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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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durchaus ein Anhänger der frühern Verhältnisse. Nach seinen feudalen An¬
sichten war der Bauer eigentlich gar kein Mensch. Da aber der große König
gerade in den Bauern sehr wichtige Menschen sah und in dieser Überzeugung
in dem wiedergewonnenen Schlesien Einrichtungen getroffen hatte, die die
Bauern vou manchem harten Druck erlöste", dem sie seit Jahrhunderten unter
der österreichischen Herrschaft ausgesetzt gewesen waren, so war eben dieser
Umstand geeignet, den Baron mit tiefer Abneigung gegen den König und die
preußische Herrschaft überhaupt zu erfüllen. Schon 1756 hatte er diese Ab¬
neigung offen ausgesprochen, und auch später, als sich in Böhmen österreichische
Truppen zum Feldzuge gegen Preußen sammelten, hatte er geäußert, wenn
die Österreicher nur erst Schlesien wieder hätten, so könne man das Bauern¬
pack zu Paaren treiben. Sein Preußenhaß war noch gestiegen, als ihm später,
wie aus einem vertraulichen Schreiben des Ministers von Schlabrendorf um
den Kabiuettsrat Eichel vom 24. August 1761 hervorgeht, infolge von Aus¬
schreitungen preußischer Gardereiter etwa achtzehnhundert Schafe und Hammel
fortgetrieben worden waren.

Am 4. August 1761 war der König, der einen Angriff Laudons bei
Schönbrunn erwartete, zum erstenmal der Gast des Barons, bei dem er eine
Nacht zubrachte. Die Behauptung jedoch, daß Warkotsch damals schon einen
Anschlag gegen des Königs Person beabsichtigt habe, und daß dieses Unter¬
nehmen nur durch eiuen Zufall vereitelt worden sei, läßt sich mit Sicherheit
nicht erweisen. Übrigens verbarg Warkotsch seine Abneigung hinter der Maske
der Loyalität und machte sich bei dem König zum Beispiel dadurch beliebt,
daß er ihm in das Vunzelwitzer Hnugerlager erlesne Gartenfrüchte u. dergl.
sandte. Am Abend des 5. Novembers desselben Jahres traf Friedrich, der
nach dem Falle von Schweidnitz aus seinem Lager bei Münsterberg nach
Strehlen abgerückt war, in Begleitung des Markgrafen Karl und des General¬
adjutanten von Krusemark zum zweitenmal in Schönbrunn ein. Noch in der
Nacht aber erbat er sich von Warkotsch einen zuverlässigen Führer, der ihn
nach Strehlen bringen könnte. Dieser Mann war der Jäger des Barons,
mit Namen Matthias Kappel, geboren am 15. Januar 1726, ein katholischer
Böhme aus Mitrowitz bei Kolin, derselbe Mann, durch dessen Hilfe Friedrich
später den Anschlügen des Verräters entrinnen sollte.

Der König hatte nicht in Strehlen selbst, sondern in dem Dorfe Woisel-
witz Quartier genommen. Das Dorf stieß unmittelbar an die Stadt. An der
Südseite der Dorfstraße stand ein massives, einstöckiges Haus, das dem Ban¬
inspektor Brucktampf gehörte. Dort bezog der König eine Wohnung. In
dem Nebenhause wohnte der Postmeister Stiller. Hinter beiden Häusern lagen
Gärten, die bis zur Ohlau reichten. Dieser Fluß war dort für gewöhnlich
sehr schmal und seicht, bot also für eine Schar kühner Abenteurer kein Hinder¬
nis, um so weniger, als auch in der Nähe eine Brücke vorhanden war- Jenseits
des Wassers dehnten sich Felder aus, aus denen sich zahlreiche waldbedeckte


durchaus ein Anhänger der frühern Verhältnisse. Nach seinen feudalen An¬
sichten war der Bauer eigentlich gar kein Mensch. Da aber der große König
gerade in den Bauern sehr wichtige Menschen sah und in dieser Überzeugung
in dem wiedergewonnenen Schlesien Einrichtungen getroffen hatte, die die
Bauern vou manchem harten Druck erlöste», dem sie seit Jahrhunderten unter
der österreichischen Herrschaft ausgesetzt gewesen waren, so war eben dieser
Umstand geeignet, den Baron mit tiefer Abneigung gegen den König und die
preußische Herrschaft überhaupt zu erfüllen. Schon 1756 hatte er diese Ab¬
neigung offen ausgesprochen, und auch später, als sich in Böhmen österreichische
Truppen zum Feldzuge gegen Preußen sammelten, hatte er geäußert, wenn
die Österreicher nur erst Schlesien wieder hätten, so könne man das Bauern¬
pack zu Paaren treiben. Sein Preußenhaß war noch gestiegen, als ihm später,
wie aus einem vertraulichen Schreiben des Ministers von Schlabrendorf um
den Kabiuettsrat Eichel vom 24. August 1761 hervorgeht, infolge von Aus¬
schreitungen preußischer Gardereiter etwa achtzehnhundert Schafe und Hammel
fortgetrieben worden waren.

Am 4. August 1761 war der König, der einen Angriff Laudons bei
Schönbrunn erwartete, zum erstenmal der Gast des Barons, bei dem er eine
Nacht zubrachte. Die Behauptung jedoch, daß Warkotsch damals schon einen
Anschlag gegen des Königs Person beabsichtigt habe, und daß dieses Unter¬
nehmen nur durch eiuen Zufall vereitelt worden sei, läßt sich mit Sicherheit
nicht erweisen. Übrigens verbarg Warkotsch seine Abneigung hinter der Maske
der Loyalität und machte sich bei dem König zum Beispiel dadurch beliebt,
daß er ihm in das Vunzelwitzer Hnugerlager erlesne Gartenfrüchte u. dergl.
sandte. Am Abend des 5. Novembers desselben Jahres traf Friedrich, der
nach dem Falle von Schweidnitz aus seinem Lager bei Münsterberg nach
Strehlen abgerückt war, in Begleitung des Markgrafen Karl und des General¬
adjutanten von Krusemark zum zweitenmal in Schönbrunn ein. Noch in der
Nacht aber erbat er sich von Warkotsch einen zuverlässigen Führer, der ihn
nach Strehlen bringen könnte. Dieser Mann war der Jäger des Barons,
mit Namen Matthias Kappel, geboren am 15. Januar 1726, ein katholischer
Böhme aus Mitrowitz bei Kolin, derselbe Mann, durch dessen Hilfe Friedrich
später den Anschlügen des Verräters entrinnen sollte.

Der König hatte nicht in Strehlen selbst, sondern in dem Dorfe Woisel-
witz Quartier genommen. Das Dorf stieß unmittelbar an die Stadt. An der
Südseite der Dorfstraße stand ein massives, einstöckiges Haus, das dem Ban¬
inspektor Brucktampf gehörte. Dort bezog der König eine Wohnung. In
dem Nebenhause wohnte der Postmeister Stiller. Hinter beiden Häusern lagen
Gärten, die bis zur Ohlau reichten. Dieser Fluß war dort für gewöhnlich
sehr schmal und seicht, bot also für eine Schar kühner Abenteurer kein Hinder¬
nis, um so weniger, als auch in der Nähe eine Brücke vorhanden war- Jenseits
des Wassers dehnten sich Felder aus, aus denen sich zahlreiche waldbedeckte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/102>, abgerufen am 24.07.2024.