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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Die Entwicklung der optischen Telegraphie

schon 1795 zwei Strecken London-Dover und London-Portsmouth und
Schweden 1796 eine Linie Stockholm-Drothningholm eingerichtet hatten. Die
übrigen Staaten ließen sich mehr Zeit: Dänemark führte 1802 die optischen
Telegraphen ein, Italien (Venedig-Mailand) 1310, und Preußen folgte sogar
erst im Jahre 1833 nach, zunächst mit einer Linie Berlin-Magdeburg, ebenso
Österreich 1835 und Rußland 1839. Preußen hatte sich zwar erst sehr spät
zur Einführung der neuen Erfindung entschlossen -- was es dann aber schuf,
war wieder mustergiltig, und längere Zeit konnte es sich seit 1833 rühmen,
die längsten Telegraphenlinien der Welt zu haben: Berlin-Köln, Berlin--Koblenz
und Berlin-Trier; mit Hilfe von 50 je 15 Kilometer voneinander ent¬
fernten Stationen telegraphierte man binnen 15 Minuten von Berlin bis an
den Rhein über 110 Meilen hinweg. Bemerkenswert ist dabei, daß diese
preußischen Telegraphenlinien zunächst uur der Beförderung von Negierungs-
depeschen dienten, und daß es erst eines Antrags der Handelskammern bedürfte,
die Vorteile der schnellen Nachrichtenübermittlung auch für private Zwecke zu
erlangen.

Als im Jahre 1344 der elektrische Telegraph in Frankreich seinen Einzug
hielt, gab es in diesem Lande nicht weniger als 534 Stationen für optische
Telegraphie und 5000 Kilometer Chappelinien, die 29 größern Städten einen
telegraphischen Verkehr mit Paris ermöglichten.

Doch auch nachdem der elektrische Telegraph Eingang gefunden hatte,
ist die optische Telegraphie ein wichtiges und für viele Fälle unersetzbares
Verständigungsmittel geblieben. In den meisten Kriegen des letzten halben
Jahrhunderts haben die optischen Telegraphen mannigfache Verwendung ge¬
funden, so im Krimkrieg, im amerikanischen Sezessionskrieg, wo besonders
zwischen Land und Schiffen durch Blickfeuer Signale ausgetauscht wurden, in
den Feldzügen der Österreicher 1859 vor Mantua und Verona und 1878 in
umfangreichen Maßstab in Bosnien. Heliographensysteme der verschiedensten
Art und die seit alter Zeit gebräuchlichen Naketenzeichen spielen bis auf den
heutigen Tag eine große Rolle in den Heeren der Nationen; 1871 vermittelte
im Krieg gegen die Kommune ein Heliograph den Verkehr zwischen dem Haupt¬
quartier in Versailles und dem Mont Valerien, und andrerseits diente während
der Belagerung von Paris zum erstenmal das elektrische Licht für optische
Signale von den Wällen. Welche unschätzbare Bedeutung ferner dem Helio¬
graphen insbesondre bei den Feldzügen in den sonnenscheinreichen Tropen zu¬
kommt, so bei den Expeditionen der Engländer in Afghanistan und Indien,
im Sudan und hauptsächlich im Kriege gegen die Burenrepubliken (Entsatz von
Ladysmith und Kimberley), ist sattsam bekannt. Auch die Deutschen haben sich
im chinesischen Feldzug und ebenso im Kampf gegen die Hereros der Helio¬
graphen in ausgiebigster Weise mit vortrefflichem Erfolge bedient. Die Japaner
haben im Kriege gegen Nußland sowohl die Heliographen wie Flaggensignale
zu Lande und zu Wasser benutzt.


Die Entwicklung der optischen Telegraphie

schon 1795 zwei Strecken London-Dover und London-Portsmouth und
Schweden 1796 eine Linie Stockholm-Drothningholm eingerichtet hatten. Die
übrigen Staaten ließen sich mehr Zeit: Dänemark führte 1802 die optischen
Telegraphen ein, Italien (Venedig-Mailand) 1310, und Preußen folgte sogar
erst im Jahre 1833 nach, zunächst mit einer Linie Berlin-Magdeburg, ebenso
Österreich 1835 und Rußland 1839. Preußen hatte sich zwar erst sehr spät
zur Einführung der neuen Erfindung entschlossen — was es dann aber schuf,
war wieder mustergiltig, und längere Zeit konnte es sich seit 1833 rühmen,
die längsten Telegraphenlinien der Welt zu haben: Berlin-Köln, Berlin—Koblenz
und Berlin-Trier; mit Hilfe von 50 je 15 Kilometer voneinander ent¬
fernten Stationen telegraphierte man binnen 15 Minuten von Berlin bis an
den Rhein über 110 Meilen hinweg. Bemerkenswert ist dabei, daß diese
preußischen Telegraphenlinien zunächst uur der Beförderung von Negierungs-
depeschen dienten, und daß es erst eines Antrags der Handelskammern bedürfte,
die Vorteile der schnellen Nachrichtenübermittlung auch für private Zwecke zu
erlangen.

Als im Jahre 1344 der elektrische Telegraph in Frankreich seinen Einzug
hielt, gab es in diesem Lande nicht weniger als 534 Stationen für optische
Telegraphie und 5000 Kilometer Chappelinien, die 29 größern Städten einen
telegraphischen Verkehr mit Paris ermöglichten.

Doch auch nachdem der elektrische Telegraph Eingang gefunden hatte,
ist die optische Telegraphie ein wichtiges und für viele Fälle unersetzbares
Verständigungsmittel geblieben. In den meisten Kriegen des letzten halben
Jahrhunderts haben die optischen Telegraphen mannigfache Verwendung ge¬
funden, so im Krimkrieg, im amerikanischen Sezessionskrieg, wo besonders
zwischen Land und Schiffen durch Blickfeuer Signale ausgetauscht wurden, in
den Feldzügen der Österreicher 1859 vor Mantua und Verona und 1878 in
umfangreichen Maßstab in Bosnien. Heliographensysteme der verschiedensten
Art und die seit alter Zeit gebräuchlichen Naketenzeichen spielen bis auf den
heutigen Tag eine große Rolle in den Heeren der Nationen; 1871 vermittelte
im Krieg gegen die Kommune ein Heliograph den Verkehr zwischen dem Haupt¬
quartier in Versailles und dem Mont Valerien, und andrerseits diente während
der Belagerung von Paris zum erstenmal das elektrische Licht für optische
Signale von den Wällen. Welche unschätzbare Bedeutung ferner dem Helio¬
graphen insbesondre bei den Feldzügen in den sonnenscheinreichen Tropen zu¬
kommt, so bei den Expeditionen der Engländer in Afghanistan und Indien,
im Sudan und hauptsächlich im Kriege gegen die Burenrepubliken (Entsatz von
Ladysmith und Kimberley), ist sattsam bekannt. Auch die Deutschen haben sich
im chinesischen Feldzug und ebenso im Kampf gegen die Hereros der Helio¬
graphen in ausgiebigster Weise mit vortrefflichem Erfolge bedient. Die Japaner
haben im Kriege gegen Nußland sowohl die Heliographen wie Flaggensignale
zu Lande und zu Wasser benutzt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/588>, abgerufen am 23.07.2024.