zuschlag 20 Mark kostet. Diese Ersparnis verringert sich immer desto mehr, je weiter die Strecke ist, die man mit einem Nundreiseheft zurücklegt, bis bei einer Fahrt von 1000 Kilometern die Preise gleich sind. Sollte man aber genötigt sein, sich mehr als eine einfache Karte zu lösen, dann würde auch über eine Ent¬ fernung von 1000 Kilometern hinaus ein Rnndrciseheft billiger sein. Dazu kommt noch ein andrer Umstand. Wer für die Strecke von A bis B eine ein¬ fache Karte löst, muß dafür die betreffende Steuer bezahlen; wer aber unter Umständen für eine andre ebenso weite Strecke C bis D zwei Karten lösen muß, muß zweimal Steuern bezahlen, deren Summe größer ist als die ein¬ malige Steuer für A bis B. So kann es vorkommen, daß ein Reisender, der ein Rundreiseheft benutzt, nur einmal Steuer zu zahlen hat, während der Reisende mit gewöhnlicher Fahrkarte zweimal oder sogar mehrmals Steuern bezahlen muß, deren Summe größer ist als die einmalige Steuer für das ganze Rundreiseheft. Wenn dieser Preisunterschied zwischen einfacher Karte und Nund¬ reiseheft auch kein bedeutender sein wird — es wird sich höchstens um einige Mark handeln —, so werden doch gewiß viele auch diesen kleinen Faktor, der sich überdies bei mehreren Personen aus derselben Familie vervielfacht, mit in Rechnung ziehn, zumal da ja das Freigepäck bei den gewöhnlichen Karten in Wegfall kommen soll.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/296>, abgerufen am 04.07.2024.