Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.Der Pangermanismus Verfasser sieht in allem, was die deutsche Regierung unternimmt, seien es Handels¬ Zunächst betrachtet der Verfasser die Beziehungen zu Österreich-Ungarn. In derselben Weise behandelt Hauptmann Coquelin unser Verhältnis zur Bei Holland führt der Verfasser zunächst an, daß schon seit 1815 zahlreiche Der Pangermanismus Verfasser sieht in allem, was die deutsche Regierung unternimmt, seien es Handels¬ Zunächst betrachtet der Verfasser die Beziehungen zu Österreich-Ungarn. In derselben Weise behandelt Hauptmann Coquelin unser Verhältnis zur Bei Holland führt der Verfasser zunächst an, daß schon seit 1815 zahlreiche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0184" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301438"/> <fw type="header" place="top"> Der Pangermanismus</fw><lb/> <p xml:id="ID_638" prev="#ID_637"> Verfasser sieht in allem, was die deutsche Regierung unternimmt, seien es Handels¬<lb/> verträge, Kanalverbindungen, Schiffahrtsverbindungen usw., nur die methodische<lb/> Ausführung des Programms der Hohenzollern, die Oberherrschaft Deutschlands<lb/> zu erlangen und die wirkliche Schaffung des deutschen Kaiserreichs zu vollenden.</p><lb/> <p xml:id="ID_639"> Zunächst betrachtet der Verfasser die Beziehungen zu Österreich-Ungarn.<lb/> Alle Verträge, die Deutschland mit Österreich-Ungarn geschlossen hat, sollen<lb/> nach des Verfassers Ansicht diesem Zwecke dienen, so die Handelsverträge, die<lb/> Verstaatlichung aller deutschen Eisenbahnen, die die Ursache sei, daß fast die<lb/> ganze österreichische Ausfuhr über deutsche Häfen gehe und namentlich Hamburg<lb/> benutze. Dazu rechnet der Verfasser ferner die Anlage der Wasserstraßen in<lb/> Deutschland zwischen Main, Elbe, Oder und Donau. Der Elbe-Donau-Kanal<lb/> sei noch nicht fertig, aber doch in Ausführung und würde eine Versendung der<lb/> Waren von Hamburg bis in das Schwarze Meer gestatten, ohne Umladung.<lb/> Ähnlich beurteilt der Verfasser die Bankverhältnisse beider Länder, die Zollver¬<lb/> einigungen, die man anstrebt, die Gründung zahlreicher Vereine, wie die Böh¬<lb/> mische Gesellschaft, die Gesellschaft der Deutschen Österreichs, die Wiener Gesell¬<lb/> schaft der deutschen Schulen, die Erwerbung österreichischer Zeitungen durch<lb/> Deutsche, die Gründung pangermanistischer Zeitungen seit 1895 in Österreich-<lb/> Ungarn. Auch der katholische Bischof Kopp, den der Verfasser einen Freund<lb/> Wilhelms des Zweiten nennt, arbeite mit und habe in Österreich-Schlesien ein<lb/> großes, Seminar zur Bildung einer pangermanistischen Geistlichkeit gegründet.<lb/> Auch die Tätigkeit des Evangelischen Vereins mit dem Schlachtruf „Los von<lb/> Rom" wird nicht vergessen. Die Pangermanisten hätten es sich auch angelegen<lb/> sein lassen, die Juden in Österreich für sich zu gewinnen, den Zwiespalt zwischen<lb/> Deutschen, Slawen, Magyaren, der immer bestanden habe, für den Pangerma¬<lb/> nismus auszunutzen, die systematische Obstruktion und die heftigen Kämpfe in<lb/> den Kammern anzuregen, um eine Besetzung Österreichs durch deutsche Heere<lb/> zu erreichen. Die Vorfälle in Prag, kurz alles, was in Österreich in den letzten<lb/> Jahrzehnten vorgekommen ist, wird absichtlichen deutschem Einfluß zugeschrieben.</p><lb/> <p xml:id="ID_640"> In derselben Weise behandelt Hauptmann Coquelin unser Verhältnis zur<lb/> Schweiz. Die Gvtthardlinie habe uns große Vorteile, Frankreich große Nach¬<lb/> teile gebracht, in den schweizerischen Eisenbahndirektiouen befänden sich Deutsche,<lb/> die Universität Zürich sei eine Succursale der deutschen Universitäten, und im<lb/> Juli 1902 habe ein Züricher Universitütsprofessvr eine Rede gehalten, in der<lb/> er die Annexion der Schweiz an das Deutsche Reich empfahl, und diesen Agenten<lb/> Deutschlands auszuweisen, dazu hätte sich die Schweizer Regierung nicht stark<lb/> genug gefühlt. Die Auswanderung Deutscher in die Schweiz werde durch<lb/> deutsche diplomatische Agenten geleitet. Die Zeitungen stünden unter deutschem<lb/> Einfluß. Die Züricher Zeitung empfehle einen Zollanschluß der Schweiz an das<lb/> Hohcnzollernreich, ähnlich dem, den Luxemburg mit Deutschland gemacht habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_641" next="#ID_642"> Bei Holland führt der Verfasser zunächst an, daß schon seit 1815 zahlreiche<lb/> deutsche Schriftsteller die Notwendigkeit eines Wiederanschlusses vou Holland</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0184]
Der Pangermanismus
Verfasser sieht in allem, was die deutsche Regierung unternimmt, seien es Handels¬
verträge, Kanalverbindungen, Schiffahrtsverbindungen usw., nur die methodische
Ausführung des Programms der Hohenzollern, die Oberherrschaft Deutschlands
zu erlangen und die wirkliche Schaffung des deutschen Kaiserreichs zu vollenden.
Zunächst betrachtet der Verfasser die Beziehungen zu Österreich-Ungarn.
Alle Verträge, die Deutschland mit Österreich-Ungarn geschlossen hat, sollen
nach des Verfassers Ansicht diesem Zwecke dienen, so die Handelsverträge, die
Verstaatlichung aller deutschen Eisenbahnen, die die Ursache sei, daß fast die
ganze österreichische Ausfuhr über deutsche Häfen gehe und namentlich Hamburg
benutze. Dazu rechnet der Verfasser ferner die Anlage der Wasserstraßen in
Deutschland zwischen Main, Elbe, Oder und Donau. Der Elbe-Donau-Kanal
sei noch nicht fertig, aber doch in Ausführung und würde eine Versendung der
Waren von Hamburg bis in das Schwarze Meer gestatten, ohne Umladung.
Ähnlich beurteilt der Verfasser die Bankverhältnisse beider Länder, die Zollver¬
einigungen, die man anstrebt, die Gründung zahlreicher Vereine, wie die Böh¬
mische Gesellschaft, die Gesellschaft der Deutschen Österreichs, die Wiener Gesell¬
schaft der deutschen Schulen, die Erwerbung österreichischer Zeitungen durch
Deutsche, die Gründung pangermanistischer Zeitungen seit 1895 in Österreich-
Ungarn. Auch der katholische Bischof Kopp, den der Verfasser einen Freund
Wilhelms des Zweiten nennt, arbeite mit und habe in Österreich-Schlesien ein
großes, Seminar zur Bildung einer pangermanistischen Geistlichkeit gegründet.
Auch die Tätigkeit des Evangelischen Vereins mit dem Schlachtruf „Los von
Rom" wird nicht vergessen. Die Pangermanisten hätten es sich auch angelegen
sein lassen, die Juden in Österreich für sich zu gewinnen, den Zwiespalt zwischen
Deutschen, Slawen, Magyaren, der immer bestanden habe, für den Pangerma¬
nismus auszunutzen, die systematische Obstruktion und die heftigen Kämpfe in
den Kammern anzuregen, um eine Besetzung Österreichs durch deutsche Heere
zu erreichen. Die Vorfälle in Prag, kurz alles, was in Österreich in den letzten
Jahrzehnten vorgekommen ist, wird absichtlichen deutschem Einfluß zugeschrieben.
In derselben Weise behandelt Hauptmann Coquelin unser Verhältnis zur
Schweiz. Die Gvtthardlinie habe uns große Vorteile, Frankreich große Nach¬
teile gebracht, in den schweizerischen Eisenbahndirektiouen befänden sich Deutsche,
die Universität Zürich sei eine Succursale der deutschen Universitäten, und im
Juli 1902 habe ein Züricher Universitütsprofessvr eine Rede gehalten, in der
er die Annexion der Schweiz an das Deutsche Reich empfahl, und diesen Agenten
Deutschlands auszuweisen, dazu hätte sich die Schweizer Regierung nicht stark
genug gefühlt. Die Auswanderung Deutscher in die Schweiz werde durch
deutsche diplomatische Agenten geleitet. Die Zeitungen stünden unter deutschem
Einfluß. Die Züricher Zeitung empfehle einen Zollanschluß der Schweiz an das
Hohcnzollernreich, ähnlich dem, den Luxemburg mit Deutschland gemacht habe.
Bei Holland führt der Verfasser zunächst an, daß schon seit 1815 zahlreiche
deutsche Schriftsteller die Notwendigkeit eines Wiederanschlusses vou Holland
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