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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Der geflügelte Sieger

hinzu, ist Herzberg, soweit meine Kenntnis von ihm reicht, in Geldsachen sehr ver¬
ständig, im Verhältnis zu seinen Einkünften ist er sogar sparsam.

Das ist eine große Hauptsache, sagte Onkel Franz, worauf der kleine Leutnant,
der, wie es sich gehörte, bei der ganzen Verhandlung nur den schweigenden Zu¬
hörer gemacht hatte, Tante Minna halblaut zuflüsterte: Sparsam, Tauenden, das kann
ein jeder sein: deshalb würden wir ihn noch lange nicht heiraten.

So fuhren die zwei denn mit den beiden Füchsen, die im Vierspänner als
Spitzenpferde gingen, nach der Garnison Herzbergs hinüber, nachdem sie Tante
Minna versprochen hatten, sich von den Manen, Herzbergs Kameraden, nicht einseifen
zu lassen, sondern sobald wie möglich zurückzukommen. Wie der Bär im Zoologischen
Garten, bemerkte Hänschen, zu dem der Wärter sagt: Mischke, klettern! aber nicht
oben bleiben, gleich wieder runter kommen.

Tante Minna hatte sich die bei weitem schwerere Last aufgeladen, indem sie
die beiden zu Herzberg schickte und sich die Aufgabe vorbehielt, ihrem Jungchen,
dem eigentlichen Verlierer, und dessen Vater die Sache beizubringen, die aus allen
ihren Himmeln Gerissenen zu trösten und für ihre Auffassung der Sache, für ihren
Plan zu gewinnen. Vielleicht war sie, da sie von der Annahme ausging, jeder
vernünftige Mensch müsse in diesem für sie so einfach liegenden Falle denken wie
sie, auf die ernsten Schwierigkeiten nicht vorbereitet, die ihr die gekränkte und die
dem verletzten Selbstgefühl eigne Empfindlichkeit beider bereiten sollte. Recht hübsch
und erfreulich war ja das eigentlich kaum, was die beiden sagten, als sie erfuhren,
worum es sich handle. Vorurteilsfreie, objektiv urteilende Philosophen, die das Recht
des Nächsten gegen das ihre in billiger und gerechter Weise abzuwägen bemüht
gewesen wären, waren die beiden nicht. Ihr Ärger, man möchte beinahe sagen, ihre
Entrüstung war allerdings begreiflich, wenn man sich vergegenwärtigte, daß sie beide
nicht weit davon entfernt gewesen waren, Ernsts Werbung um seine unbemittelte
Base als eine hochherzige Handlung anzusehen, und daß die Frage, was die Leute von
der "Entlobung" denken und dazu sagen würden, für sie von allergrößter Wichtigkeit
war. Schließlich gelang es der klugen und wohlmeinenden Frau indes doch, die beiden
mit ihrem Schicksal sowie mit Rosa und Herzberg einigermaßen auszusöhnen, indem
sie hervorhob, daß eine von einem Mädchenherzen in des Herzens blindem Drange
gefaßte Leidenschaft kein Maßstab sei für den Wert eines Mannes, sondern eine Zu¬
fälligkeit, aus der kein vernünftiger Mensch einen andern Schluß ziehen könne, als daß
es bisweilen auch für ein junges Mädchen nicht ganz leicht sei, sich davon Rechenschaft
zu geben, wie der wahre Abgott auf dem Altare ihres Herzens aussehen und beschaffen
sein müsse. Ernst, davon sei sie überzeugt, werde leicht eine Partie finden, die vielleicht
alles, was man wünsche, besser vereinige, als es "so" der Fall gewesen wäre. Der
Umstand, daß bei ihrem Jungchen von leidenschaftlichen Gefühlen nicht die Rede war,
erleichterte ihr ihre Aufgabe. Sie brauchte keinen Balsam für ein liebeswundes Herz zu
mischen: es genügte, wenn sie die von seinem Selbstgefühl erlittene Verstauchung mit
lindernden Kräutern zu haben verstand. Sie schlug vor, Ernst solle, um sich zu zer¬
streuen und um jeder peinlichen Begegnung fürs erste aus dem Wege zu gehen, nach
Unteritalien reisen, wo ihre jüngere Schwester in der Campanischen Ebene zwischen
Neapel und Benevent an einen vornehmen und reichen Grundbesitzer verheiratet war.
Da das dortige Ehepaar wiederholt brieflich den Wunsch ausgesprochen habe, den einen
oder den andern ihrer deutschen Verwandten bei sich zu sehen, werde er mit offnen
Armen aufgenommen werden. Den Winter über möge er in Neapel oder in Rom
bleiben, und wenn er im Frühjahr zurückkomme, so werde sie inzwischen über einige
für ihn geeignete Partien, die sie in Aussicht habe, Erkundigungen eingezogen haben.
Treffe er dann eine sich in jeder Beziehung eignende, vielleicht sogar nach der einen


Der geflügelte Sieger

hinzu, ist Herzberg, soweit meine Kenntnis von ihm reicht, in Geldsachen sehr ver¬
ständig, im Verhältnis zu seinen Einkünften ist er sogar sparsam.

Das ist eine große Hauptsache, sagte Onkel Franz, worauf der kleine Leutnant,
der, wie es sich gehörte, bei der ganzen Verhandlung nur den schweigenden Zu¬
hörer gemacht hatte, Tante Minna halblaut zuflüsterte: Sparsam, Tauenden, das kann
ein jeder sein: deshalb würden wir ihn noch lange nicht heiraten.

So fuhren die zwei denn mit den beiden Füchsen, die im Vierspänner als
Spitzenpferde gingen, nach der Garnison Herzbergs hinüber, nachdem sie Tante
Minna versprochen hatten, sich von den Manen, Herzbergs Kameraden, nicht einseifen
zu lassen, sondern sobald wie möglich zurückzukommen. Wie der Bär im Zoologischen
Garten, bemerkte Hänschen, zu dem der Wärter sagt: Mischke, klettern! aber nicht
oben bleiben, gleich wieder runter kommen.

Tante Minna hatte sich die bei weitem schwerere Last aufgeladen, indem sie
die beiden zu Herzberg schickte und sich die Aufgabe vorbehielt, ihrem Jungchen,
dem eigentlichen Verlierer, und dessen Vater die Sache beizubringen, die aus allen
ihren Himmeln Gerissenen zu trösten und für ihre Auffassung der Sache, für ihren
Plan zu gewinnen. Vielleicht war sie, da sie von der Annahme ausging, jeder
vernünftige Mensch müsse in diesem für sie so einfach liegenden Falle denken wie
sie, auf die ernsten Schwierigkeiten nicht vorbereitet, die ihr die gekränkte und die
dem verletzten Selbstgefühl eigne Empfindlichkeit beider bereiten sollte. Recht hübsch
und erfreulich war ja das eigentlich kaum, was die beiden sagten, als sie erfuhren,
worum es sich handle. Vorurteilsfreie, objektiv urteilende Philosophen, die das Recht
des Nächsten gegen das ihre in billiger und gerechter Weise abzuwägen bemüht
gewesen wären, waren die beiden nicht. Ihr Ärger, man möchte beinahe sagen, ihre
Entrüstung war allerdings begreiflich, wenn man sich vergegenwärtigte, daß sie beide
nicht weit davon entfernt gewesen waren, Ernsts Werbung um seine unbemittelte
Base als eine hochherzige Handlung anzusehen, und daß die Frage, was die Leute von
der „Entlobung" denken und dazu sagen würden, für sie von allergrößter Wichtigkeit
war. Schließlich gelang es der klugen und wohlmeinenden Frau indes doch, die beiden
mit ihrem Schicksal sowie mit Rosa und Herzberg einigermaßen auszusöhnen, indem
sie hervorhob, daß eine von einem Mädchenherzen in des Herzens blindem Drange
gefaßte Leidenschaft kein Maßstab sei für den Wert eines Mannes, sondern eine Zu¬
fälligkeit, aus der kein vernünftiger Mensch einen andern Schluß ziehen könne, als daß
es bisweilen auch für ein junges Mädchen nicht ganz leicht sei, sich davon Rechenschaft
zu geben, wie der wahre Abgott auf dem Altare ihres Herzens aussehen und beschaffen
sein müsse. Ernst, davon sei sie überzeugt, werde leicht eine Partie finden, die vielleicht
alles, was man wünsche, besser vereinige, als es „so" der Fall gewesen wäre. Der
Umstand, daß bei ihrem Jungchen von leidenschaftlichen Gefühlen nicht die Rede war,
erleichterte ihr ihre Aufgabe. Sie brauchte keinen Balsam für ein liebeswundes Herz zu
mischen: es genügte, wenn sie die von seinem Selbstgefühl erlittene Verstauchung mit
lindernden Kräutern zu haben verstand. Sie schlug vor, Ernst solle, um sich zu zer¬
streuen und um jeder peinlichen Begegnung fürs erste aus dem Wege zu gehen, nach
Unteritalien reisen, wo ihre jüngere Schwester in der Campanischen Ebene zwischen
Neapel und Benevent an einen vornehmen und reichen Grundbesitzer verheiratet war.
Da das dortige Ehepaar wiederholt brieflich den Wunsch ausgesprochen habe, den einen
oder den andern ihrer deutschen Verwandten bei sich zu sehen, werde er mit offnen
Armen aufgenommen werden. Den Winter über möge er in Neapel oder in Rom
bleiben, und wenn er im Frühjahr zurückkomme, so werde sie inzwischen über einige
für ihn geeignete Partien, die sie in Aussicht habe, Erkundigungen eingezogen haben.
Treffe er dann eine sich in jeder Beziehung eignende, vielleicht sogar nach der einen


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[0277] Der geflügelte Sieger hinzu, ist Herzberg, soweit meine Kenntnis von ihm reicht, in Geldsachen sehr ver¬ ständig, im Verhältnis zu seinen Einkünften ist er sogar sparsam. Das ist eine große Hauptsache, sagte Onkel Franz, worauf der kleine Leutnant, der, wie es sich gehörte, bei der ganzen Verhandlung nur den schweigenden Zu¬ hörer gemacht hatte, Tante Minna halblaut zuflüsterte: Sparsam, Tauenden, das kann ein jeder sein: deshalb würden wir ihn noch lange nicht heiraten. So fuhren die zwei denn mit den beiden Füchsen, die im Vierspänner als Spitzenpferde gingen, nach der Garnison Herzbergs hinüber, nachdem sie Tante Minna versprochen hatten, sich von den Manen, Herzbergs Kameraden, nicht einseifen zu lassen, sondern sobald wie möglich zurückzukommen. Wie der Bär im Zoologischen Garten, bemerkte Hänschen, zu dem der Wärter sagt: Mischke, klettern! aber nicht oben bleiben, gleich wieder runter kommen. Tante Minna hatte sich die bei weitem schwerere Last aufgeladen, indem sie die beiden zu Herzberg schickte und sich die Aufgabe vorbehielt, ihrem Jungchen, dem eigentlichen Verlierer, und dessen Vater die Sache beizubringen, die aus allen ihren Himmeln Gerissenen zu trösten und für ihre Auffassung der Sache, für ihren Plan zu gewinnen. Vielleicht war sie, da sie von der Annahme ausging, jeder vernünftige Mensch müsse in diesem für sie so einfach liegenden Falle denken wie sie, auf die ernsten Schwierigkeiten nicht vorbereitet, die ihr die gekränkte und die dem verletzten Selbstgefühl eigne Empfindlichkeit beider bereiten sollte. Recht hübsch und erfreulich war ja das eigentlich kaum, was die beiden sagten, als sie erfuhren, worum es sich handle. Vorurteilsfreie, objektiv urteilende Philosophen, die das Recht des Nächsten gegen das ihre in billiger und gerechter Weise abzuwägen bemüht gewesen wären, waren die beiden nicht. Ihr Ärger, man möchte beinahe sagen, ihre Entrüstung war allerdings begreiflich, wenn man sich vergegenwärtigte, daß sie beide nicht weit davon entfernt gewesen waren, Ernsts Werbung um seine unbemittelte Base als eine hochherzige Handlung anzusehen, und daß die Frage, was die Leute von der „Entlobung" denken und dazu sagen würden, für sie von allergrößter Wichtigkeit war. Schließlich gelang es der klugen und wohlmeinenden Frau indes doch, die beiden mit ihrem Schicksal sowie mit Rosa und Herzberg einigermaßen auszusöhnen, indem sie hervorhob, daß eine von einem Mädchenherzen in des Herzens blindem Drange gefaßte Leidenschaft kein Maßstab sei für den Wert eines Mannes, sondern eine Zu¬ fälligkeit, aus der kein vernünftiger Mensch einen andern Schluß ziehen könne, als daß es bisweilen auch für ein junges Mädchen nicht ganz leicht sei, sich davon Rechenschaft zu geben, wie der wahre Abgott auf dem Altare ihres Herzens aussehen und beschaffen sein müsse. Ernst, davon sei sie überzeugt, werde leicht eine Partie finden, die vielleicht alles, was man wünsche, besser vereinige, als es „so" der Fall gewesen wäre. Der Umstand, daß bei ihrem Jungchen von leidenschaftlichen Gefühlen nicht die Rede war, erleichterte ihr ihre Aufgabe. Sie brauchte keinen Balsam für ein liebeswundes Herz zu mischen: es genügte, wenn sie die von seinem Selbstgefühl erlittene Verstauchung mit lindernden Kräutern zu haben verstand. Sie schlug vor, Ernst solle, um sich zu zer¬ streuen und um jeder peinlichen Begegnung fürs erste aus dem Wege zu gehen, nach Unteritalien reisen, wo ihre jüngere Schwester in der Campanischen Ebene zwischen Neapel und Benevent an einen vornehmen und reichen Grundbesitzer verheiratet war. Da das dortige Ehepaar wiederholt brieflich den Wunsch ausgesprochen habe, den einen oder den andern ihrer deutschen Verwandten bei sich zu sehen, werde er mit offnen Armen aufgenommen werden. Den Winter über möge er in Neapel oder in Rom bleiben, und wenn er im Frühjahr zurückkomme, so werde sie inzwischen über einige für ihn geeignete Partien, die sie in Aussicht habe, Erkundigungen eingezogen haben. Treffe er dann eine sich in jeder Beziehung eignende, vielleicht sogar nach der einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/277>, abgerufen am 24.07.2024.