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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Am Fucmer See

Zwischen Scurcola und Tagliacozzv trafen die Heere aufeinander, Karl
hatte nur dreitausend, Konradin fünftausend Ritter bei sich. Im Gefolge Karls
aber war ein alter Haudegen, der französische Baron Alard de Senne-Valery,
der eben aus dem Heiligen Lande zurückgekehrt war, wo er sich trotz seinem
grauen Haupte noch weidlich mit den Sarazenen herumgeschlagen hatte. Der
wog, wie sich nur zu bald zeigte, mit seiner Verschlagenheit die zweitausend Ritter
reichlich auf, die seinem Herrn fehlten. Er gab ihm den Rat, sein Heer in
drei Teile zu teilen. Den ersten bildeten die Provenzalen, Tosccmer und
Kampaner unter dem Befehl des Herzogs Heinrich von Cousence. Dieser Herzog
hatte eine große Ähnlichkeit mit Karl und legte auf sein Geheiß das königliche
Gewand an mit den königlichen Abzeichen. Das zweite Treffen bestand aus
Franzosen unter Johann von Crari. Diese beiden Scharen stellte Karl bei der
Brücke zur Verteidigung des Flüßchens Jacke auf. das die Ebene von Tagliacozzv
in weitem Bogen durchzieht. Der König mit Saint-Vcilerh und achthundert
Rittern verbarg sich in einem Seitental, um dem Gegner in die Flanke oder
in den Rücken zu fallen.

Konradin teilte die Seinen ebenfalls in drei Treffen. Der Herzog von
Österreich befehligte die Deutschen, Graf Lancia die Italiener, Heinrich von
Kastilien die Spanier.

Das deutsche Heer setzte über den Fluß und warf zuerst die Provenzalen,
dann auch die Franzosen. Karl sah auf einem Hügel aus sicherm Versteck diese
schlimme Wendung und wollte losbrechen. Aber Saint-Valery hielt ihn zurück,
es sei noch nicht an der Zeit. Die Deutschen fanden auf dem Schlachtfeld einen
Ritter in königliche" Gewändern tot -- es war Heinrich von Cousence, der sich
in echter Lehnstreue für seinen Herrn geopfert hatte. Sie hielten ihn für Karl
von Anjou. Nun war am Siege nicht zu zweifeln. Sie lösten die Reihen und
verstreuten sich über das Gelände, um das feindliche Lager zu plündern. "Jetzt
ist es an der Zeit!" sprach Saint-Valery und ließ die Banner entrolle". Die
achthundert frischen Reiter stürzten sich auf die von, Kampf ermatteten Deutschen
und richteten ein großes Blutbad an. Konradin mit dem Herzog von Österreich,
mit Lancia und andern Anführern floh. Am Strand von Astura erreichte er
das Meer und bestieg eine Barke, um sich in sein Erbland Sizilien zu retten.
Aber Johann Frcmgipcme, Herr von Astura, verfolgte ihn zu Schiff, nahm ihn
gefangen und lieferte ihn Karl von Anjou aus. Am 29. Oktober 1268 wurde
Konradin in Neapel auf der Piazza del Mercato enthauptet.

Wohl dachte ich auf Schritt und Tritt an die fürchterliche Schlacht, die
hier einst gewütet hatte, als ich nach Scurcola kam und dann, als ich mit dein
Mittagszug über den Jacke nach Tagliacozzv fuhr. Aber dazwischen freute ich
mich doch wieder der heitern Gegenwart. In einer Schenke in Scurcola kredenzte
mir zu meinem frugalen Frühstück, das ich mit mir führte, ein junges, sehr
hübsches Mädchen köstlichen Wein. In der Tracht des Ortes -- schwarzem
Mieder über gesattelten Hemd und kurzem Bauscherock -- vor mir stehend,


Am Fucmer See

Zwischen Scurcola und Tagliacozzv trafen die Heere aufeinander, Karl
hatte nur dreitausend, Konradin fünftausend Ritter bei sich. Im Gefolge Karls
aber war ein alter Haudegen, der französische Baron Alard de Senne-Valery,
der eben aus dem Heiligen Lande zurückgekehrt war, wo er sich trotz seinem
grauen Haupte noch weidlich mit den Sarazenen herumgeschlagen hatte. Der
wog, wie sich nur zu bald zeigte, mit seiner Verschlagenheit die zweitausend Ritter
reichlich auf, die seinem Herrn fehlten. Er gab ihm den Rat, sein Heer in
drei Teile zu teilen. Den ersten bildeten die Provenzalen, Tosccmer und
Kampaner unter dem Befehl des Herzogs Heinrich von Cousence. Dieser Herzog
hatte eine große Ähnlichkeit mit Karl und legte auf sein Geheiß das königliche
Gewand an mit den königlichen Abzeichen. Das zweite Treffen bestand aus
Franzosen unter Johann von Crari. Diese beiden Scharen stellte Karl bei der
Brücke zur Verteidigung des Flüßchens Jacke auf. das die Ebene von Tagliacozzv
in weitem Bogen durchzieht. Der König mit Saint-Vcilerh und achthundert
Rittern verbarg sich in einem Seitental, um dem Gegner in die Flanke oder
in den Rücken zu fallen.

Konradin teilte die Seinen ebenfalls in drei Treffen. Der Herzog von
Österreich befehligte die Deutschen, Graf Lancia die Italiener, Heinrich von
Kastilien die Spanier.

Das deutsche Heer setzte über den Fluß und warf zuerst die Provenzalen,
dann auch die Franzosen. Karl sah auf einem Hügel aus sicherm Versteck diese
schlimme Wendung und wollte losbrechen. Aber Saint-Valery hielt ihn zurück,
es sei noch nicht an der Zeit. Die Deutschen fanden auf dem Schlachtfeld einen
Ritter in königliche» Gewändern tot — es war Heinrich von Cousence, der sich
in echter Lehnstreue für seinen Herrn geopfert hatte. Sie hielten ihn für Karl
von Anjou. Nun war am Siege nicht zu zweifeln. Sie lösten die Reihen und
verstreuten sich über das Gelände, um das feindliche Lager zu plündern. „Jetzt
ist es an der Zeit!" sprach Saint-Valery und ließ die Banner entrolle». Die
achthundert frischen Reiter stürzten sich auf die von, Kampf ermatteten Deutschen
und richteten ein großes Blutbad an. Konradin mit dem Herzog von Österreich,
mit Lancia und andern Anführern floh. Am Strand von Astura erreichte er
das Meer und bestieg eine Barke, um sich in sein Erbland Sizilien zu retten.
Aber Johann Frcmgipcme, Herr von Astura, verfolgte ihn zu Schiff, nahm ihn
gefangen und lieferte ihn Karl von Anjou aus. Am 29. Oktober 1268 wurde
Konradin in Neapel auf der Piazza del Mercato enthauptet.

Wohl dachte ich auf Schritt und Tritt an die fürchterliche Schlacht, die
hier einst gewütet hatte, als ich nach Scurcola kam und dann, als ich mit dein
Mittagszug über den Jacke nach Tagliacozzv fuhr. Aber dazwischen freute ich
mich doch wieder der heitern Gegenwart. In einer Schenke in Scurcola kredenzte
mir zu meinem frugalen Frühstück, das ich mit mir führte, ein junges, sehr
hübsches Mädchen köstlichen Wein. In der Tracht des Ortes — schwarzem
Mieder über gesattelten Hemd und kurzem Bauscherock — vor mir stehend,


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[0216] Am Fucmer See Zwischen Scurcola und Tagliacozzv trafen die Heere aufeinander, Karl hatte nur dreitausend, Konradin fünftausend Ritter bei sich. Im Gefolge Karls aber war ein alter Haudegen, der französische Baron Alard de Senne-Valery, der eben aus dem Heiligen Lande zurückgekehrt war, wo er sich trotz seinem grauen Haupte noch weidlich mit den Sarazenen herumgeschlagen hatte. Der wog, wie sich nur zu bald zeigte, mit seiner Verschlagenheit die zweitausend Ritter reichlich auf, die seinem Herrn fehlten. Er gab ihm den Rat, sein Heer in drei Teile zu teilen. Den ersten bildeten die Provenzalen, Tosccmer und Kampaner unter dem Befehl des Herzogs Heinrich von Cousence. Dieser Herzog hatte eine große Ähnlichkeit mit Karl und legte auf sein Geheiß das königliche Gewand an mit den königlichen Abzeichen. Das zweite Treffen bestand aus Franzosen unter Johann von Crari. Diese beiden Scharen stellte Karl bei der Brücke zur Verteidigung des Flüßchens Jacke auf. das die Ebene von Tagliacozzv in weitem Bogen durchzieht. Der König mit Saint-Vcilerh und achthundert Rittern verbarg sich in einem Seitental, um dem Gegner in die Flanke oder in den Rücken zu fallen. Konradin teilte die Seinen ebenfalls in drei Treffen. Der Herzog von Österreich befehligte die Deutschen, Graf Lancia die Italiener, Heinrich von Kastilien die Spanier. Das deutsche Heer setzte über den Fluß und warf zuerst die Provenzalen, dann auch die Franzosen. Karl sah auf einem Hügel aus sicherm Versteck diese schlimme Wendung und wollte losbrechen. Aber Saint-Valery hielt ihn zurück, es sei noch nicht an der Zeit. Die Deutschen fanden auf dem Schlachtfeld einen Ritter in königliche» Gewändern tot — es war Heinrich von Cousence, der sich in echter Lehnstreue für seinen Herrn geopfert hatte. Sie hielten ihn für Karl von Anjou. Nun war am Siege nicht zu zweifeln. Sie lösten die Reihen und verstreuten sich über das Gelände, um das feindliche Lager zu plündern. „Jetzt ist es an der Zeit!" sprach Saint-Valery und ließ die Banner entrolle». Die achthundert frischen Reiter stürzten sich auf die von, Kampf ermatteten Deutschen und richteten ein großes Blutbad an. Konradin mit dem Herzog von Österreich, mit Lancia und andern Anführern floh. Am Strand von Astura erreichte er das Meer und bestieg eine Barke, um sich in sein Erbland Sizilien zu retten. Aber Johann Frcmgipcme, Herr von Astura, verfolgte ihn zu Schiff, nahm ihn gefangen und lieferte ihn Karl von Anjou aus. Am 29. Oktober 1268 wurde Konradin in Neapel auf der Piazza del Mercato enthauptet. Wohl dachte ich auf Schritt und Tritt an die fürchterliche Schlacht, die hier einst gewütet hatte, als ich nach Scurcola kam und dann, als ich mit dein Mittagszug über den Jacke nach Tagliacozzv fuhr. Aber dazwischen freute ich mich doch wieder der heitern Gegenwart. In einer Schenke in Scurcola kredenzte mir zu meinem frugalen Frühstück, das ich mit mir führte, ein junges, sehr hübsches Mädchen köstlichen Wein. In der Tracht des Ortes — schwarzem Mieder über gesattelten Hemd und kurzem Bauscherock — vor mir stehend,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/216>, abgerufen am 24.07.2024.