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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Das Mexiko des porfino Diaz

dauernd Beschwerden, oft großen Schmerz verursacht, ihn aber nicht gehindert,
an sechs oder sieben Gefechten teilzunehmen. Die militärische Karriere von Diaz war
infolge seiner glänzenden Wasfentaten ungemein schnell. Schon im Jahre 1860 be¬
förderte ihn Juarez zum Obersten der mexikanischen Armee, 1861 zum Brigade¬
general, 1863 zum Divisionsgeneral, der höchsten Charge der mexikanischen Armee.
Im Jahre 1861 wurde er zum Abgeordneten des Kongresses gewählt. Während
der französischen Okkupation und der Kaiserzeit Maximilians hat Diaz wie ein
Löwe für die republikanische Sache gekämpft und sich besonders bei den Ver¬
teidigungen von Puebla und Oaxaca ausgezeichnet; schließlich mußte er sich
aber der Übermacht ergeben, da er keinen Entsatz erhielt, wurde gefangen ge¬
nommen, entfloh nach neunmonatiger Haft, sammelte die republikanischen Scharen
und trat den Franzosen wieder im Felde entgegen. Die Schilderung dieser
Episode in dem Diazschen Tagebuche ist von einer fabelhaften Lebendigkeit und
Anschaulichkeit und liefert den Beweis, daß Diaz auch als Schriftsteller be¬
sonders begabt ist. Eine edle nationale Begeisterung durchweht alle seine
Schilderungen von den Kämpfen für Mexikos Freiheit.

Mit dramatischer Wucht wird die Tragödie des Kaisers Maximilian ge¬
schildert. Der Anfang seiner Regierung war nicht ungünstig. Die blonde
Heldengestalt des Kaisers und die elegante Erscheinung der Kaiserin Charlotte
machten auf die Mexikaner einen begeisternden Eindruck, und alles wäre wohl
anders gekommen, wenn Napoleon der Dritte sein Wort gehalten, und wenn
der Kaiser bessere Ratgeber gehabt hätte. In dem Tweedieschen Werke wird
dies auch im allgemeinen richtig hervorgehoben, aber der Hauptfehler, den
Maximilian machte, wird nicht erwähnt. Er hatte es in der Hand, den
römischen Klerus, der durch die mexikanischen Reformgesetze fast das gesamte
Kirchenvermögen verloren hatte, durch Milderung dieser Gesetze an sich zu
fesseln und auf diese Weise die von den Priestern damals stark beeinflußten
Indianer für sich zu gewinnen. Statt dessen stützte sich Maximilian auf
Republikaner, die ihre Partei verräterischerweise verlassen hatten, tat nichts
für die Indianer und stieß den Klerus vor den Kopf. Erst als es zu spät war,
und die Franzosen das Land schon wieder verlassen hatten, suchte er die Geistlich¬
keit durch Versprechungen an sich zu fesseln, und auch hier war er mehr der
Geschobne als der schiebende. Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte Maximilian
nicht im letzten Moment seine Abreise nach Europa aufgegeben, wenn ihm nicht
die Klerikalen Geld und Truppen versprochen hätten. In Wahrheit belief sich
diese Beihilfe, wie Mrs. Tweedie richtig angibt, auf 50000 Pesos.

Die Peripetie für Maximilian trat ein mit dem Siege der amerikanischen
Nordstaaten über die Südstaaten und mit dem verhängnisvollen Erlaß, den
der Kaiser am 3. Oktober 1865 gegen die Republikaner veröffentlichen ließ.
In dem Erlaß hieß es: "Fortan wird der Kampf nicht länger zwischen zwei
sich einander feindlich gegenüberstehenden Negicrungssystemen geführt, sondern
zwischen dem durch den Willen des Volkes gegründeten Kaiserreiche und zwischen
Verbrechern und Banditen, die das Land unsicher macheu." Tatsächlich wurde


Das Mexiko des porfino Diaz

dauernd Beschwerden, oft großen Schmerz verursacht, ihn aber nicht gehindert,
an sechs oder sieben Gefechten teilzunehmen. Die militärische Karriere von Diaz war
infolge seiner glänzenden Wasfentaten ungemein schnell. Schon im Jahre 1860 be¬
förderte ihn Juarez zum Obersten der mexikanischen Armee, 1861 zum Brigade¬
general, 1863 zum Divisionsgeneral, der höchsten Charge der mexikanischen Armee.
Im Jahre 1861 wurde er zum Abgeordneten des Kongresses gewählt. Während
der französischen Okkupation und der Kaiserzeit Maximilians hat Diaz wie ein
Löwe für die republikanische Sache gekämpft und sich besonders bei den Ver¬
teidigungen von Puebla und Oaxaca ausgezeichnet; schließlich mußte er sich
aber der Übermacht ergeben, da er keinen Entsatz erhielt, wurde gefangen ge¬
nommen, entfloh nach neunmonatiger Haft, sammelte die republikanischen Scharen
und trat den Franzosen wieder im Felde entgegen. Die Schilderung dieser
Episode in dem Diazschen Tagebuche ist von einer fabelhaften Lebendigkeit und
Anschaulichkeit und liefert den Beweis, daß Diaz auch als Schriftsteller be¬
sonders begabt ist. Eine edle nationale Begeisterung durchweht alle seine
Schilderungen von den Kämpfen für Mexikos Freiheit.

Mit dramatischer Wucht wird die Tragödie des Kaisers Maximilian ge¬
schildert. Der Anfang seiner Regierung war nicht ungünstig. Die blonde
Heldengestalt des Kaisers und die elegante Erscheinung der Kaiserin Charlotte
machten auf die Mexikaner einen begeisternden Eindruck, und alles wäre wohl
anders gekommen, wenn Napoleon der Dritte sein Wort gehalten, und wenn
der Kaiser bessere Ratgeber gehabt hätte. In dem Tweedieschen Werke wird
dies auch im allgemeinen richtig hervorgehoben, aber der Hauptfehler, den
Maximilian machte, wird nicht erwähnt. Er hatte es in der Hand, den
römischen Klerus, der durch die mexikanischen Reformgesetze fast das gesamte
Kirchenvermögen verloren hatte, durch Milderung dieser Gesetze an sich zu
fesseln und auf diese Weise die von den Priestern damals stark beeinflußten
Indianer für sich zu gewinnen. Statt dessen stützte sich Maximilian auf
Republikaner, die ihre Partei verräterischerweise verlassen hatten, tat nichts
für die Indianer und stieß den Klerus vor den Kopf. Erst als es zu spät war,
und die Franzosen das Land schon wieder verlassen hatten, suchte er die Geistlich¬
keit durch Versprechungen an sich zu fesseln, und auch hier war er mehr der
Geschobne als der schiebende. Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte Maximilian
nicht im letzten Moment seine Abreise nach Europa aufgegeben, wenn ihm nicht
die Klerikalen Geld und Truppen versprochen hätten. In Wahrheit belief sich
diese Beihilfe, wie Mrs. Tweedie richtig angibt, auf 50000 Pesos.

Die Peripetie für Maximilian trat ein mit dem Siege der amerikanischen
Nordstaaten über die Südstaaten und mit dem verhängnisvollen Erlaß, den
der Kaiser am 3. Oktober 1865 gegen die Republikaner veröffentlichen ließ.
In dem Erlaß hieß es: „Fortan wird der Kampf nicht länger zwischen zwei
sich einander feindlich gegenüberstehenden Negicrungssystemen geführt, sondern
zwischen dem durch den Willen des Volkes gegründeten Kaiserreiche und zwischen
Verbrechern und Banditen, die das Land unsicher macheu." Tatsächlich wurde


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[0240] Das Mexiko des porfino Diaz dauernd Beschwerden, oft großen Schmerz verursacht, ihn aber nicht gehindert, an sechs oder sieben Gefechten teilzunehmen. Die militärische Karriere von Diaz war infolge seiner glänzenden Wasfentaten ungemein schnell. Schon im Jahre 1860 be¬ förderte ihn Juarez zum Obersten der mexikanischen Armee, 1861 zum Brigade¬ general, 1863 zum Divisionsgeneral, der höchsten Charge der mexikanischen Armee. Im Jahre 1861 wurde er zum Abgeordneten des Kongresses gewählt. Während der französischen Okkupation und der Kaiserzeit Maximilians hat Diaz wie ein Löwe für die republikanische Sache gekämpft und sich besonders bei den Ver¬ teidigungen von Puebla und Oaxaca ausgezeichnet; schließlich mußte er sich aber der Übermacht ergeben, da er keinen Entsatz erhielt, wurde gefangen ge¬ nommen, entfloh nach neunmonatiger Haft, sammelte die republikanischen Scharen und trat den Franzosen wieder im Felde entgegen. Die Schilderung dieser Episode in dem Diazschen Tagebuche ist von einer fabelhaften Lebendigkeit und Anschaulichkeit und liefert den Beweis, daß Diaz auch als Schriftsteller be¬ sonders begabt ist. Eine edle nationale Begeisterung durchweht alle seine Schilderungen von den Kämpfen für Mexikos Freiheit. Mit dramatischer Wucht wird die Tragödie des Kaisers Maximilian ge¬ schildert. Der Anfang seiner Regierung war nicht ungünstig. Die blonde Heldengestalt des Kaisers und die elegante Erscheinung der Kaiserin Charlotte machten auf die Mexikaner einen begeisternden Eindruck, und alles wäre wohl anders gekommen, wenn Napoleon der Dritte sein Wort gehalten, und wenn der Kaiser bessere Ratgeber gehabt hätte. In dem Tweedieschen Werke wird dies auch im allgemeinen richtig hervorgehoben, aber der Hauptfehler, den Maximilian machte, wird nicht erwähnt. Er hatte es in der Hand, den römischen Klerus, der durch die mexikanischen Reformgesetze fast das gesamte Kirchenvermögen verloren hatte, durch Milderung dieser Gesetze an sich zu fesseln und auf diese Weise die von den Priestern damals stark beeinflußten Indianer für sich zu gewinnen. Statt dessen stützte sich Maximilian auf Republikaner, die ihre Partei verräterischerweise verlassen hatten, tat nichts für die Indianer und stieß den Klerus vor den Kopf. Erst als es zu spät war, und die Franzosen das Land schon wieder verlassen hatten, suchte er die Geistlich¬ keit durch Versprechungen an sich zu fesseln, und auch hier war er mehr der Geschobne als der schiebende. Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte Maximilian nicht im letzten Moment seine Abreise nach Europa aufgegeben, wenn ihm nicht die Klerikalen Geld und Truppen versprochen hätten. In Wahrheit belief sich diese Beihilfe, wie Mrs. Tweedie richtig angibt, auf 50000 Pesos. Die Peripetie für Maximilian trat ein mit dem Siege der amerikanischen Nordstaaten über die Südstaaten und mit dem verhängnisvollen Erlaß, den der Kaiser am 3. Oktober 1865 gegen die Republikaner veröffentlichen ließ. In dem Erlaß hieß es: „Fortan wird der Kampf nicht länger zwischen zwei sich einander feindlich gegenüberstehenden Negicrungssystemen geführt, sondern zwischen dem durch den Willen des Volkes gegründeten Kaiserreiche und zwischen Verbrechern und Banditen, die das Land unsicher macheu." Tatsächlich wurde

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/240>, abgerufen am 24.07.2024.