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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Die Bernstorffs

leiten, las vor oder empfing seine Ordres für den Tag. ... Sie war der Gegen¬
stand seiner ausgesuchtesten Junggesellengalanterie; er besorgte Parfüms,
Pomaden und Seife, half ihr beim Arrangement ihrer Feste, war ihr Reise¬
marschall und dann und wann auch ihr Sekretär. . . . Alles, was sich auf
ihrer beider Gesundheit bezog, erfüllte sie beide mit Unruhe. Man war
damals bis zum Übermaß sensibel in bezug auf die eigne Gesundheit und die
andrer; wir erhalten Mitteilung davon, wenn Madame Schmerzen im Kopf,
Rücken oder Magen hat; über die Wirkung eines neuen Abführmittels wird
eingehend verhandelt. Dann und wann verbot sie ihm, ihr seinen Besuch ab¬
zustatten, wenn sie wußte, daß er dann in der Nacht bei Licht arbeiten müsse,
um seine Korrespondenz zu erledigen."

Aber Bernstorff hatte auch Bekanntschaften andrer Art. In Metz war
er 1744 Zeuge, wie Ludwig der Fünfzehnte während einer schweren Krank¬
heit aus Angst vor dem Tode und aus Neue über sein bisheriges Leben seine
Maitresse, die Herzogin von Chateauroux, nebst ihrem Anhang verstieß, um
sich wieder seiner Gemahlin zuzuwenden -- aber wenig Monate später war
die Chateauroux wieder in ihrer alten Stellung, bis sie im Dezember 1744
starb. Wieder begann ein Wettlauf der hochgebornen Schönen des Hofes
um die Entscheidung der Frage, wer an die Stelle der Verstorbnen treten
sollte. Bernstorff war zugegen bei all den Festen und Bällen, wo die Damen
ihre Reize vor den Augen des Königs zur Schau trugen, und am Donners¬
tag, den 25. Februar, war er auch auf dem Maskenball, der zu Ehren der
Vermählung des Dauphins mit einer spanischen Infantin im Schlosse abge¬
halten wurde. Nachher schrieb er in seinen Notizkalender "Anfang der
Avanture von Madame d'Etiolles". Er hatte also gesehen, wie die auch ihm
wohlbekannte schöne Frau mit dem "blondgelockten, elegant getragnen Köpfchen",
die der König bald darauf zur Marquise von Pompadour erhob, in ver¬
führerischer Verkleidung den König zu einer Annäherung nach der andern
reizte, dann ihr Taschentuch fallen ließ, das der König aufhob und ihr mit
den Worten zuwarf: 1^6 uioueuoir est M. Bernstorff war auch zugegen, als
am 14. September 1745 die feierliche Präsentation der Madame d'Etiolles
bei Hofe stattfand; er sah das Erröten des Königs und ihre Verlegenheit,
als sie von der Königin Maria Leszczynska empfangen wurde. Auch Bernstorff
hat sich nicht geschämt, der neuen Maitresse zu schmeicheln. Wie Voltaire den
Augenblick, wo er sie beim Zeichnen angetroffen hatte, durch den eleganten
Vers verherrlichte:

so hat auch Bernstorff der Marquise zum Beispiel eine kostbare Porzellanuhr
mit einem "zuckersüßen" Briefchen gesandt. Alle Gesandten fremder Mächte


Die Bernstorffs

leiten, las vor oder empfing seine Ordres für den Tag. ... Sie war der Gegen¬
stand seiner ausgesuchtesten Junggesellengalanterie; er besorgte Parfüms,
Pomaden und Seife, half ihr beim Arrangement ihrer Feste, war ihr Reise¬
marschall und dann und wann auch ihr Sekretär. . . . Alles, was sich auf
ihrer beider Gesundheit bezog, erfüllte sie beide mit Unruhe. Man war
damals bis zum Übermaß sensibel in bezug auf die eigne Gesundheit und die
andrer; wir erhalten Mitteilung davon, wenn Madame Schmerzen im Kopf,
Rücken oder Magen hat; über die Wirkung eines neuen Abführmittels wird
eingehend verhandelt. Dann und wann verbot sie ihm, ihr seinen Besuch ab¬
zustatten, wenn sie wußte, daß er dann in der Nacht bei Licht arbeiten müsse,
um seine Korrespondenz zu erledigen."

Aber Bernstorff hatte auch Bekanntschaften andrer Art. In Metz war
er 1744 Zeuge, wie Ludwig der Fünfzehnte während einer schweren Krank¬
heit aus Angst vor dem Tode und aus Neue über sein bisheriges Leben seine
Maitresse, die Herzogin von Chateauroux, nebst ihrem Anhang verstieß, um
sich wieder seiner Gemahlin zuzuwenden — aber wenig Monate später war
die Chateauroux wieder in ihrer alten Stellung, bis sie im Dezember 1744
starb. Wieder begann ein Wettlauf der hochgebornen Schönen des Hofes
um die Entscheidung der Frage, wer an die Stelle der Verstorbnen treten
sollte. Bernstorff war zugegen bei all den Festen und Bällen, wo die Damen
ihre Reize vor den Augen des Königs zur Schau trugen, und am Donners¬
tag, den 25. Februar, war er auch auf dem Maskenball, der zu Ehren der
Vermählung des Dauphins mit einer spanischen Infantin im Schlosse abge¬
halten wurde. Nachher schrieb er in seinen Notizkalender „Anfang der
Avanture von Madame d'Etiolles". Er hatte also gesehen, wie die auch ihm
wohlbekannte schöne Frau mit dem „blondgelockten, elegant getragnen Köpfchen",
die der König bald darauf zur Marquise von Pompadour erhob, in ver¬
führerischer Verkleidung den König zu einer Annäherung nach der andern
reizte, dann ihr Taschentuch fallen ließ, das der König aufhob und ihr mit
den Worten zuwarf: 1^6 uioueuoir est M. Bernstorff war auch zugegen, als
am 14. September 1745 die feierliche Präsentation der Madame d'Etiolles
bei Hofe stattfand; er sah das Erröten des Königs und ihre Verlegenheit,
als sie von der Königin Maria Leszczynska empfangen wurde. Auch Bernstorff
hat sich nicht geschämt, der neuen Maitresse zu schmeicheln. Wie Voltaire den
Augenblick, wo er sie beim Zeichnen angetroffen hatte, durch den eleganten
Vers verherrlichte:

so hat auch Bernstorff der Marquise zum Beispiel eine kostbare Porzellanuhr
mit einem „zuckersüßen" Briefchen gesandt. Alle Gesandten fremder Mächte


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[0254] Die Bernstorffs leiten, las vor oder empfing seine Ordres für den Tag. ... Sie war der Gegen¬ stand seiner ausgesuchtesten Junggesellengalanterie; er besorgte Parfüms, Pomaden und Seife, half ihr beim Arrangement ihrer Feste, war ihr Reise¬ marschall und dann und wann auch ihr Sekretär. . . . Alles, was sich auf ihrer beider Gesundheit bezog, erfüllte sie beide mit Unruhe. Man war damals bis zum Übermaß sensibel in bezug auf die eigne Gesundheit und die andrer; wir erhalten Mitteilung davon, wenn Madame Schmerzen im Kopf, Rücken oder Magen hat; über die Wirkung eines neuen Abführmittels wird eingehend verhandelt. Dann und wann verbot sie ihm, ihr seinen Besuch ab¬ zustatten, wenn sie wußte, daß er dann in der Nacht bei Licht arbeiten müsse, um seine Korrespondenz zu erledigen." Aber Bernstorff hatte auch Bekanntschaften andrer Art. In Metz war er 1744 Zeuge, wie Ludwig der Fünfzehnte während einer schweren Krank¬ heit aus Angst vor dem Tode und aus Neue über sein bisheriges Leben seine Maitresse, die Herzogin von Chateauroux, nebst ihrem Anhang verstieß, um sich wieder seiner Gemahlin zuzuwenden — aber wenig Monate später war die Chateauroux wieder in ihrer alten Stellung, bis sie im Dezember 1744 starb. Wieder begann ein Wettlauf der hochgebornen Schönen des Hofes um die Entscheidung der Frage, wer an die Stelle der Verstorbnen treten sollte. Bernstorff war zugegen bei all den Festen und Bällen, wo die Damen ihre Reize vor den Augen des Königs zur Schau trugen, und am Donners¬ tag, den 25. Februar, war er auch auf dem Maskenball, der zu Ehren der Vermählung des Dauphins mit einer spanischen Infantin im Schlosse abge¬ halten wurde. Nachher schrieb er in seinen Notizkalender „Anfang der Avanture von Madame d'Etiolles". Er hatte also gesehen, wie die auch ihm wohlbekannte schöne Frau mit dem „blondgelockten, elegant getragnen Köpfchen", die der König bald darauf zur Marquise von Pompadour erhob, in ver¬ führerischer Verkleidung den König zu einer Annäherung nach der andern reizte, dann ihr Taschentuch fallen ließ, das der König aufhob und ihr mit den Worten zuwarf: 1^6 uioueuoir est M. Bernstorff war auch zugegen, als am 14. September 1745 die feierliche Präsentation der Madame d'Etiolles bei Hofe stattfand; er sah das Erröten des Königs und ihre Verlegenheit, als sie von der Königin Maria Leszczynska empfangen wurde. Auch Bernstorff hat sich nicht geschämt, der neuen Maitresse zu schmeicheln. Wie Voltaire den Augenblick, wo er sie beim Zeichnen angetroffen hatte, durch den eleganten Vers verherrlichte: so hat auch Bernstorff der Marquise zum Beispiel eine kostbare Porzellanuhr mit einem „zuckersüßen" Briefchen gesandt. Alle Gesandten fremder Mächte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/254>, abgerufen am 23.07.2024.