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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

individualistischen Bestrebungen zerfließt. Bei dem Charakter und der geschichtlichen
Entwicklung des deutschen Volkes kann das nur geschehen, wenn die konservativen
Grundlagen des Staatswesens erhalten bleiben. Andrerseits brauchen wir in den
Kolonien selbst einen kräftigen Individualismus, ein Unabhängigkeitsgefühl von
bureaukratischer Schablone, eine gesunde Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit an
neue Existenzbedingungen, Eigenschaften, die ihre Nahrung aus den liberalen Kreisen
der Heimat schöpfen müssen. Auch die wirtschaftlichen Interessen, die in der
Heimat so leicht zu Gegensätzen führen, mischen sich in der Kolonialwirtschaft in
harmonischer Weise. sozialpolitische Gegensätze sollten in diesem Neuland, wo die
Deutschen als eine geschlossene Schar von Herren den Eingebornen gegenüberstehn,
eine Unmöglichkeit sein. Keine der innern Ursachen unsrer Parteizerrissenheit trifft
auf die Verhältnisse in den Kolonien zu. Wohl aber haben wir alle ein gleich¬
mäßiges Interesse an der Erweiterung des Betätigungsraumes für unsre Nation.
Wie wir schon früher auseinandergesetzt haben, ist der Widerstand unsers radikalen
Liberalismus gegen die Kolonialbestrebungen eine Naturwidrigkeit und eine Jn-
konsequenz. Es ist sehr erfreulich, daß auch Fürst Bülow die einigende Kraft, die
in den Kolonialbestrebungen liegt, so stark hervorgehoben hat.

Eine weitere Sorge der nationalen Parteien liegt in der Erwägung, daß es
zwar vielleicht gelingen kann, der Sozialdemokratie, dem Zentrum, den Polen und
den Welsen so viel Sitze abzunehmen, daß sie zusammen nicht mehr die Mehrheit im
Reichstage haben, daß aber doch die Machtstellung des Zentrums nicht wesentlich
erschüttert werden wird. Demgegenüber haben wir schon in der vorigen Woche auf
die Broschüre des Professors von Savigny und den Düsseldorfer Aufruf der rhei¬
nischen Zentrumsuotabeln hingewiesen und daran die Meinung geknüpft, daß "das
Zentrum, auch wenn es in derselben Stärke wieder in den Reichstag einziehen sollte,
nach den jetzigen Erfahrungen über kurz oder laug einer innern Umwandlung nicht
wird entgehn können". Auch darauf möchten wir heute noch einmal zurückkommen.
Das Zentrum enthält -- das hat auch Fürst Bülow in seiner jüngsten Rede hervor¬
gehoben -- eine bunte Musterkarte von allen möglichen Anschauungen, die nur durch
das katholische Bekenntnis zusammengehalten werden. Es beruht auf Silbenstecherei,
wenn behauptet wird, die Partei sei trotzdem keine konfessionelle, weil das offizielle
Programm nur politische Forderungen enthält und nur solche, die auch von Nicht-
kntholiken unterschrieben werden können. Alle diese politischen Forderungen sind so
unbestimmt und dehnbar, daß sie praktisch niemals als Grundlage einer fest organi¬
sierten Partei verwandt werden könnten, wenn nicht ein unausgesprochnes, mächtigeres
Prinzip dahinterstünde. Während sich daher die Zentrumspresse, um den Vorwurf
der "konfessionellen Partei" abzuwehren, einerseits daran klammert, daß auch ein
Nichtkatholik Zentrumsmann sein könne, predigt sie andrerseits ganz ungescheut,
daß jeder Katholik Zentrumsmann sein müsse. Damit wird der Anspruch einer
^tretung spezifisch katholischer Anschauungen erhoben. Das hat die Partei während
och Kulturkampfs auf ihre Höhe geführt, hat sie unter geschickter Führung auf ihrer
Hohe erhalten, als der Staat seinen Frieden mit der katholischen Kirche machte, und
hat ihr endlich die ausschlaggebende Stellung Verschafft, als das Anwachsen der sozial-
demokratischen Fraktion im Reichstage die Parteiverhältntsse immer mehr zuungunsten
der nationalen Parteien verschob. Diese Entwicklung hatte eigentümliche Rückwirkungen
auf den Charakter und die innern Zustände der Partei. Einerseits stärkte der sichere
Machtbesitz die demagogischen Elemente, die der Kulturkampf großgezogen hatte, und
die der Partei unentbehrlich geworden waren, weil sie sich zur Erhaltung ihres Be¬
sitzes in jedem Wahlkampfe rücksichtslos auf die breiten Massen stützen mußte. Andrer¬
seits wußten die Führer sehr wohl, daß die Macht auch Pflichten auferlegte, und daß
man sich der Mitarbeit an den nationalen Aufgaben nicht entziehen durfte, um die


Grenzboten I 1807 29
Maßgebliches und Unmaßgebliches

individualistischen Bestrebungen zerfließt. Bei dem Charakter und der geschichtlichen
Entwicklung des deutschen Volkes kann das nur geschehen, wenn die konservativen
Grundlagen des Staatswesens erhalten bleiben. Andrerseits brauchen wir in den
Kolonien selbst einen kräftigen Individualismus, ein Unabhängigkeitsgefühl von
bureaukratischer Schablone, eine gesunde Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit an
neue Existenzbedingungen, Eigenschaften, die ihre Nahrung aus den liberalen Kreisen
der Heimat schöpfen müssen. Auch die wirtschaftlichen Interessen, die in der
Heimat so leicht zu Gegensätzen führen, mischen sich in der Kolonialwirtschaft in
harmonischer Weise. sozialpolitische Gegensätze sollten in diesem Neuland, wo die
Deutschen als eine geschlossene Schar von Herren den Eingebornen gegenüberstehn,
eine Unmöglichkeit sein. Keine der innern Ursachen unsrer Parteizerrissenheit trifft
auf die Verhältnisse in den Kolonien zu. Wohl aber haben wir alle ein gleich¬
mäßiges Interesse an der Erweiterung des Betätigungsraumes für unsre Nation.
Wie wir schon früher auseinandergesetzt haben, ist der Widerstand unsers radikalen
Liberalismus gegen die Kolonialbestrebungen eine Naturwidrigkeit und eine Jn-
konsequenz. Es ist sehr erfreulich, daß auch Fürst Bülow die einigende Kraft, die
in den Kolonialbestrebungen liegt, so stark hervorgehoben hat.

Eine weitere Sorge der nationalen Parteien liegt in der Erwägung, daß es
zwar vielleicht gelingen kann, der Sozialdemokratie, dem Zentrum, den Polen und
den Welsen so viel Sitze abzunehmen, daß sie zusammen nicht mehr die Mehrheit im
Reichstage haben, daß aber doch die Machtstellung des Zentrums nicht wesentlich
erschüttert werden wird. Demgegenüber haben wir schon in der vorigen Woche auf
die Broschüre des Professors von Savigny und den Düsseldorfer Aufruf der rhei¬
nischen Zentrumsuotabeln hingewiesen und daran die Meinung geknüpft, daß „das
Zentrum, auch wenn es in derselben Stärke wieder in den Reichstag einziehen sollte,
nach den jetzigen Erfahrungen über kurz oder laug einer innern Umwandlung nicht
wird entgehn können". Auch darauf möchten wir heute noch einmal zurückkommen.
Das Zentrum enthält — das hat auch Fürst Bülow in seiner jüngsten Rede hervor¬
gehoben — eine bunte Musterkarte von allen möglichen Anschauungen, die nur durch
das katholische Bekenntnis zusammengehalten werden. Es beruht auf Silbenstecherei,
wenn behauptet wird, die Partei sei trotzdem keine konfessionelle, weil das offizielle
Programm nur politische Forderungen enthält und nur solche, die auch von Nicht-
kntholiken unterschrieben werden können. Alle diese politischen Forderungen sind so
unbestimmt und dehnbar, daß sie praktisch niemals als Grundlage einer fest organi¬
sierten Partei verwandt werden könnten, wenn nicht ein unausgesprochnes, mächtigeres
Prinzip dahinterstünde. Während sich daher die Zentrumspresse, um den Vorwurf
der „konfessionellen Partei" abzuwehren, einerseits daran klammert, daß auch ein
Nichtkatholik Zentrumsmann sein könne, predigt sie andrerseits ganz ungescheut,
daß jeder Katholik Zentrumsmann sein müsse. Damit wird der Anspruch einer
^tretung spezifisch katholischer Anschauungen erhoben. Das hat die Partei während
och Kulturkampfs auf ihre Höhe geführt, hat sie unter geschickter Führung auf ihrer
Hohe erhalten, als der Staat seinen Frieden mit der katholischen Kirche machte, und
hat ihr endlich die ausschlaggebende Stellung Verschafft, als das Anwachsen der sozial-
demokratischen Fraktion im Reichstage die Parteiverhältntsse immer mehr zuungunsten
der nationalen Parteien verschob. Diese Entwicklung hatte eigentümliche Rückwirkungen
auf den Charakter und die innern Zustände der Partei. Einerseits stärkte der sichere
Machtbesitz die demagogischen Elemente, die der Kulturkampf großgezogen hatte, und
die der Partei unentbehrlich geworden waren, weil sie sich zur Erhaltung ihres Be¬
sitzes in jedem Wahlkampfe rücksichtslos auf die breiten Massen stützen mußte. Andrer¬
seits wußten die Führer sehr wohl, daß die Macht auch Pflichten auferlegte, und daß
man sich der Mitarbeit an den nationalen Aufgaben nicht entziehen durfte, um die


Grenzboten I 1807 29
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[0229] Maßgebliches und Unmaßgebliches individualistischen Bestrebungen zerfließt. Bei dem Charakter und der geschichtlichen Entwicklung des deutschen Volkes kann das nur geschehen, wenn die konservativen Grundlagen des Staatswesens erhalten bleiben. Andrerseits brauchen wir in den Kolonien selbst einen kräftigen Individualismus, ein Unabhängigkeitsgefühl von bureaukratischer Schablone, eine gesunde Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit an neue Existenzbedingungen, Eigenschaften, die ihre Nahrung aus den liberalen Kreisen der Heimat schöpfen müssen. Auch die wirtschaftlichen Interessen, die in der Heimat so leicht zu Gegensätzen führen, mischen sich in der Kolonialwirtschaft in harmonischer Weise. sozialpolitische Gegensätze sollten in diesem Neuland, wo die Deutschen als eine geschlossene Schar von Herren den Eingebornen gegenüberstehn, eine Unmöglichkeit sein. Keine der innern Ursachen unsrer Parteizerrissenheit trifft auf die Verhältnisse in den Kolonien zu. Wohl aber haben wir alle ein gleich¬ mäßiges Interesse an der Erweiterung des Betätigungsraumes für unsre Nation. Wie wir schon früher auseinandergesetzt haben, ist der Widerstand unsers radikalen Liberalismus gegen die Kolonialbestrebungen eine Naturwidrigkeit und eine Jn- konsequenz. Es ist sehr erfreulich, daß auch Fürst Bülow die einigende Kraft, die in den Kolonialbestrebungen liegt, so stark hervorgehoben hat. Eine weitere Sorge der nationalen Parteien liegt in der Erwägung, daß es zwar vielleicht gelingen kann, der Sozialdemokratie, dem Zentrum, den Polen und den Welsen so viel Sitze abzunehmen, daß sie zusammen nicht mehr die Mehrheit im Reichstage haben, daß aber doch die Machtstellung des Zentrums nicht wesentlich erschüttert werden wird. Demgegenüber haben wir schon in der vorigen Woche auf die Broschüre des Professors von Savigny und den Düsseldorfer Aufruf der rhei¬ nischen Zentrumsuotabeln hingewiesen und daran die Meinung geknüpft, daß „das Zentrum, auch wenn es in derselben Stärke wieder in den Reichstag einziehen sollte, nach den jetzigen Erfahrungen über kurz oder laug einer innern Umwandlung nicht wird entgehn können". Auch darauf möchten wir heute noch einmal zurückkommen. Das Zentrum enthält — das hat auch Fürst Bülow in seiner jüngsten Rede hervor¬ gehoben — eine bunte Musterkarte von allen möglichen Anschauungen, die nur durch das katholische Bekenntnis zusammengehalten werden. Es beruht auf Silbenstecherei, wenn behauptet wird, die Partei sei trotzdem keine konfessionelle, weil das offizielle Programm nur politische Forderungen enthält und nur solche, die auch von Nicht- kntholiken unterschrieben werden können. Alle diese politischen Forderungen sind so unbestimmt und dehnbar, daß sie praktisch niemals als Grundlage einer fest organi¬ sierten Partei verwandt werden könnten, wenn nicht ein unausgesprochnes, mächtigeres Prinzip dahinterstünde. Während sich daher die Zentrumspresse, um den Vorwurf der „konfessionellen Partei" abzuwehren, einerseits daran klammert, daß auch ein Nichtkatholik Zentrumsmann sein könne, predigt sie andrerseits ganz ungescheut, daß jeder Katholik Zentrumsmann sein müsse. Damit wird der Anspruch einer ^tretung spezifisch katholischer Anschauungen erhoben. Das hat die Partei während och Kulturkampfs auf ihre Höhe geführt, hat sie unter geschickter Führung auf ihrer Hohe erhalten, als der Staat seinen Frieden mit der katholischen Kirche machte, und hat ihr endlich die ausschlaggebende Stellung Verschafft, als das Anwachsen der sozial- demokratischen Fraktion im Reichstage die Parteiverhältntsse immer mehr zuungunsten der nationalen Parteien verschob. Diese Entwicklung hatte eigentümliche Rückwirkungen auf den Charakter und die innern Zustände der Partei. Einerseits stärkte der sichere Machtbesitz die demagogischen Elemente, die der Kulturkampf großgezogen hatte, und die der Partei unentbehrlich geworden waren, weil sie sich zur Erhaltung ihres Be¬ sitzes in jedem Wahlkampfe rücksichtslos auf die breiten Massen stützen mußte. Andrer¬ seits wußten die Führer sehr wohl, daß die Macht auch Pflichten auferlegte, und daß man sich der Mitarbeit an den nationalen Aufgaben nicht entziehen durfte, um die Grenzboten I 1807 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/229>, abgerufen am 24.07.2024.