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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Erinnerungen aus der Bretagne

Dominikanerabtei beigesetzt, und bis zur Revolution waren an der Kapelle die
Wortezulesen:


^c, ^vel ^vue-s, Aux Lriwnnme,
Loach Nonkortis, a.uis äevössit Als
XX sevtswbris NVV0XI.V.

Als Bruder des verstorbnen Herzogs Jean des Dritten hat Jean von
Montfort bis an sein Lebensende gegen dessen Schwiegersohn Charles von
Blois um die Bretagne gekämpft. Die Könige von England und Frankreich,
froh der Gelegenheit, sich zu befehden, mischten sich in den Streit. Eduard
der Dritte und der schwarze Prinz unterstützten Montfort. wahrend sich Blois
nicht vergeblich an Philipp den Sechsten wandte. Als Montfort tot war. und
Charles gefangen im Louvre saß. führten die beiden Frauen den Krieg fort,
der in der Geschichte unter dem Namen guerrs ac-s äsux ^g-mich bekannt ist.
Nach der Niederlage des großen Connctable Du Guesclin bei Auray, 1365.
wurde das Herzogtum den Montfort zugesprochen. Aber schon 1491 kam die
Bretagne als Mitgift der Erbin Anna an die französische Krone.

Wie königstreu die bretonische Bevölkerung dann geworden ist. weiß
jedermann, denn die sogenannte Vendee spielte sich ja ebenso heftig in der
Bretagne ab wie in der Vendee selbst. Für Gott, den König und Monseigneur
Aeßen sich die Bauern hinmorden, weil sie von alters her diese drei über sich
anerkannt hatten Gott und den König liebten sie aus der Ferne, weil man
ihnen gesagt hatte, daß sie es gut mit ihnen meinten, und Monseigneur
fürchteten sie. wie sie den Teufel fürchteten, der nachts im Mondschein heulend
auf dem verwünschten Felsen bei Lomnolö saß. wo mau noch heute die Spuren
seiner Tatzen sehen kann. In ^ers-vwxt-trsi-s schildert Victor Hugo in
seiner phantastisch-grotesken Art die heimlichen Zusammenkünste der Royalisten.
der "Chouannerie". und die blutige Guerilla in den großen Wäldern.

Über hundert Jahre sind seitdem vergangen, und die Zeiten haben sich
geändert. Man hat sich in die Republik gefügt. Der 14. Juli wurde in
Quimpcrle wie überall mit Hingebung und Ausdauer gefeiert. Schon ganz
frühmorgens läuteten die wohltönenden Glocken droben von Samt-Michel
und unten von Sainte-Croix. einem interessanten Kuppelbau aus fruhromamscher
Zeit, der die Neste des heiliqeu Gurloes birgt. Am Tage vorher hatte mau
nngs um die Place de la Mpublique hohe Fahnenstangen aufgerichtet Dort
und in der Lindenallee vor dem Kloster entstanden Ho ztribunen für die
Musiker, die zum Tanze aufspielen sollten. Am Festtage flatterten die blau-
weißroten Fähnchen - das Blau konnte ebensogut Grün vorstellen -. und die
Tribünen warm mit Laub geschmückt. Schon am Vormittag lockten uns die
eigentümlich hohen Töne des Dudelsacks, des bulen hinaus unter die Linden
Je näher wir kamen, desto schriller klang die Musik, aber es sah zu köstlich
aus. wie der dicke Dudelsackbläser so wichtig mit aufgeplusterten Backen seines
Amtes waltete und dabei stumpfsinnig mit dem holzbeschuhten rechten Fuße


Erinnerungen aus der Bretagne

Dominikanerabtei beigesetzt, und bis zur Revolution waren an der Kapelle die
Wortezulesen:


^c, ^vel ^vue-s, Aux Lriwnnme,
Loach Nonkortis, a.uis äevössit Als
XX sevtswbris NVV0XI.V.

Als Bruder des verstorbnen Herzogs Jean des Dritten hat Jean von
Montfort bis an sein Lebensende gegen dessen Schwiegersohn Charles von
Blois um die Bretagne gekämpft. Die Könige von England und Frankreich,
froh der Gelegenheit, sich zu befehden, mischten sich in den Streit. Eduard
der Dritte und der schwarze Prinz unterstützten Montfort. wahrend sich Blois
nicht vergeblich an Philipp den Sechsten wandte. Als Montfort tot war. und
Charles gefangen im Louvre saß. führten die beiden Frauen den Krieg fort,
der in der Geschichte unter dem Namen guerrs ac-s äsux ^g-mich bekannt ist.
Nach der Niederlage des großen Connctable Du Guesclin bei Auray, 1365.
wurde das Herzogtum den Montfort zugesprochen. Aber schon 1491 kam die
Bretagne als Mitgift der Erbin Anna an die französische Krone.

Wie königstreu die bretonische Bevölkerung dann geworden ist. weiß
jedermann, denn die sogenannte Vendee spielte sich ja ebenso heftig in der
Bretagne ab wie in der Vendee selbst. Für Gott, den König und Monseigneur
Aeßen sich die Bauern hinmorden, weil sie von alters her diese drei über sich
anerkannt hatten Gott und den König liebten sie aus der Ferne, weil man
ihnen gesagt hatte, daß sie es gut mit ihnen meinten, und Monseigneur
fürchteten sie. wie sie den Teufel fürchteten, der nachts im Mondschein heulend
auf dem verwünschten Felsen bei Lomnolö saß. wo mau noch heute die Spuren
seiner Tatzen sehen kann. In ^ers-vwxt-trsi-s schildert Victor Hugo in
seiner phantastisch-grotesken Art die heimlichen Zusammenkünste der Royalisten.
der „Chouannerie". und die blutige Guerilla in den großen Wäldern.

Über hundert Jahre sind seitdem vergangen, und die Zeiten haben sich
geändert. Man hat sich in die Republik gefügt. Der 14. Juli wurde in
Quimpcrle wie überall mit Hingebung und Ausdauer gefeiert. Schon ganz
frühmorgens läuteten die wohltönenden Glocken droben von Samt-Michel
und unten von Sainte-Croix. einem interessanten Kuppelbau aus fruhromamscher
Zeit, der die Neste des heiliqeu Gurloes birgt. Am Tage vorher hatte mau
nngs um die Place de la Mpublique hohe Fahnenstangen aufgerichtet Dort
und in der Lindenallee vor dem Kloster entstanden Ho ztribunen für die
Musiker, die zum Tanze aufspielen sollten. Am Festtage flatterten die blau-
weißroten Fähnchen - das Blau konnte ebensogut Grün vorstellen -. und die
Tribünen warm mit Laub geschmückt. Schon am Vormittag lockten uns die
eigentümlich hohen Töne des Dudelsacks, des bulen hinaus unter die Linden
Je näher wir kamen, desto schriller klang die Musik, aber es sah zu köstlich
aus. wie der dicke Dudelsackbläser so wichtig mit aufgeplusterten Backen seines
Amtes waltete und dabei stumpfsinnig mit dem holzbeschuhten rechten Fuße


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[0717] Erinnerungen aus der Bretagne Dominikanerabtei beigesetzt, und bis zur Revolution waren an der Kapelle die Wortezulesen: ^c, ^vel ^vue-s, Aux Lriwnnme, Loach Nonkortis, a.uis äevössit Als XX sevtswbris NVV0XI.V. Als Bruder des verstorbnen Herzogs Jean des Dritten hat Jean von Montfort bis an sein Lebensende gegen dessen Schwiegersohn Charles von Blois um die Bretagne gekämpft. Die Könige von England und Frankreich, froh der Gelegenheit, sich zu befehden, mischten sich in den Streit. Eduard der Dritte und der schwarze Prinz unterstützten Montfort. wahrend sich Blois nicht vergeblich an Philipp den Sechsten wandte. Als Montfort tot war. und Charles gefangen im Louvre saß. führten die beiden Frauen den Krieg fort, der in der Geschichte unter dem Namen guerrs ac-s äsux ^g-mich bekannt ist. Nach der Niederlage des großen Connctable Du Guesclin bei Auray, 1365. wurde das Herzogtum den Montfort zugesprochen. Aber schon 1491 kam die Bretagne als Mitgift der Erbin Anna an die französische Krone. Wie königstreu die bretonische Bevölkerung dann geworden ist. weiß jedermann, denn die sogenannte Vendee spielte sich ja ebenso heftig in der Bretagne ab wie in der Vendee selbst. Für Gott, den König und Monseigneur Aeßen sich die Bauern hinmorden, weil sie von alters her diese drei über sich anerkannt hatten Gott und den König liebten sie aus der Ferne, weil man ihnen gesagt hatte, daß sie es gut mit ihnen meinten, und Monseigneur fürchteten sie. wie sie den Teufel fürchteten, der nachts im Mondschein heulend auf dem verwünschten Felsen bei Lomnolö saß. wo mau noch heute die Spuren seiner Tatzen sehen kann. In ^ers-vwxt-trsi-s schildert Victor Hugo in seiner phantastisch-grotesken Art die heimlichen Zusammenkünste der Royalisten. der „Chouannerie". und die blutige Guerilla in den großen Wäldern. Über hundert Jahre sind seitdem vergangen, und die Zeiten haben sich geändert. Man hat sich in die Republik gefügt. Der 14. Juli wurde in Quimpcrle wie überall mit Hingebung und Ausdauer gefeiert. Schon ganz frühmorgens läuteten die wohltönenden Glocken droben von Samt-Michel und unten von Sainte-Croix. einem interessanten Kuppelbau aus fruhromamscher Zeit, der die Neste des heiliqeu Gurloes birgt. Am Tage vorher hatte mau nngs um die Place de la Mpublique hohe Fahnenstangen aufgerichtet Dort und in der Lindenallee vor dem Kloster entstanden Ho ztribunen für die Musiker, die zum Tanze aufspielen sollten. Am Festtage flatterten die blau- weißroten Fähnchen - das Blau konnte ebensogut Grün vorstellen -. und die Tribünen warm mit Laub geschmückt. Schon am Vormittag lockten uns die eigentümlich hohen Töne des Dudelsacks, des bulen hinaus unter die Linden Je näher wir kamen, desto schriller klang die Musik, aber es sah zu köstlich aus. wie der dicke Dudelsackbläser so wichtig mit aufgeplusterten Backen seines Amtes waltete und dabei stumpfsinnig mit dem holzbeschuhten rechten Fuße

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/717>, abgerufen am 23.07.2024.