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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Die Sperlinge auf den, Naschmarkt

Bunick mit den Jahren ein wenig kurzatmig geworden und vermochte, besonders
bei dem starken Andrang an den Meßsonntagen, ihre Kunden trotz der töchterlichen
Hilfe nicht nichr so gewandt zu bedienen, wie sie es in ihrer Jugend getan hatte.
Dann war es ihr sehr erwünscht wenn ihr der gefällige Nachbar gelegentlich ein¬
mal beisprang, ein Pfefferkuchenpaket vom Wandbord herunterlangte, die Pfeffer¬
minztäfelchen abzählte oder die offne Papierdüte bereithielt, in der dem Kunden die
gebrannten Mandeln zugewogen werden sollten. Am nützlichsten aber machte er
sich des Abends, wenn die Dämmerung hereinbrach, und wenn das spärliche Licht
zweier Öllampen die süßen Herrlichkeiten seiner Nachbarin doppelt verführerisch er¬
scheinen ließ. Dann saß Eberhard Zinngräber ruhig in feiner Bude, stützte die
Arme auf das schmale Auslagebrett und beobachtete wnchsameu Auges die Straßen-
jugend, die sich in solchen Stunden immer in der Nähe umhertrieb und sehnsüchtige
Blicke auf die köstlich duftenden Erzeugnisse des Pulsnitzer Gewerbefleißes warf.
Wenn dann ein besonders verwegnes Bürschchen, von der Versuchung überwältigt,
sich über das siebente Gebot hinwegsetzte und einen kühnen Griff in die Kiste mit
den Pfeffernüssen oder dem überzuckerten Kalmus tat, dann fühlte sich der kleine
Missetäter Plötzlich von einer rätselhaften Kraft festgebannt, die Füße wollten nicht
von der Stelle, der ausgestreckte Arm schien in der Luft zu versteinern, und aus
der sich öffnenden Hand fiel eine Pfeffernuß nach der andern, ein Kalmusstück nach
dem andern wieder in die Kiste zurück. Der Frevler aber starrte entsetzten Ant¬
litzes den alten Mann an, der ruhig mit übereinandergeschlagnen Armen dasaß, kein
Wort sprach und den Blick seiner seltsamen Augen mit einem unheimlichen Lächeln
auf den Gebannten heftete, bis die Witwe Bunick auf ihren ausgetretnen Filz¬
schuhen aus der Bude schlürfte und den Übeltäter mit einer gesalznen Ohrfeige aus
seiner Verzauberung erlöste. So hatte der Alte schon manchen von seinem Appetit
auf unrechtmäßig erworbne Pfeffernüsse geheilt, und mehr als einer machte noch
als gereifter Mann, wenn ihn einmal während der Meßzeit sein Weg über den
Naschmarkt führte, einen weiten Umweg um die Buuicksche Auslage, an die sich für
ihn eine peinliche Erinnerung knüpfte.

War der Alte also bei der Jugend im allgemeinen mehr gefürchtet als geliebt,
so stand er mit den Töchtern seiner Nachbarin auf desto besserm Fuße. Bei der
strengen Mutter erwirkte er ihnen manche kleine Vergünstigung, nahm ihnen ge¬
legentlich eine unbequeme Arbeit ab und erheiterte sie, wenn es im Geschäft gerade
nicht viel zu tun gab, mit allerlei lustigen Schnurren, von denen ihm ein uner¬
schöpflicher Vorrat zur Verfügung stand. Kamen sie in die Jahre, wo sie unsicht¬
bare zarte Fäden nach der Heimat hinüberspannen, den Postboten mit fieberhafter
Ungeduld erwarteten und jeden Morgen aufs neue den Tag ihrer Heimreise be¬
rechneten, so war er bald der Vertraute ihrer kleinen und doch so unendlich wich¬
tigen Geheimnisse, half ihnen bei ihren Liebesbriefen und bezahlte das Porto aus
seiner eignen Tasche. Und wenn sie ihm dann beim Schlüsse der Messe mitteilten,
daß sie nun nicht wieder mit der Mutter nach Leipzig kommen würden, dann holte
er irgendein kleines Andenken hervor, das er in richtiger Voraussicht dieser Ent¬
hüllung längst gekauft und wohlverpackt in seiner geheimnisvollen Kiste aufbewahrt
hatte. So war die semmelblonde Sophie mit einer Blumenvase beglückt worden,
die traite Anna mit sechs Ellen seidnem Haarband, die schwarzäugige Sidonie mit
einer Korallenschnur, die rotwangige Katharina mit einem Nähkasten, die ernste An-
tonie mit Zschokkes "Stunden der Andacht" und die fröhliche Dorothea mit einer
Ziehharmonika.

Nun wirkte, wie schon gesagt, die kleine Christine an Mutter Buuicks Seite,
und der Alte beobachtete mit stillem Vergnügen, wie sich aus dem anfangs so


Die Sperlinge auf den, Naschmarkt

Bunick mit den Jahren ein wenig kurzatmig geworden und vermochte, besonders
bei dem starken Andrang an den Meßsonntagen, ihre Kunden trotz der töchterlichen
Hilfe nicht nichr so gewandt zu bedienen, wie sie es in ihrer Jugend getan hatte.
Dann war es ihr sehr erwünscht wenn ihr der gefällige Nachbar gelegentlich ein¬
mal beisprang, ein Pfefferkuchenpaket vom Wandbord herunterlangte, die Pfeffer¬
minztäfelchen abzählte oder die offne Papierdüte bereithielt, in der dem Kunden die
gebrannten Mandeln zugewogen werden sollten. Am nützlichsten aber machte er
sich des Abends, wenn die Dämmerung hereinbrach, und wenn das spärliche Licht
zweier Öllampen die süßen Herrlichkeiten seiner Nachbarin doppelt verführerisch er¬
scheinen ließ. Dann saß Eberhard Zinngräber ruhig in feiner Bude, stützte die
Arme auf das schmale Auslagebrett und beobachtete wnchsameu Auges die Straßen-
jugend, die sich in solchen Stunden immer in der Nähe umhertrieb und sehnsüchtige
Blicke auf die köstlich duftenden Erzeugnisse des Pulsnitzer Gewerbefleißes warf.
Wenn dann ein besonders verwegnes Bürschchen, von der Versuchung überwältigt,
sich über das siebente Gebot hinwegsetzte und einen kühnen Griff in die Kiste mit
den Pfeffernüssen oder dem überzuckerten Kalmus tat, dann fühlte sich der kleine
Missetäter Plötzlich von einer rätselhaften Kraft festgebannt, die Füße wollten nicht
von der Stelle, der ausgestreckte Arm schien in der Luft zu versteinern, und aus
der sich öffnenden Hand fiel eine Pfeffernuß nach der andern, ein Kalmusstück nach
dem andern wieder in die Kiste zurück. Der Frevler aber starrte entsetzten Ant¬
litzes den alten Mann an, der ruhig mit übereinandergeschlagnen Armen dasaß, kein
Wort sprach und den Blick seiner seltsamen Augen mit einem unheimlichen Lächeln
auf den Gebannten heftete, bis die Witwe Bunick auf ihren ausgetretnen Filz¬
schuhen aus der Bude schlürfte und den Übeltäter mit einer gesalznen Ohrfeige aus
seiner Verzauberung erlöste. So hatte der Alte schon manchen von seinem Appetit
auf unrechtmäßig erworbne Pfeffernüsse geheilt, und mehr als einer machte noch
als gereifter Mann, wenn ihn einmal während der Meßzeit sein Weg über den
Naschmarkt führte, einen weiten Umweg um die Buuicksche Auslage, an die sich für
ihn eine peinliche Erinnerung knüpfte.

War der Alte also bei der Jugend im allgemeinen mehr gefürchtet als geliebt,
so stand er mit den Töchtern seiner Nachbarin auf desto besserm Fuße. Bei der
strengen Mutter erwirkte er ihnen manche kleine Vergünstigung, nahm ihnen ge¬
legentlich eine unbequeme Arbeit ab und erheiterte sie, wenn es im Geschäft gerade
nicht viel zu tun gab, mit allerlei lustigen Schnurren, von denen ihm ein uner¬
schöpflicher Vorrat zur Verfügung stand. Kamen sie in die Jahre, wo sie unsicht¬
bare zarte Fäden nach der Heimat hinüberspannen, den Postboten mit fieberhafter
Ungeduld erwarteten und jeden Morgen aufs neue den Tag ihrer Heimreise be¬
rechneten, so war er bald der Vertraute ihrer kleinen und doch so unendlich wich¬
tigen Geheimnisse, half ihnen bei ihren Liebesbriefen und bezahlte das Porto aus
seiner eignen Tasche. Und wenn sie ihm dann beim Schlüsse der Messe mitteilten,
daß sie nun nicht wieder mit der Mutter nach Leipzig kommen würden, dann holte
er irgendein kleines Andenken hervor, das er in richtiger Voraussicht dieser Ent¬
hüllung längst gekauft und wohlverpackt in seiner geheimnisvollen Kiste aufbewahrt
hatte. So war die semmelblonde Sophie mit einer Blumenvase beglückt worden,
die traite Anna mit sechs Ellen seidnem Haarband, die schwarzäugige Sidonie mit
einer Korallenschnur, die rotwangige Katharina mit einem Nähkasten, die ernste An-
tonie mit Zschokkes „Stunden der Andacht" und die fröhliche Dorothea mit einer
Ziehharmonika.

Nun wirkte, wie schon gesagt, die kleine Christine an Mutter Buuicks Seite,
und der Alte beobachtete mit stillem Vergnügen, wie sich aus dem anfangs so


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[0618] Die Sperlinge auf den, Naschmarkt Bunick mit den Jahren ein wenig kurzatmig geworden und vermochte, besonders bei dem starken Andrang an den Meßsonntagen, ihre Kunden trotz der töchterlichen Hilfe nicht nichr so gewandt zu bedienen, wie sie es in ihrer Jugend getan hatte. Dann war es ihr sehr erwünscht wenn ihr der gefällige Nachbar gelegentlich ein¬ mal beisprang, ein Pfefferkuchenpaket vom Wandbord herunterlangte, die Pfeffer¬ minztäfelchen abzählte oder die offne Papierdüte bereithielt, in der dem Kunden die gebrannten Mandeln zugewogen werden sollten. Am nützlichsten aber machte er sich des Abends, wenn die Dämmerung hereinbrach, und wenn das spärliche Licht zweier Öllampen die süßen Herrlichkeiten seiner Nachbarin doppelt verführerisch er¬ scheinen ließ. Dann saß Eberhard Zinngräber ruhig in feiner Bude, stützte die Arme auf das schmale Auslagebrett und beobachtete wnchsameu Auges die Straßen- jugend, die sich in solchen Stunden immer in der Nähe umhertrieb und sehnsüchtige Blicke auf die köstlich duftenden Erzeugnisse des Pulsnitzer Gewerbefleißes warf. Wenn dann ein besonders verwegnes Bürschchen, von der Versuchung überwältigt, sich über das siebente Gebot hinwegsetzte und einen kühnen Griff in die Kiste mit den Pfeffernüssen oder dem überzuckerten Kalmus tat, dann fühlte sich der kleine Missetäter Plötzlich von einer rätselhaften Kraft festgebannt, die Füße wollten nicht von der Stelle, der ausgestreckte Arm schien in der Luft zu versteinern, und aus der sich öffnenden Hand fiel eine Pfeffernuß nach der andern, ein Kalmusstück nach dem andern wieder in die Kiste zurück. Der Frevler aber starrte entsetzten Ant¬ litzes den alten Mann an, der ruhig mit übereinandergeschlagnen Armen dasaß, kein Wort sprach und den Blick seiner seltsamen Augen mit einem unheimlichen Lächeln auf den Gebannten heftete, bis die Witwe Bunick auf ihren ausgetretnen Filz¬ schuhen aus der Bude schlürfte und den Übeltäter mit einer gesalznen Ohrfeige aus seiner Verzauberung erlöste. So hatte der Alte schon manchen von seinem Appetit auf unrechtmäßig erworbne Pfeffernüsse geheilt, und mehr als einer machte noch als gereifter Mann, wenn ihn einmal während der Meßzeit sein Weg über den Naschmarkt führte, einen weiten Umweg um die Buuicksche Auslage, an die sich für ihn eine peinliche Erinnerung knüpfte. War der Alte also bei der Jugend im allgemeinen mehr gefürchtet als geliebt, so stand er mit den Töchtern seiner Nachbarin auf desto besserm Fuße. Bei der strengen Mutter erwirkte er ihnen manche kleine Vergünstigung, nahm ihnen ge¬ legentlich eine unbequeme Arbeit ab und erheiterte sie, wenn es im Geschäft gerade nicht viel zu tun gab, mit allerlei lustigen Schnurren, von denen ihm ein uner¬ schöpflicher Vorrat zur Verfügung stand. Kamen sie in die Jahre, wo sie unsicht¬ bare zarte Fäden nach der Heimat hinüberspannen, den Postboten mit fieberhafter Ungeduld erwarteten und jeden Morgen aufs neue den Tag ihrer Heimreise be¬ rechneten, so war er bald der Vertraute ihrer kleinen und doch so unendlich wich¬ tigen Geheimnisse, half ihnen bei ihren Liebesbriefen und bezahlte das Porto aus seiner eignen Tasche. Und wenn sie ihm dann beim Schlüsse der Messe mitteilten, daß sie nun nicht wieder mit der Mutter nach Leipzig kommen würden, dann holte er irgendein kleines Andenken hervor, das er in richtiger Voraussicht dieser Ent¬ hüllung längst gekauft und wohlverpackt in seiner geheimnisvollen Kiste aufbewahrt hatte. So war die semmelblonde Sophie mit einer Blumenvase beglückt worden, die traite Anna mit sechs Ellen seidnem Haarband, die schwarzäugige Sidonie mit einer Korallenschnur, die rotwangige Katharina mit einem Nähkasten, die ernste An- tonie mit Zschokkes „Stunden der Andacht" und die fröhliche Dorothea mit einer Ziehharmonika. Nun wirkte, wie schon gesagt, die kleine Christine an Mutter Buuicks Seite, und der Alte beobachtete mit stillem Vergnügen, wie sich aus dem anfangs so

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/618>, abgerufen am 23.07.2024.