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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Unebenbürtige Fürstenehen in frühern Jahrhunderten

Merkwürdigerweise war auch die Großmutter des Glücksburger "Protokoll-
Prinzen" und spätern Königs Christian des Neunten eine einfache Gräfin
Schließen, die Tochter eines preußischen Ministers.

In dem alten Schlosse Plön, wo sich heute die fröhliche Soldatenjugend
tummelt, regierte bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts ebenfalls
eine Sonderburgische Seitenlinie. Dem letzten Herzog Friedrich Karl war es
nicht leicht geworden, zu seinen Rechten zu kommen. Sein Vater, ein jüngerer
Bruder des Herzogs von Norburg, hatte, als er Fräulein Dorothea Christine
von Eichelberg heiratete, für seine Gemahlin und seine etwaigen Kinder auf
alle Standes- und Erbrechte verzichtet, um den ohnehin schon sehr unbedeu¬
tenden Familienbesitz nicht durch weitere Teilungen noch mehr zu verkleinern;
doch sollte dieser Verzicht nicht mehr gelten, wenn die männliche Nachkommen¬
schaft des Bruders ausstürbe. Der König von Dänemark, der für das auf
Alsen liegende Norburg Oberlehusherr und zugleich Oberhaupt des Hauses
war, bestätigte den Vertrag. So wurde der kleine, erst nach dem frühen Tode
seines Vaters geborne Friedrich Karl nicht als Prinz, sondern als Herr von
Karlstein erzogen. Der vorgesehene Fall trat sechzehn Jahre später (1722)
wirklich ein. Nun aber behauptete ein jüngerer Vetter seines Vaters, Herzog
von Sonderburg-Rethwisch, daß diese Ehe uicht standesgemäß gewesen sei,
konnte jedoch bei Dünemark damit uicht durchdringen. Der König erkannte
vielmehr den Herrn von Karlstein als Herzog an und belehnte ihn mit der
umstrittueu Herrschaft. Anders verhielt sich der kaiserliche Reichshofrat, den
die Sache deshalb anging, weil das holsteinische Plön, das inzwischen im
regelmäßigen Erbgang an Norburg gefallen war, als Lehen zu Deutschland
gehörte. Der Streit zog sich mehrere Jahre hin, bis auch der Nethwischer
selbst ohne Erben starb. Der Kaiser hatte jetzt nichts mehr gegen die Nach¬
folge Friedrich Karls einzuwenden, und Dorothea Christine von Eichelberg
erlebte den späten Triumph, daß ihre Ehe durch ein Konklusum des Reichshofrath
"für ein ordentliches und fürstliches rechtmüßiges Matrimonium" erklärt wurde.
Sie kam zu hohen Jahren und sah noch ihren Sohn vor sich sterben. Dieser
hatte keine münnliche Nachkommenschaft, und Dänemark, das sich schon früher
die schleswigschen Besitzungen hatte abtreten lassen, zog nun auch Plön ein.
Die Töchter aber galten unangefochten als Prinzessinnen; die eine herratete
einen Reichsgrafen von Erbach, die andre einen Bcrnburger, und dre nnttlere
wurde wenig Wochen vor dem Tode der ehrwürdigen Großmutter die Frau
des Herzogs Friedrich Christian von Augustenburg. So gehört auch die Amt-
mannstochter von Norburg. der die vortrefflichsten Eigenschaften nachgerühmt
werden, in die Ahnenreihe der deutschen Kaiserin.

Der Fall, daß eine unebenbürtige Ehe erst nach dem Tode des Gatten
durch kaiserlichen Spruch anerkannt wird, steht nicht vereinzelt da. Das Frünlem
von Eichelberg hat eine Schicksalsgenossin in Maria Esther von Westchen. der
Witwe eines Pfalzgrafen von Zweibrücken-Birkenfeld. Ihr Schwager Chnstmn.


Unebenbürtige Fürstenehen in frühern Jahrhunderten

Merkwürdigerweise war auch die Großmutter des Glücksburger „Protokoll-
Prinzen" und spätern Königs Christian des Neunten eine einfache Gräfin
Schließen, die Tochter eines preußischen Ministers.

In dem alten Schlosse Plön, wo sich heute die fröhliche Soldatenjugend
tummelt, regierte bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts ebenfalls
eine Sonderburgische Seitenlinie. Dem letzten Herzog Friedrich Karl war es
nicht leicht geworden, zu seinen Rechten zu kommen. Sein Vater, ein jüngerer
Bruder des Herzogs von Norburg, hatte, als er Fräulein Dorothea Christine
von Eichelberg heiratete, für seine Gemahlin und seine etwaigen Kinder auf
alle Standes- und Erbrechte verzichtet, um den ohnehin schon sehr unbedeu¬
tenden Familienbesitz nicht durch weitere Teilungen noch mehr zu verkleinern;
doch sollte dieser Verzicht nicht mehr gelten, wenn die männliche Nachkommen¬
schaft des Bruders ausstürbe. Der König von Dänemark, der für das auf
Alsen liegende Norburg Oberlehusherr und zugleich Oberhaupt des Hauses
war, bestätigte den Vertrag. So wurde der kleine, erst nach dem frühen Tode
seines Vaters geborne Friedrich Karl nicht als Prinz, sondern als Herr von
Karlstein erzogen. Der vorgesehene Fall trat sechzehn Jahre später (1722)
wirklich ein. Nun aber behauptete ein jüngerer Vetter seines Vaters, Herzog
von Sonderburg-Rethwisch, daß diese Ehe uicht standesgemäß gewesen sei,
konnte jedoch bei Dünemark damit uicht durchdringen. Der König erkannte
vielmehr den Herrn von Karlstein als Herzog an und belehnte ihn mit der
umstrittueu Herrschaft. Anders verhielt sich der kaiserliche Reichshofrat, den
die Sache deshalb anging, weil das holsteinische Plön, das inzwischen im
regelmäßigen Erbgang an Norburg gefallen war, als Lehen zu Deutschland
gehörte. Der Streit zog sich mehrere Jahre hin, bis auch der Nethwischer
selbst ohne Erben starb. Der Kaiser hatte jetzt nichts mehr gegen die Nach¬
folge Friedrich Karls einzuwenden, und Dorothea Christine von Eichelberg
erlebte den späten Triumph, daß ihre Ehe durch ein Konklusum des Reichshofrath
„für ein ordentliches und fürstliches rechtmüßiges Matrimonium" erklärt wurde.
Sie kam zu hohen Jahren und sah noch ihren Sohn vor sich sterben. Dieser
hatte keine münnliche Nachkommenschaft, und Dänemark, das sich schon früher
die schleswigschen Besitzungen hatte abtreten lassen, zog nun auch Plön ein.
Die Töchter aber galten unangefochten als Prinzessinnen; die eine herratete
einen Reichsgrafen von Erbach, die andre einen Bcrnburger, und dre nnttlere
wurde wenig Wochen vor dem Tode der ehrwürdigen Großmutter die Frau
des Herzogs Friedrich Christian von Augustenburg. So gehört auch die Amt-
mannstochter von Norburg. der die vortrefflichsten Eigenschaften nachgerühmt
werden, in die Ahnenreihe der deutschen Kaiserin.

Der Fall, daß eine unebenbürtige Ehe erst nach dem Tode des Gatten
durch kaiserlichen Spruch anerkannt wird, steht nicht vereinzelt da. Das Frünlem
von Eichelberg hat eine Schicksalsgenossin in Maria Esther von Westchen. der
Witwe eines Pfalzgrafen von Zweibrücken-Birkenfeld. Ihr Schwager Chnstmn.


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[0653] Unebenbürtige Fürstenehen in frühern Jahrhunderten Merkwürdigerweise war auch die Großmutter des Glücksburger „Protokoll- Prinzen" und spätern Königs Christian des Neunten eine einfache Gräfin Schließen, die Tochter eines preußischen Ministers. In dem alten Schlosse Plön, wo sich heute die fröhliche Soldatenjugend tummelt, regierte bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts ebenfalls eine Sonderburgische Seitenlinie. Dem letzten Herzog Friedrich Karl war es nicht leicht geworden, zu seinen Rechten zu kommen. Sein Vater, ein jüngerer Bruder des Herzogs von Norburg, hatte, als er Fräulein Dorothea Christine von Eichelberg heiratete, für seine Gemahlin und seine etwaigen Kinder auf alle Standes- und Erbrechte verzichtet, um den ohnehin schon sehr unbedeu¬ tenden Familienbesitz nicht durch weitere Teilungen noch mehr zu verkleinern; doch sollte dieser Verzicht nicht mehr gelten, wenn die männliche Nachkommen¬ schaft des Bruders ausstürbe. Der König von Dänemark, der für das auf Alsen liegende Norburg Oberlehusherr und zugleich Oberhaupt des Hauses war, bestätigte den Vertrag. So wurde der kleine, erst nach dem frühen Tode seines Vaters geborne Friedrich Karl nicht als Prinz, sondern als Herr von Karlstein erzogen. Der vorgesehene Fall trat sechzehn Jahre später (1722) wirklich ein. Nun aber behauptete ein jüngerer Vetter seines Vaters, Herzog von Sonderburg-Rethwisch, daß diese Ehe uicht standesgemäß gewesen sei, konnte jedoch bei Dünemark damit uicht durchdringen. Der König erkannte vielmehr den Herrn von Karlstein als Herzog an und belehnte ihn mit der umstrittueu Herrschaft. Anders verhielt sich der kaiserliche Reichshofrat, den die Sache deshalb anging, weil das holsteinische Plön, das inzwischen im regelmäßigen Erbgang an Norburg gefallen war, als Lehen zu Deutschland gehörte. Der Streit zog sich mehrere Jahre hin, bis auch der Nethwischer selbst ohne Erben starb. Der Kaiser hatte jetzt nichts mehr gegen die Nach¬ folge Friedrich Karls einzuwenden, und Dorothea Christine von Eichelberg erlebte den späten Triumph, daß ihre Ehe durch ein Konklusum des Reichshofrath „für ein ordentliches und fürstliches rechtmüßiges Matrimonium" erklärt wurde. Sie kam zu hohen Jahren und sah noch ihren Sohn vor sich sterben. Dieser hatte keine münnliche Nachkommenschaft, und Dänemark, das sich schon früher die schleswigschen Besitzungen hatte abtreten lassen, zog nun auch Plön ein. Die Töchter aber galten unangefochten als Prinzessinnen; die eine herratete einen Reichsgrafen von Erbach, die andre einen Bcrnburger, und dre nnttlere wurde wenig Wochen vor dem Tode der ehrwürdigen Großmutter die Frau des Herzogs Friedrich Christian von Augustenburg. So gehört auch die Amt- mannstochter von Norburg. der die vortrefflichsten Eigenschaften nachgerühmt werden, in die Ahnenreihe der deutschen Kaiserin. Der Fall, daß eine unebenbürtige Ehe erst nach dem Tode des Gatten durch kaiserlichen Spruch anerkannt wird, steht nicht vereinzelt da. Das Frünlem von Eichelberg hat eine Schicksalsgenossin in Maria Esther von Westchen. der Witwe eines Pfalzgrafen von Zweibrücken-Birkenfeld. Ihr Schwager Chnstmn.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/653>, abgerufen am 23.07.2024.