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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Baku

des Unfertigen, einen Eindruck, den die mangelhafte Ausstattung der Straßen
mit guten Trottoirs, die meist schlechte Pflasterung noch vertieft. Das ist eben
das Häßliche an diesen über Nacht groß gewordnen Industriestädten, daß man
ihnen sozusagen an der schäbigen Eleganz, an den Mängeln des Umzugs den
Emporkömmling überall ansieht. Dabei sind in Baku auch die Taschen leer.
Die im Laufe dieses Sommers vvrgenommne Revision der Kassen ergab außer
fehlenden Barmitteln ungesetzliche Anleihen und Fondsübertragungen, schlechte
Verwaltung und daneben ungesunde sanitäre Zustände, unglaubliche Wohnungs-
verhältnisse und in jeder Hinsicht ungeregelte Beziehungen zwischen Arbeitgebern
und Arbeitnehmern. Aber noch etwas andres stört das Stadtbild von Baku.
Die glühende Sonne, die im Sommer herniederprallt, "backt", wie sich die russische
Sprache sehr bezeichnend ausdrückt, läßt auf dem von Natur kahlen Gelände
auch bei emsigstem Bemühn nichts Grünes gedeihen: nur ganz ärmlicher Baum¬
wuchs fristet am städtischen Boulevard ein trauriges Dasein und erweckt in der
kühlen Jahreszeit unsrer Reise Schrecken bei dem Gedanken an die ungemildcrte
Glut der Sommersonnenbestrahlung der breiten Straßen. Die Feueranbeter in
Ssurachcmy auf der Apscheronhalbinsel, dem Hauptseite der Petrvleumquellen,
sind wirklich in jeder Beziehung berechtigt gewesen, hier eine Stätte ihres Knies
einzurichten und zu verehren.

Ob man sichs nur einbildet, oder ob es Tatsache ist: über dem Ganzen
liegt der Geruch der Petroleumdämpfe, die die Schornsteine der Schwarzen und
der Weißen Stadt in die Luft senden. Ganz großartig sind die Anlagen der
verschiednen an der Naphthagewinnung und -Verarbeitung beteiligten Firmen und
Besitzer, die in dem sich fast ohne ihr Zutun ergießenden Zustrom des Erdöls
eine reiche Einnahmequelle ihr eigen nennen. Bekanntlich durchbricht das Naphtha,
wenn eine besonders reiche Ader erschlossen ist, viel Dutzend Meter starke Erd¬
schichten, springt in mächtigen Fontänen aus Tiefen bis zu 300 Metern über
die Erdoberfläche empor, bis allmählich der Druck nachläßt, und die dünnflüssige
grünliche Masse durch Pumpwerke und sinnreiche Schöpfeinrichtungen gehoben
werden muß. Außer dem schon genannten Feld von Balachany-Ssabuntschi-
Romany auf der Apscheronhalbinsel ist das von Bibi-Eibat, südlich von Baku,
von Bedeutung. Dort in der Nähe entleert die Erde einen Teil ihres Reichtums
sogar in das Meer. Schwarze Eisenrohrleitungen führen das gewonnene Roh¬
material zu den Gewerken, in denen aus dem Rohstoff durch Naffinierung das
klare Kerassinpetroleum gewonnen wird. Von der Ausdehnung des Gesamt¬
betriebes gibt die nachfolgende amtlich cmfgenommne Zusammenstellung annähernd
einen Begriff.

Es waren im Sonimer 1905 vorhanden in:

Balachanu Ssabuntschi Romanu Bibi-Eibat Sabrat
im Betrieb.......... 541 S06 195 194 1 Bohrtürme
vorübergehend außer Betrieb
oder noch nicht fertig... 100 215 138 195 --
gänzlich außer Betrieb. ... 339 452 71 27 22 "

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des Unfertigen, einen Eindruck, den die mangelhafte Ausstattung der Straßen
mit guten Trottoirs, die meist schlechte Pflasterung noch vertieft. Das ist eben
das Häßliche an diesen über Nacht groß gewordnen Industriestädten, daß man
ihnen sozusagen an der schäbigen Eleganz, an den Mängeln des Umzugs den
Emporkömmling überall ansieht. Dabei sind in Baku auch die Taschen leer.
Die im Laufe dieses Sommers vvrgenommne Revision der Kassen ergab außer
fehlenden Barmitteln ungesetzliche Anleihen und Fondsübertragungen, schlechte
Verwaltung und daneben ungesunde sanitäre Zustände, unglaubliche Wohnungs-
verhältnisse und in jeder Hinsicht ungeregelte Beziehungen zwischen Arbeitgebern
und Arbeitnehmern. Aber noch etwas andres stört das Stadtbild von Baku.
Die glühende Sonne, die im Sommer herniederprallt, „backt", wie sich die russische
Sprache sehr bezeichnend ausdrückt, läßt auf dem von Natur kahlen Gelände
auch bei emsigstem Bemühn nichts Grünes gedeihen: nur ganz ärmlicher Baum¬
wuchs fristet am städtischen Boulevard ein trauriges Dasein und erweckt in der
kühlen Jahreszeit unsrer Reise Schrecken bei dem Gedanken an die ungemildcrte
Glut der Sommersonnenbestrahlung der breiten Straßen. Die Feueranbeter in
Ssurachcmy auf der Apscheronhalbinsel, dem Hauptseite der Petrvleumquellen,
sind wirklich in jeder Beziehung berechtigt gewesen, hier eine Stätte ihres Knies
einzurichten und zu verehren.

Ob man sichs nur einbildet, oder ob es Tatsache ist: über dem Ganzen
liegt der Geruch der Petroleumdämpfe, die die Schornsteine der Schwarzen und
der Weißen Stadt in die Luft senden. Ganz großartig sind die Anlagen der
verschiednen an der Naphthagewinnung und -Verarbeitung beteiligten Firmen und
Besitzer, die in dem sich fast ohne ihr Zutun ergießenden Zustrom des Erdöls
eine reiche Einnahmequelle ihr eigen nennen. Bekanntlich durchbricht das Naphtha,
wenn eine besonders reiche Ader erschlossen ist, viel Dutzend Meter starke Erd¬
schichten, springt in mächtigen Fontänen aus Tiefen bis zu 300 Metern über
die Erdoberfläche empor, bis allmählich der Druck nachläßt, und die dünnflüssige
grünliche Masse durch Pumpwerke und sinnreiche Schöpfeinrichtungen gehoben
werden muß. Außer dem schon genannten Feld von Balachany-Ssabuntschi-
Romany auf der Apscheronhalbinsel ist das von Bibi-Eibat, südlich von Baku,
von Bedeutung. Dort in der Nähe entleert die Erde einen Teil ihres Reichtums
sogar in das Meer. Schwarze Eisenrohrleitungen führen das gewonnene Roh¬
material zu den Gewerken, in denen aus dem Rohstoff durch Naffinierung das
klare Kerassinpetroleum gewonnen wird. Von der Ausdehnung des Gesamt¬
betriebes gibt die nachfolgende amtlich cmfgenommne Zusammenstellung annähernd
einen Begriff.

Es waren im Sonimer 1905 vorhanden in:

Balachanu Ssabuntschi Romanu Bibi-Eibat Sabrat
im Betrieb.......... 541 S06 195 194 1 Bohrtürme
vorübergehend außer Betrieb
oder noch nicht fertig... 100 215 138 195 —
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[0324] Baku des Unfertigen, einen Eindruck, den die mangelhafte Ausstattung der Straßen mit guten Trottoirs, die meist schlechte Pflasterung noch vertieft. Das ist eben das Häßliche an diesen über Nacht groß gewordnen Industriestädten, daß man ihnen sozusagen an der schäbigen Eleganz, an den Mängeln des Umzugs den Emporkömmling überall ansieht. Dabei sind in Baku auch die Taschen leer. Die im Laufe dieses Sommers vvrgenommne Revision der Kassen ergab außer fehlenden Barmitteln ungesetzliche Anleihen und Fondsübertragungen, schlechte Verwaltung und daneben ungesunde sanitäre Zustände, unglaubliche Wohnungs- verhältnisse und in jeder Hinsicht ungeregelte Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Aber noch etwas andres stört das Stadtbild von Baku. Die glühende Sonne, die im Sommer herniederprallt, „backt", wie sich die russische Sprache sehr bezeichnend ausdrückt, läßt auf dem von Natur kahlen Gelände auch bei emsigstem Bemühn nichts Grünes gedeihen: nur ganz ärmlicher Baum¬ wuchs fristet am städtischen Boulevard ein trauriges Dasein und erweckt in der kühlen Jahreszeit unsrer Reise Schrecken bei dem Gedanken an die ungemildcrte Glut der Sommersonnenbestrahlung der breiten Straßen. Die Feueranbeter in Ssurachcmy auf der Apscheronhalbinsel, dem Hauptseite der Petrvleumquellen, sind wirklich in jeder Beziehung berechtigt gewesen, hier eine Stätte ihres Knies einzurichten und zu verehren. Ob man sichs nur einbildet, oder ob es Tatsache ist: über dem Ganzen liegt der Geruch der Petroleumdämpfe, die die Schornsteine der Schwarzen und der Weißen Stadt in die Luft senden. Ganz großartig sind die Anlagen der verschiednen an der Naphthagewinnung und -Verarbeitung beteiligten Firmen und Besitzer, die in dem sich fast ohne ihr Zutun ergießenden Zustrom des Erdöls eine reiche Einnahmequelle ihr eigen nennen. Bekanntlich durchbricht das Naphtha, wenn eine besonders reiche Ader erschlossen ist, viel Dutzend Meter starke Erd¬ schichten, springt in mächtigen Fontänen aus Tiefen bis zu 300 Metern über die Erdoberfläche empor, bis allmählich der Druck nachläßt, und die dünnflüssige grünliche Masse durch Pumpwerke und sinnreiche Schöpfeinrichtungen gehoben werden muß. Außer dem schon genannten Feld von Balachany-Ssabuntschi- Romany auf der Apscheronhalbinsel ist das von Bibi-Eibat, südlich von Baku, von Bedeutung. Dort in der Nähe entleert die Erde einen Teil ihres Reichtums sogar in das Meer. Schwarze Eisenrohrleitungen führen das gewonnene Roh¬ material zu den Gewerken, in denen aus dem Rohstoff durch Naffinierung das klare Kerassinpetroleum gewonnen wird. Von der Ausdehnung des Gesamt¬ betriebes gibt die nachfolgende amtlich cmfgenommne Zusammenstellung annähernd einen Begriff. Es waren im Sonimer 1905 vorhanden in: Balachanu Ssabuntschi Romanu Bibi-Eibat Sabrat im Betrieb.......... 541 S06 195 194 1 Bohrtürme vorübergehend außer Betrieb oder noch nicht fertig... 100 215 138 195 — gänzlich außer Betrieb. ... 339 452 71 27 22 „

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/324>, abgerufen am 23.07.2024.