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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

Verhandlungen mit den andern süddeutschen Staaten zum Abschluß zu bringen,
und daß der Kronprinz den wackern General von Hartmann, Kommandierenden
des zweiten bayrischen Armeekorps vor Paris, veranlaßte, die Minister zu sich
einzuladen, "um ihnen den Kopf zurechtzusetzen". Graf Bray und der Kriegs¬
minister von Prauckh mögen sich dort allerdings überzeugt haben, daß die
Stimmung der bayrischen Truppen "gut kaiserlich" war, wie sich das schon am
19. September auf der genommnen Höhe von Clcnnart, bei der Zernierung von
Paris, bekundet hatte. Auch Prinz Luitpold von Bayern, der jetzige Regent,
scheint sich frühzeitig darüber klar gewesen zu sein, daß der Krone Bayern die An¬
regung zur Kaiserwürde zu geben zukomme. Wie Keudell in seinem Buche "Fürst
und Fürstin Bismarck" berichtet (S. 463), besuchte der Adjutant des Prinzen,
Hauptmann Graf Berchem (später bis 1890 Unterstaatssekretär im Auswärtigen
Amt des Reiches), ihn am 13. Oktober und legte ihm vertraulich die Frage vor:
"ob es nach meiner Auffassung der Lage opportun sein würde, wenn eine Anregung
dazu käme, daß das Bundespräsidinm den Schmuck der Kaiserkrone erhielte?
Ich erwiderte, der Kanzler habe sich über eine solche Möglichkeit meines
Wissens nie geäußert, doch sei ich fest überzeugt, daß eine bezügliche Anregung
ihm höchst willkommen sein würde. Der Chef billigte die von mir gegebne
Antwort."

Vergegenwärtige man sich den Zeitpunkt: vom Tage vor dieser Frage datiert
Bismarcks Schreiben nach Karlsruhe und seine Antwort an den Herzog von
Koburg, vom Tage nachher seine telegraphische Einladung nach München, infolge
deren die bayrischen Unterhändler am 20. abreisten. Es ist deshalb wohl mit
einiger Sicherheit anzunehmen, daß Prinz Luitpold spätestens am 14. Oktober
dem König eine entsprechende Mitteilung über die eingezogne Erkundigung
gemacht haben wird, vielleicht lag auch der Frage schon eine Weisung des
Königs zugrunde. Die bayrischen Minister konnten mithin schon bei ihrer Ab¬
reise von München als Gewißheit annehmen, daß die Kaiserfrage nahe daran
war, in ein Stadium amtlicher Behandlung zutreten; als sie in Versailles ein¬
trafen, konnten sie sich alsbald überzeugen, daß sie dieses Stadium schon er¬
reicht hatte.

Großherzog Friedrich hatte inzwischen diese ihm so am Herzen liegende An¬
gelegenheit ununterbrochen im Auge behalten. Ein Brief des Kronprinzen vom
15. Oktober an die Großherzogin sprach sich in dieser Beziehung zum erstenmale
hoffnungsvoll aus. Er sehe seit einigen Tagen die Dinge als in guter Bcchu
fahrend an und habe gegründete Ursache anzunehmen (drei Tage nach Bismarcks
Brief an den Herzog von Koburg), daß der Bund in Versailles erst mit Abge¬
sandten, dann mit den Fürsten selbst geschlossen werde, dem Kaiser und Reich
"auch noch hier" unmittelbar folgen müssen. "Bismarck will die endliche Einigung
Deutschlands; soweit man überhaupt für seine Ansichten aufkommen kann, zweifle
ich nicht an seiner Aufrichtigkeit hierin. Ebenso will er die Kaiserfrage regeln,
mithin sind unsrerseits keine Schwierigkeiten mehr zu erwarten, um so mehr als


Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

Verhandlungen mit den andern süddeutschen Staaten zum Abschluß zu bringen,
und daß der Kronprinz den wackern General von Hartmann, Kommandierenden
des zweiten bayrischen Armeekorps vor Paris, veranlaßte, die Minister zu sich
einzuladen, „um ihnen den Kopf zurechtzusetzen". Graf Bray und der Kriegs¬
minister von Prauckh mögen sich dort allerdings überzeugt haben, daß die
Stimmung der bayrischen Truppen „gut kaiserlich" war, wie sich das schon am
19. September auf der genommnen Höhe von Clcnnart, bei der Zernierung von
Paris, bekundet hatte. Auch Prinz Luitpold von Bayern, der jetzige Regent,
scheint sich frühzeitig darüber klar gewesen zu sein, daß der Krone Bayern die An¬
regung zur Kaiserwürde zu geben zukomme. Wie Keudell in seinem Buche „Fürst
und Fürstin Bismarck" berichtet (S. 463), besuchte der Adjutant des Prinzen,
Hauptmann Graf Berchem (später bis 1890 Unterstaatssekretär im Auswärtigen
Amt des Reiches), ihn am 13. Oktober und legte ihm vertraulich die Frage vor:
„ob es nach meiner Auffassung der Lage opportun sein würde, wenn eine Anregung
dazu käme, daß das Bundespräsidinm den Schmuck der Kaiserkrone erhielte?
Ich erwiderte, der Kanzler habe sich über eine solche Möglichkeit meines
Wissens nie geäußert, doch sei ich fest überzeugt, daß eine bezügliche Anregung
ihm höchst willkommen sein würde. Der Chef billigte die von mir gegebne
Antwort."

Vergegenwärtige man sich den Zeitpunkt: vom Tage vor dieser Frage datiert
Bismarcks Schreiben nach Karlsruhe und seine Antwort an den Herzog von
Koburg, vom Tage nachher seine telegraphische Einladung nach München, infolge
deren die bayrischen Unterhändler am 20. abreisten. Es ist deshalb wohl mit
einiger Sicherheit anzunehmen, daß Prinz Luitpold spätestens am 14. Oktober
dem König eine entsprechende Mitteilung über die eingezogne Erkundigung
gemacht haben wird, vielleicht lag auch der Frage schon eine Weisung des
Königs zugrunde. Die bayrischen Minister konnten mithin schon bei ihrer Ab¬
reise von München als Gewißheit annehmen, daß die Kaiserfrage nahe daran
war, in ein Stadium amtlicher Behandlung zutreten; als sie in Versailles ein¬
trafen, konnten sie sich alsbald überzeugen, daß sie dieses Stadium schon er¬
reicht hatte.

Großherzog Friedrich hatte inzwischen diese ihm so am Herzen liegende An¬
gelegenheit ununterbrochen im Auge behalten. Ein Brief des Kronprinzen vom
15. Oktober an die Großherzogin sprach sich in dieser Beziehung zum erstenmale
hoffnungsvoll aus. Er sehe seit einigen Tagen die Dinge als in guter Bcchu
fahrend an und habe gegründete Ursache anzunehmen (drei Tage nach Bismarcks
Brief an den Herzog von Koburg), daß der Bund in Versailles erst mit Abge¬
sandten, dann mit den Fürsten selbst geschlossen werde, dem Kaiser und Reich
„auch noch hier" unmittelbar folgen müssen. „Bismarck will die endliche Einigung
Deutschlands; soweit man überhaupt für seine Ansichten aufkommen kann, zweifle
ich nicht an seiner Aufrichtigkeit hierin. Ebenso will er die Kaiserfrage regeln,
mithin sind unsrerseits keine Schwierigkeiten mehr zu erwarten, um so mehr als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/85>, abgerufen am 25.08.2024.