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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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König Friedrich der Große und der Baron warkotsch

die ihm noch verblichnen Festungen zu schützen. Deshalb bezog er am 5. Oktober
1761, um Breslau und Reiße zu decken, ein Lager bei Strehlen und wartete
dort in Verteidigungsstellung auf den Zuzug der Truppen Platens, der gegen
die Russen bei Kolberg operieren sollte. Sein nächstes Ziel war die Wieder-
eroberung von Schweiduitz. In dieser trübseligen Zeit, während der er den
Streitlüsten Laudons untätig gegenüberlag, der zwischen Freiburg und Bögen¬
dorf an das Gebirge gelehnt stand, hatten der Baron Warkotsch und sein
Genosse Schmidt den hochverräterischen Plan gefaßt, den König aus seinem
Hauptquartier durch österreichische Truppen aufheben zu lassei,. Es ist hier
nicht nötig, auf die furchtbaren Folgen hinzuweisen, die ein Gelingen des
Verrath für den preußischen Staat notwendig hätte haben müssen. Der König
entrann dem Verderben noch in der letzten Stunde durch eine glückliche Ver¬
kettung von Umstünden.

Der Baron Heinrich Gottlob von Warkotsch stammte aus einem alten,
seit dem fünfzehnten Jahrhundert bekannten schlesischen Geschlechte, dessen
Name sich von dein Dorfe desselben Namens im Kreise Strehlen herleitet.
Obwohl die Familie in der Strehlener Gegend noch zu König Friedrichs Zeit
mehrere Güter besaß, hatte Warkotsch, der als jüngerer Sohn um 1706 ge¬
boren war, ungeachtet seines protestantischen Bekenntnisses österreichische Dienste
genommen. Als Hauptmann im ungarischen Regiment Batthhnny (nach andern
im Regiment Botta) eben im Begriff, im Jahre 1756 gegen Preußen in den
Krieg zu ziehn, erhielt er die Nachricht von dem zu Karlsbad erfolgten plötz¬
lichen Tode seines ältern Bruders, des Königlich Preußischen Kammerherrn Karl
Ferdinand. Da der Verstorbne keine Nachkommen hinterlassen hatte, gelaugte
der jüngere Bruder in den Besitz der nahe bei Strehlen liegenden ansehnlichen
Güter Schönbrunn, Ober- und Nieder-Rosen und des Vorwerks Käscherei (oder
Cafferei), deren Wert sogar in jener Zeit schon auf mehr als hunderttausend
Taler angegeben wurde. Er erbat um seinen Abschied, den er jedoch nie
formell erhalten haben soll, und lebte fortan auf dem Schlosse zu Schönbrunn
als Verwalter seiner Güter. Warkotsch war nach der Angabe des später hinter
ihm erlassenen Steckbriefs^) "breitschultrig, langer und korpulenter Statur, braun
von Angesicht; trügt meistentheils eine Beutel-Perüque; seine deutsche Aus¬
sprache lautet etwas nach der österreichischen Mundart". Die Quellen schildern
ihn als einen höchst unliebenswürdigen Charakter: herrisch, jähzornig und hart
gegen die Untergebnen; auch scheint er zu Trunk und Spiel sehr geneigt ge¬
wesen zu sein und es im Punkte der ehelichen Treue nicht eben genau genommen
zu haben. Obwohl er dem König von Preußen am 30. August 1756 den
Vasalleneid geleistet hatte, blieb er in seinem Herzen österreichisch gesinnt und



*) Oitstio Miowlis des eines Hochverrats sich schuldig gemachten und durch die Flucht
entkommenen Heinr. Gottl. Freiherrn von Warkotsch. sBekcmnt gemacht durch die Oberamts¬
regierung zu Breslau, den 4. Dezember 1761, j Vgl. Moser, Europäisches Völkerrecht, 3. Teil
1. Band, S. 186.
König Friedrich der Große und der Baron warkotsch

die ihm noch verblichnen Festungen zu schützen. Deshalb bezog er am 5. Oktober
1761, um Breslau und Reiße zu decken, ein Lager bei Strehlen und wartete
dort in Verteidigungsstellung auf den Zuzug der Truppen Platens, der gegen
die Russen bei Kolberg operieren sollte. Sein nächstes Ziel war die Wieder-
eroberung von Schweiduitz. In dieser trübseligen Zeit, während der er den
Streitlüsten Laudons untätig gegenüberlag, der zwischen Freiburg und Bögen¬
dorf an das Gebirge gelehnt stand, hatten der Baron Warkotsch und sein
Genosse Schmidt den hochverräterischen Plan gefaßt, den König aus seinem
Hauptquartier durch österreichische Truppen aufheben zu lassei,. Es ist hier
nicht nötig, auf die furchtbaren Folgen hinzuweisen, die ein Gelingen des
Verrath für den preußischen Staat notwendig hätte haben müssen. Der König
entrann dem Verderben noch in der letzten Stunde durch eine glückliche Ver¬
kettung von Umstünden.

Der Baron Heinrich Gottlob von Warkotsch stammte aus einem alten,
seit dem fünfzehnten Jahrhundert bekannten schlesischen Geschlechte, dessen
Name sich von dein Dorfe desselben Namens im Kreise Strehlen herleitet.
Obwohl die Familie in der Strehlener Gegend noch zu König Friedrichs Zeit
mehrere Güter besaß, hatte Warkotsch, der als jüngerer Sohn um 1706 ge¬
boren war, ungeachtet seines protestantischen Bekenntnisses österreichische Dienste
genommen. Als Hauptmann im ungarischen Regiment Batthhnny (nach andern
im Regiment Botta) eben im Begriff, im Jahre 1756 gegen Preußen in den
Krieg zu ziehn, erhielt er die Nachricht von dem zu Karlsbad erfolgten plötz¬
lichen Tode seines ältern Bruders, des Königlich Preußischen Kammerherrn Karl
Ferdinand. Da der Verstorbne keine Nachkommen hinterlassen hatte, gelaugte
der jüngere Bruder in den Besitz der nahe bei Strehlen liegenden ansehnlichen
Güter Schönbrunn, Ober- und Nieder-Rosen und des Vorwerks Käscherei (oder
Cafferei), deren Wert sogar in jener Zeit schon auf mehr als hunderttausend
Taler angegeben wurde. Er erbat um seinen Abschied, den er jedoch nie
formell erhalten haben soll, und lebte fortan auf dem Schlosse zu Schönbrunn
als Verwalter seiner Güter. Warkotsch war nach der Angabe des später hinter
ihm erlassenen Steckbriefs^) „breitschultrig, langer und korpulenter Statur, braun
von Angesicht; trügt meistentheils eine Beutel-Perüque; seine deutsche Aus¬
sprache lautet etwas nach der österreichischen Mundart". Die Quellen schildern
ihn als einen höchst unliebenswürdigen Charakter: herrisch, jähzornig und hart
gegen die Untergebnen; auch scheint er zu Trunk und Spiel sehr geneigt ge¬
wesen zu sein und es im Punkte der ehelichen Treue nicht eben genau genommen
zu haben. Obwohl er dem König von Preußen am 30. August 1756 den
Vasalleneid geleistet hatte, blieb er in seinem Herzen österreichisch gesinnt und



*) Oitstio Miowlis des eines Hochverrats sich schuldig gemachten und durch die Flucht
entkommenen Heinr. Gottl. Freiherrn von Warkotsch. sBekcmnt gemacht durch die Oberamts¬
regierung zu Breslau, den 4. Dezember 1761, j Vgl. Moser, Europäisches Völkerrecht, 3. Teil
1. Band, S. 186.
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[0101] König Friedrich der Große und der Baron warkotsch die ihm noch verblichnen Festungen zu schützen. Deshalb bezog er am 5. Oktober 1761, um Breslau und Reiße zu decken, ein Lager bei Strehlen und wartete dort in Verteidigungsstellung auf den Zuzug der Truppen Platens, der gegen die Russen bei Kolberg operieren sollte. Sein nächstes Ziel war die Wieder- eroberung von Schweiduitz. In dieser trübseligen Zeit, während der er den Streitlüsten Laudons untätig gegenüberlag, der zwischen Freiburg und Bögen¬ dorf an das Gebirge gelehnt stand, hatten der Baron Warkotsch und sein Genosse Schmidt den hochverräterischen Plan gefaßt, den König aus seinem Hauptquartier durch österreichische Truppen aufheben zu lassei,. Es ist hier nicht nötig, auf die furchtbaren Folgen hinzuweisen, die ein Gelingen des Verrath für den preußischen Staat notwendig hätte haben müssen. Der König entrann dem Verderben noch in der letzten Stunde durch eine glückliche Ver¬ kettung von Umstünden. Der Baron Heinrich Gottlob von Warkotsch stammte aus einem alten, seit dem fünfzehnten Jahrhundert bekannten schlesischen Geschlechte, dessen Name sich von dein Dorfe desselben Namens im Kreise Strehlen herleitet. Obwohl die Familie in der Strehlener Gegend noch zu König Friedrichs Zeit mehrere Güter besaß, hatte Warkotsch, der als jüngerer Sohn um 1706 ge¬ boren war, ungeachtet seines protestantischen Bekenntnisses österreichische Dienste genommen. Als Hauptmann im ungarischen Regiment Batthhnny (nach andern im Regiment Botta) eben im Begriff, im Jahre 1756 gegen Preußen in den Krieg zu ziehn, erhielt er die Nachricht von dem zu Karlsbad erfolgten plötz¬ lichen Tode seines ältern Bruders, des Königlich Preußischen Kammerherrn Karl Ferdinand. Da der Verstorbne keine Nachkommen hinterlassen hatte, gelaugte der jüngere Bruder in den Besitz der nahe bei Strehlen liegenden ansehnlichen Güter Schönbrunn, Ober- und Nieder-Rosen und des Vorwerks Käscherei (oder Cafferei), deren Wert sogar in jener Zeit schon auf mehr als hunderttausend Taler angegeben wurde. Er erbat um seinen Abschied, den er jedoch nie formell erhalten haben soll, und lebte fortan auf dem Schlosse zu Schönbrunn als Verwalter seiner Güter. Warkotsch war nach der Angabe des später hinter ihm erlassenen Steckbriefs^) „breitschultrig, langer und korpulenter Statur, braun von Angesicht; trügt meistentheils eine Beutel-Perüque; seine deutsche Aus¬ sprache lautet etwas nach der österreichischen Mundart". Die Quellen schildern ihn als einen höchst unliebenswürdigen Charakter: herrisch, jähzornig und hart gegen die Untergebnen; auch scheint er zu Trunk und Spiel sehr geneigt ge¬ wesen zu sein und es im Punkte der ehelichen Treue nicht eben genau genommen zu haben. Obwohl er dem König von Preußen am 30. August 1756 den Vasalleneid geleistet hatte, blieb er in seinem Herzen österreichisch gesinnt und *) Oitstio Miowlis des eines Hochverrats sich schuldig gemachten und durch die Flucht entkommenen Heinr. Gottl. Freiherrn von Warkotsch. sBekcmnt gemacht durch die Oberamts¬ regierung zu Breslau, den 4. Dezember 1761, j Vgl. Moser, Europäisches Völkerrecht, 3. Teil 1. Band, S. 186.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/101>, abgerufen am 24.07.2024.