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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

ich Papa kürzlich auf die unabweisliche Kaiserfrage angeredet habe, ihm klar
machte, daß dieselbe nicht mehr zu umgehn oder abzuweisen sei, aber der preu¬
ßischen Krone dadurch keineswegs zu nahe getreten würde, vielmehr ähnlich wie
in Österreich Kronen nebeneinander bestehn könnten. Bismarck hat auch bereits
hier seinen Vortrag gehalten, und wäre denn soweit das Eisen geschmiedet. Ich
tue mein möglichstes, um die Augen offen zu halten, und werde nichts unter¬
lassen, um endlich diese große Frage hier auf französischem Boden zu Ende zu
führen." Der Herzog von Koburg hat in spätern Jahren zu Gustav Freytag
geäußert, daß niemand, auch der Kronprinz nicht, eine rechte Ahnung gehabt
habe, wie die Sache (die Wiederherstellung des Kaisertums) anzufangen und
ins Werk zu richten sei. Man sei der Meinung gewesen, die sich ja nachträglich
als falsch herausgestellt habe, daß der König schwer für die Neuerung zu ge¬
winnen sein würde, und daß auch der Bundeskanzler seine im Jahre 1866 ge¬
hegte Ansicht noch kaum geändert haben dürfte.

Die badischen Minister waren bekanntlich am 20. Oktober nach Versailles
abgereist. Am 24. richtete der Großherzog auf Grund des obigen kronprinzlichen
Briefes ein längeres Schreiben dorthin an Jolly, worin er ihn ersuchte, ihn recht
bald zu benachrichtigen, was Bismarck in betreff der vom Großherzog angeregten
Frage der Schaffung von Kaiser und Reich gesagt habe. Die baldige Lösung der
Frage sei dringend, denn mit dem Eintritt wahrer Friedenshoffnungen würden
sich alle opferwilligen Gesinnungen in berechnende umwandeln. Besonders sei
das in Bayern zu erwarten. Der Großherzog führte dann auf Grund einer
vertraulichen Korrespondenz aus München weiter aus, es werde vielfach von
ihm gewünscht, den König von Bayern zum Vortritt in der Kaiserfrage zu be¬
wegen. Er sei dazu bereit, nur müsse dem Könige kein Zweifel bleiben, daß
wenn der Vortritt von ihm nicht genommen werde, die Proklamierung von den
übrigen Fürsten erfolgen solle. Selbstverständlich werde er diese wichtige Frage
gern mit Unterstützung Bismarcks betreiben, aber auch ohne solche sei er fest
entschlossen, die Kaiserfrage, die er als eoväitio sine aug. non eines vernünftigen
Zustandes in Deutschland betrachte, bei den andern Herren Kollegen zur An¬
regung zu bringen. In diesem Sinne habe er einen Brief an den König von
Bayern entworfen und werde, falls er keine Nachricht erhalte, ihn in einiger
Zeit abgehn lassen.

Jolly fand den Bundeskanzler sehr bereit, auf den Vorschlag des Gro߬
herzogs einzugehn. Bismarck sprach sich bei dieser Gelegenheit mit Entschieden¬
heit für die Kaiseridee aus und erklärte ein persönliches Schreiben des Gro߬
herzogs an den König für zeitlich richtig, es möge in der Form einer Anfrage
gehalten sein, ob König Ludwig für die von andern Fürsten beabsichtigte Er¬
neuerung der Kaiserwürde die Initiative ergreifen wolle. Das Ergebnis der
mancherlei Erwägungen und Sondierungen, die infolge dieser Mitteilungen statt¬
fanden, war dann die schon berichtete Entsendung des Staatsrath Gelzer mit
einem eigenhändigen Schreiben des Großherzogs an den König. Es war darin


Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

ich Papa kürzlich auf die unabweisliche Kaiserfrage angeredet habe, ihm klar
machte, daß dieselbe nicht mehr zu umgehn oder abzuweisen sei, aber der preu¬
ßischen Krone dadurch keineswegs zu nahe getreten würde, vielmehr ähnlich wie
in Österreich Kronen nebeneinander bestehn könnten. Bismarck hat auch bereits
hier seinen Vortrag gehalten, und wäre denn soweit das Eisen geschmiedet. Ich
tue mein möglichstes, um die Augen offen zu halten, und werde nichts unter¬
lassen, um endlich diese große Frage hier auf französischem Boden zu Ende zu
führen." Der Herzog von Koburg hat in spätern Jahren zu Gustav Freytag
geäußert, daß niemand, auch der Kronprinz nicht, eine rechte Ahnung gehabt
habe, wie die Sache (die Wiederherstellung des Kaisertums) anzufangen und
ins Werk zu richten sei. Man sei der Meinung gewesen, die sich ja nachträglich
als falsch herausgestellt habe, daß der König schwer für die Neuerung zu ge¬
winnen sein würde, und daß auch der Bundeskanzler seine im Jahre 1866 ge¬
hegte Ansicht noch kaum geändert haben dürfte.

Die badischen Minister waren bekanntlich am 20. Oktober nach Versailles
abgereist. Am 24. richtete der Großherzog auf Grund des obigen kronprinzlichen
Briefes ein längeres Schreiben dorthin an Jolly, worin er ihn ersuchte, ihn recht
bald zu benachrichtigen, was Bismarck in betreff der vom Großherzog angeregten
Frage der Schaffung von Kaiser und Reich gesagt habe. Die baldige Lösung der
Frage sei dringend, denn mit dem Eintritt wahrer Friedenshoffnungen würden
sich alle opferwilligen Gesinnungen in berechnende umwandeln. Besonders sei
das in Bayern zu erwarten. Der Großherzog führte dann auf Grund einer
vertraulichen Korrespondenz aus München weiter aus, es werde vielfach von
ihm gewünscht, den König von Bayern zum Vortritt in der Kaiserfrage zu be¬
wegen. Er sei dazu bereit, nur müsse dem Könige kein Zweifel bleiben, daß
wenn der Vortritt von ihm nicht genommen werde, die Proklamierung von den
übrigen Fürsten erfolgen solle. Selbstverständlich werde er diese wichtige Frage
gern mit Unterstützung Bismarcks betreiben, aber auch ohne solche sei er fest
entschlossen, die Kaiserfrage, die er als eoväitio sine aug. non eines vernünftigen
Zustandes in Deutschland betrachte, bei den andern Herren Kollegen zur An¬
regung zu bringen. In diesem Sinne habe er einen Brief an den König von
Bayern entworfen und werde, falls er keine Nachricht erhalte, ihn in einiger
Zeit abgehn lassen.

Jolly fand den Bundeskanzler sehr bereit, auf den Vorschlag des Gro߬
herzogs einzugehn. Bismarck sprach sich bei dieser Gelegenheit mit Entschieden¬
heit für die Kaiseridee aus und erklärte ein persönliches Schreiben des Gro߬
herzogs an den König für zeitlich richtig, es möge in der Form einer Anfrage
gehalten sein, ob König Ludwig für die von andern Fürsten beabsichtigte Er¬
neuerung der Kaiserwürde die Initiative ergreifen wolle. Das Ergebnis der
mancherlei Erwägungen und Sondierungen, die infolge dieser Mitteilungen statt¬
fanden, war dann die schon berichtete Entsendung des Staatsrath Gelzer mit
einem eigenhändigen Schreiben des Großherzogs an den König. Es war darin


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[0086] Großherzog Friedrich von Baden in Versailles ich Papa kürzlich auf die unabweisliche Kaiserfrage angeredet habe, ihm klar machte, daß dieselbe nicht mehr zu umgehn oder abzuweisen sei, aber der preu¬ ßischen Krone dadurch keineswegs zu nahe getreten würde, vielmehr ähnlich wie in Österreich Kronen nebeneinander bestehn könnten. Bismarck hat auch bereits hier seinen Vortrag gehalten, und wäre denn soweit das Eisen geschmiedet. Ich tue mein möglichstes, um die Augen offen zu halten, und werde nichts unter¬ lassen, um endlich diese große Frage hier auf französischem Boden zu Ende zu führen." Der Herzog von Koburg hat in spätern Jahren zu Gustav Freytag geäußert, daß niemand, auch der Kronprinz nicht, eine rechte Ahnung gehabt habe, wie die Sache (die Wiederherstellung des Kaisertums) anzufangen und ins Werk zu richten sei. Man sei der Meinung gewesen, die sich ja nachträglich als falsch herausgestellt habe, daß der König schwer für die Neuerung zu ge¬ winnen sein würde, und daß auch der Bundeskanzler seine im Jahre 1866 ge¬ hegte Ansicht noch kaum geändert haben dürfte. Die badischen Minister waren bekanntlich am 20. Oktober nach Versailles abgereist. Am 24. richtete der Großherzog auf Grund des obigen kronprinzlichen Briefes ein längeres Schreiben dorthin an Jolly, worin er ihn ersuchte, ihn recht bald zu benachrichtigen, was Bismarck in betreff der vom Großherzog angeregten Frage der Schaffung von Kaiser und Reich gesagt habe. Die baldige Lösung der Frage sei dringend, denn mit dem Eintritt wahrer Friedenshoffnungen würden sich alle opferwilligen Gesinnungen in berechnende umwandeln. Besonders sei das in Bayern zu erwarten. Der Großherzog führte dann auf Grund einer vertraulichen Korrespondenz aus München weiter aus, es werde vielfach von ihm gewünscht, den König von Bayern zum Vortritt in der Kaiserfrage zu be¬ wegen. Er sei dazu bereit, nur müsse dem Könige kein Zweifel bleiben, daß wenn der Vortritt von ihm nicht genommen werde, die Proklamierung von den übrigen Fürsten erfolgen solle. Selbstverständlich werde er diese wichtige Frage gern mit Unterstützung Bismarcks betreiben, aber auch ohne solche sei er fest entschlossen, die Kaiserfrage, die er als eoväitio sine aug. non eines vernünftigen Zustandes in Deutschland betrachte, bei den andern Herren Kollegen zur An¬ regung zu bringen. In diesem Sinne habe er einen Brief an den König von Bayern entworfen und werde, falls er keine Nachricht erhalte, ihn in einiger Zeit abgehn lassen. Jolly fand den Bundeskanzler sehr bereit, auf den Vorschlag des Gro߬ herzogs einzugehn. Bismarck sprach sich bei dieser Gelegenheit mit Entschieden¬ heit für die Kaiseridee aus und erklärte ein persönliches Schreiben des Gro߬ herzogs an den König für zeitlich richtig, es möge in der Form einer Anfrage gehalten sein, ob König Ludwig für die von andern Fürsten beabsichtigte Er¬ neuerung der Kaiserwürde die Initiative ergreifen wolle. Das Ergebnis der mancherlei Erwägungen und Sondierungen, die infolge dieser Mitteilungen statt¬ fanden, war dann die schon berichtete Entsendung des Staatsrath Gelzer mit einem eigenhändigen Schreiben des Großherzogs an den König. Es war darin

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/86>, abgerufen am 25.08.2024.