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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Materialistische Strömungen in der amerikanischen Literatur

das amerikanische Schwein in einem Schmutzpfuhl -- es war kaum ein Schön¬
heitsfleck an ihm außer seinem Ringelschwänzchen -- und hinterlasse es appe¬
titlich verpackt in Phantasiebttchseu, über und über mit goldnen Medaille"
behängt."

Er ist eine scharf umrissene, imponierende Gestalt, der alte Graham; in
seiner unbeugsamen Willensstärke, seiner straffen Selbstzucht durchaus nicht un¬
sympathisch, denn er gehört in vielen Beziehungen, vor allem in seinem ehr¬
lichen Streben, gerecht zu sein und den geraden Weg zu gehn, noch zur alten
Schule. Was er freilich den geraden Weg nennt, schließt mancherlei raffinierte
Geschüftsknisfe mit ein, und wenn infolge solcher erfolgreich ausgeklügelten
Manipulationen ein Rivale aus dem Sattel gehoben wird, so beschwert das
Gradaus Gewissen durchaus uicht. So etwas wäre falsche Sentimentalität; sein
Vorgehn erscheint ihm nur als eine durchaus berechtigte Kraftübung im Kampf
ums Dasein. Ist der andre, sein besiegter Gegner, ein tüchtiger Kerl, so wird
er sich schon wieder heraufarbeiten, wo nicht -- so hat die Menschheit nichts
an ihm verloren.

Dennoch ist Grccham der wüsten Spekulation abhold; er gehört zu den
Leuten, die Wetten für eine Sünde halten und deshalb nur dann darauf ein¬
gehn, wenn sie des Gewinns sicher sind. Er sagt einige kluge, originelle Worte
über das Börsenspiel: "Der Vater der Lügen wohnt in der Hölle, aber ein gut
Teil seiner Zeit bringt er in Chicago zu." Als sein Sohn eine Goldminc
kaufen will, schreibt er ihm: "Fast jedes Unternehmen, das kleine Kapitalisten
schnell reich zu machen verspricht, gleicht einem der Jellowstone Geysirs, die
mit Spektakel und Gebrüll geradeswegs aus dem Hades emporschießen -- es
muß notwendig früher oder später in seinen heimatlichen Schwefelpfuhl zurück
und hinterläßt nichts als ein bißchen Qualm und den Geruch verbrannten
Geldes -- deines Geldes!" Ehrliche Arbeit hingegen: "Durch vierzigjährige
Erfahrung habe ich herausgefunden, daß Arbeit zu ihren Freunden gütig ist
und hart gegen ihre Feinde. Dem, der sie haßt, bewilligt sie nur seinen Lohn,
und der ist meist karg genug; aber wer seine Freude an ihr hat, der bekommt
alles Geld, was er haben will, und noch ein gut Teil Spaß und Zufriedenheit
obendrein. . . . Der Mann, der gesagt hat, man könne aus einem Schweine-
vhr keine seidne Börse machen, war nie in einer Konservenfabrik. Du kannst
die Börse machen und kannst sie auch füllen vermittelst derselben Kreatur. Was
du aber nicht kannst, ist, einen Bericht aus Mondschein und ein Inventar aus
Wind zusammenstellen und ein reelleres Ergebnis erwarten als ein Mond¬
scheinsegel, das dich in den Bankerott hineinbugsiert. Die Jungen einer Wild¬
katze bleiben Wildkatzen, und es hat keinen Zweck, damit zu rechnen, daß Angoras
daraus werden."

In äußerst humoristischer Weise ist Grcchams ganze Lebensanschauung mit
Bildern aus seiner Berufstätigkeit durchsetzt. Vor allein das amerikanische Ferkel,
das er als Produkt seines Geschäftsgenies betrachtet, muß als Beispiel und


Materialistische Strömungen in der amerikanischen Literatur

das amerikanische Schwein in einem Schmutzpfuhl — es war kaum ein Schön¬
heitsfleck an ihm außer seinem Ringelschwänzchen — und hinterlasse es appe¬
titlich verpackt in Phantasiebttchseu, über und über mit goldnen Medaille«
behängt."

Er ist eine scharf umrissene, imponierende Gestalt, der alte Graham; in
seiner unbeugsamen Willensstärke, seiner straffen Selbstzucht durchaus nicht un¬
sympathisch, denn er gehört in vielen Beziehungen, vor allem in seinem ehr¬
lichen Streben, gerecht zu sein und den geraden Weg zu gehn, noch zur alten
Schule. Was er freilich den geraden Weg nennt, schließt mancherlei raffinierte
Geschüftsknisfe mit ein, und wenn infolge solcher erfolgreich ausgeklügelten
Manipulationen ein Rivale aus dem Sattel gehoben wird, so beschwert das
Gradaus Gewissen durchaus uicht. So etwas wäre falsche Sentimentalität; sein
Vorgehn erscheint ihm nur als eine durchaus berechtigte Kraftübung im Kampf
ums Dasein. Ist der andre, sein besiegter Gegner, ein tüchtiger Kerl, so wird
er sich schon wieder heraufarbeiten, wo nicht — so hat die Menschheit nichts
an ihm verloren.

Dennoch ist Grccham der wüsten Spekulation abhold; er gehört zu den
Leuten, die Wetten für eine Sünde halten und deshalb nur dann darauf ein¬
gehn, wenn sie des Gewinns sicher sind. Er sagt einige kluge, originelle Worte
über das Börsenspiel: „Der Vater der Lügen wohnt in der Hölle, aber ein gut
Teil seiner Zeit bringt er in Chicago zu." Als sein Sohn eine Goldminc
kaufen will, schreibt er ihm: „Fast jedes Unternehmen, das kleine Kapitalisten
schnell reich zu machen verspricht, gleicht einem der Jellowstone Geysirs, die
mit Spektakel und Gebrüll geradeswegs aus dem Hades emporschießen — es
muß notwendig früher oder später in seinen heimatlichen Schwefelpfuhl zurück
und hinterläßt nichts als ein bißchen Qualm und den Geruch verbrannten
Geldes — deines Geldes!" Ehrliche Arbeit hingegen: „Durch vierzigjährige
Erfahrung habe ich herausgefunden, daß Arbeit zu ihren Freunden gütig ist
und hart gegen ihre Feinde. Dem, der sie haßt, bewilligt sie nur seinen Lohn,
und der ist meist karg genug; aber wer seine Freude an ihr hat, der bekommt
alles Geld, was er haben will, und noch ein gut Teil Spaß und Zufriedenheit
obendrein. . . . Der Mann, der gesagt hat, man könne aus einem Schweine-
vhr keine seidne Börse machen, war nie in einer Konservenfabrik. Du kannst
die Börse machen und kannst sie auch füllen vermittelst derselben Kreatur. Was
du aber nicht kannst, ist, einen Bericht aus Mondschein und ein Inventar aus
Wind zusammenstellen und ein reelleres Ergebnis erwarten als ein Mond¬
scheinsegel, das dich in den Bankerott hineinbugsiert. Die Jungen einer Wild¬
katze bleiben Wildkatzen, und es hat keinen Zweck, damit zu rechnen, daß Angoras
daraus werden."

In äußerst humoristischer Weise ist Grcchams ganze Lebensanschauung mit
Bildern aus seiner Berufstätigkeit durchsetzt. Vor allein das amerikanische Ferkel,
das er als Produkt seines Geschäftsgenies betrachtet, muß als Beispiel und


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[0315] Materialistische Strömungen in der amerikanischen Literatur das amerikanische Schwein in einem Schmutzpfuhl — es war kaum ein Schön¬ heitsfleck an ihm außer seinem Ringelschwänzchen — und hinterlasse es appe¬ titlich verpackt in Phantasiebttchseu, über und über mit goldnen Medaille« behängt." Er ist eine scharf umrissene, imponierende Gestalt, der alte Graham; in seiner unbeugsamen Willensstärke, seiner straffen Selbstzucht durchaus nicht un¬ sympathisch, denn er gehört in vielen Beziehungen, vor allem in seinem ehr¬ lichen Streben, gerecht zu sein und den geraden Weg zu gehn, noch zur alten Schule. Was er freilich den geraden Weg nennt, schließt mancherlei raffinierte Geschüftsknisfe mit ein, und wenn infolge solcher erfolgreich ausgeklügelten Manipulationen ein Rivale aus dem Sattel gehoben wird, so beschwert das Gradaus Gewissen durchaus uicht. So etwas wäre falsche Sentimentalität; sein Vorgehn erscheint ihm nur als eine durchaus berechtigte Kraftübung im Kampf ums Dasein. Ist der andre, sein besiegter Gegner, ein tüchtiger Kerl, so wird er sich schon wieder heraufarbeiten, wo nicht — so hat die Menschheit nichts an ihm verloren. Dennoch ist Grccham der wüsten Spekulation abhold; er gehört zu den Leuten, die Wetten für eine Sünde halten und deshalb nur dann darauf ein¬ gehn, wenn sie des Gewinns sicher sind. Er sagt einige kluge, originelle Worte über das Börsenspiel: „Der Vater der Lügen wohnt in der Hölle, aber ein gut Teil seiner Zeit bringt er in Chicago zu." Als sein Sohn eine Goldminc kaufen will, schreibt er ihm: „Fast jedes Unternehmen, das kleine Kapitalisten schnell reich zu machen verspricht, gleicht einem der Jellowstone Geysirs, die mit Spektakel und Gebrüll geradeswegs aus dem Hades emporschießen — es muß notwendig früher oder später in seinen heimatlichen Schwefelpfuhl zurück und hinterläßt nichts als ein bißchen Qualm und den Geruch verbrannten Geldes — deines Geldes!" Ehrliche Arbeit hingegen: „Durch vierzigjährige Erfahrung habe ich herausgefunden, daß Arbeit zu ihren Freunden gütig ist und hart gegen ihre Feinde. Dem, der sie haßt, bewilligt sie nur seinen Lohn, und der ist meist karg genug; aber wer seine Freude an ihr hat, der bekommt alles Geld, was er haben will, und noch ein gut Teil Spaß und Zufriedenheit obendrein. . . . Der Mann, der gesagt hat, man könne aus einem Schweine- vhr keine seidne Börse machen, war nie in einer Konservenfabrik. Du kannst die Börse machen und kannst sie auch füllen vermittelst derselben Kreatur. Was du aber nicht kannst, ist, einen Bericht aus Mondschein und ein Inventar aus Wind zusammenstellen und ein reelleres Ergebnis erwarten als ein Mond¬ scheinsegel, das dich in den Bankerott hineinbugsiert. Die Jungen einer Wild¬ katze bleiben Wildkatzen, und es hat keinen Zweck, damit zu rechnen, daß Angoras daraus werden." In äußerst humoristischer Weise ist Grcchams ganze Lebensanschauung mit Bildern aus seiner Berufstätigkeit durchsetzt. Vor allein das amerikanische Ferkel, das er als Produkt seines Geschäftsgenies betrachtet, muß als Beispiel und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/315>, abgerufen am 23.07.2024.