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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

heute schon in Eurer königlichen Majestät das Oberhaupt des deutschen Kaiser¬
reichs und in dessen Krone die Bürgschaft unwiderruflicher Einheit". Der Gro߬
herzog schloß mit einem Hoch auf König Wilhelm den Siegreichen, eine Be¬
zeichnung, die der König von Bayern zu geschichtlicher Bedeutung erhoben habe.
Der König reichte dem Großherzog freundlich die Hand und sagte: "Nun, Du
hast das Beste für die Einigung getan, Dir gebührt der Dank dafür." Auch
verlangte der König eine schriftliche Aufzeichnung der Rede.

Nachdem der Gedanke, das Weihnachtsfest für die Kaiserproklamation zu
benutzen, hinfällig geworden war, war bei dem König der Wunsch entstanden,
dem 18. Januar, dem bedeutungsvollsten Tage seines Hauses, durch Verkündigung
der Kaiserwürde eine neue Weihe zu geben. Am 5. Januar richtete er ein
Schreiben an Bismarck, der noch immer das Zimmer hütete, des Inhalts, daß
er nun baldigst Vorschläge erwarte über alles, was die Einsetzung und die Aus¬
stattung des Deutschen Kaiserreichs betreffe; die Titelfrage, die Ausdehnung des
Titels auf die königliche Familie, Wappen, Fahnen und Flaggen waren die
wesentlichen Punkte, die der König erledigt zu sehen wünschte. Er war damals
auch durchaus bereit, für das gesamte deutsche Heer das kaiserliche Abzeichen
einzuführen, wie das ja auch in der Militärkonvention mit Baden vorgesehen
war, und gab diese Absicht erst auf, als sich die Schwierigkeiten aller Art fort¬
gesetzt mehrten. Bismarck sandte alsbald den Minister Delbrück zum Kronprinzen,
der sich mit diesen Dingen schon seit längerer Zeit beschäftigt hatte, um mit ihm
eine Vorlage vorzubereiten. Der Kronprinz erwiderte, der Titel des Kaisers
solle Kaiser von Deutschland lauten, der des Kronprinzen dementsprechend. Das
ganze königliche Haus müsse kaiserlich werden, das gesamte deutsche Heer solle
kaiserlich deutsches Heer, die Marine kaiserlich deutsche Marine heißen. Das
gesamte Heer solle die schwarzweißrote Kokarde und das schwarzweißrote
Fahnenband führen. Der Großherzog sowie auch der Herzog von Koburg
waren mit diesen Ansichten des Kronprinzen durchaus einverstanden, die nun
gemeinschaftlich mit den Vorschlägen des Bundeskanzlers dem Könige vor¬
gelegt wurden und zunächst Gegenstand weiterer schriftlicher Verhandlungen
waren. Bismarck berichtet in seinem Vortrag dem Könige, die bayrischen Be¬
vollmächtigten Hütten schon bei den Verhandlungen im November die Bedingung
gestellt, der Titel "Kaiser von Deutschland" dürfe uicht gebraucht werden, und
er beantrage darum die Führung des Titels "Wir Wilhelm von Gottes Gnaden
Deutscher Kaiser, König von Preußen". Die Königin soll den kaiserlichen Titel
führen, der Kronprinz und die Kronprinzessin die gegenwärtige Bezeichnung
behalten, jedoch kaiserliche und königliche Hoheit genannt werden. Wie es der
König mit den übrigen Mitgliedern des königlichen Hauses gehalten wissen
wolle, stelle er, der Bundeskanzler, ehrfurchtsvoll anheim. In betreff der Armee
und ihrer Abzeichen schloß sich Bismarck der schließlichen Meinung des Königs
an, daß Preußen die preußischen Fahnen und die andern Kontingente die ihrigen
behalten sollten, nur in Kriegszeiten solle allen ein dreifarbiges Fahnenband


Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

heute schon in Eurer königlichen Majestät das Oberhaupt des deutschen Kaiser¬
reichs und in dessen Krone die Bürgschaft unwiderruflicher Einheit". Der Gro߬
herzog schloß mit einem Hoch auf König Wilhelm den Siegreichen, eine Be¬
zeichnung, die der König von Bayern zu geschichtlicher Bedeutung erhoben habe.
Der König reichte dem Großherzog freundlich die Hand und sagte: „Nun, Du
hast das Beste für die Einigung getan, Dir gebührt der Dank dafür." Auch
verlangte der König eine schriftliche Aufzeichnung der Rede.

Nachdem der Gedanke, das Weihnachtsfest für die Kaiserproklamation zu
benutzen, hinfällig geworden war, war bei dem König der Wunsch entstanden,
dem 18. Januar, dem bedeutungsvollsten Tage seines Hauses, durch Verkündigung
der Kaiserwürde eine neue Weihe zu geben. Am 5. Januar richtete er ein
Schreiben an Bismarck, der noch immer das Zimmer hütete, des Inhalts, daß
er nun baldigst Vorschläge erwarte über alles, was die Einsetzung und die Aus¬
stattung des Deutschen Kaiserreichs betreffe; die Titelfrage, die Ausdehnung des
Titels auf die königliche Familie, Wappen, Fahnen und Flaggen waren die
wesentlichen Punkte, die der König erledigt zu sehen wünschte. Er war damals
auch durchaus bereit, für das gesamte deutsche Heer das kaiserliche Abzeichen
einzuführen, wie das ja auch in der Militärkonvention mit Baden vorgesehen
war, und gab diese Absicht erst auf, als sich die Schwierigkeiten aller Art fort¬
gesetzt mehrten. Bismarck sandte alsbald den Minister Delbrück zum Kronprinzen,
der sich mit diesen Dingen schon seit längerer Zeit beschäftigt hatte, um mit ihm
eine Vorlage vorzubereiten. Der Kronprinz erwiderte, der Titel des Kaisers
solle Kaiser von Deutschland lauten, der des Kronprinzen dementsprechend. Das
ganze königliche Haus müsse kaiserlich werden, das gesamte deutsche Heer solle
kaiserlich deutsches Heer, die Marine kaiserlich deutsche Marine heißen. Das
gesamte Heer solle die schwarzweißrote Kokarde und das schwarzweißrote
Fahnenband führen. Der Großherzog sowie auch der Herzog von Koburg
waren mit diesen Ansichten des Kronprinzen durchaus einverstanden, die nun
gemeinschaftlich mit den Vorschlägen des Bundeskanzlers dem Könige vor¬
gelegt wurden und zunächst Gegenstand weiterer schriftlicher Verhandlungen
waren. Bismarck berichtet in seinem Vortrag dem Könige, die bayrischen Be¬
vollmächtigten Hütten schon bei den Verhandlungen im November die Bedingung
gestellt, der Titel „Kaiser von Deutschland" dürfe uicht gebraucht werden, und
er beantrage darum die Führung des Titels „Wir Wilhelm von Gottes Gnaden
Deutscher Kaiser, König von Preußen". Die Königin soll den kaiserlichen Titel
führen, der Kronprinz und die Kronprinzessin die gegenwärtige Bezeichnung
behalten, jedoch kaiserliche und königliche Hoheit genannt werden. Wie es der
König mit den übrigen Mitgliedern des königlichen Hauses gehalten wissen
wolle, stelle er, der Bundeskanzler, ehrfurchtsvoll anheim. In betreff der Armee
und ihrer Abzeichen schloß sich Bismarck der schließlichen Meinung des Königs
an, daß Preußen die preußischen Fahnen und die andern Kontingente die ihrigen
behalten sollten, nur in Kriegszeiten solle allen ein dreifarbiges Fahnenband


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[0206] Großherzog Friedrich von Baden in Versailles heute schon in Eurer königlichen Majestät das Oberhaupt des deutschen Kaiser¬ reichs und in dessen Krone die Bürgschaft unwiderruflicher Einheit". Der Gro߬ herzog schloß mit einem Hoch auf König Wilhelm den Siegreichen, eine Be¬ zeichnung, die der König von Bayern zu geschichtlicher Bedeutung erhoben habe. Der König reichte dem Großherzog freundlich die Hand und sagte: „Nun, Du hast das Beste für die Einigung getan, Dir gebührt der Dank dafür." Auch verlangte der König eine schriftliche Aufzeichnung der Rede. Nachdem der Gedanke, das Weihnachtsfest für die Kaiserproklamation zu benutzen, hinfällig geworden war, war bei dem König der Wunsch entstanden, dem 18. Januar, dem bedeutungsvollsten Tage seines Hauses, durch Verkündigung der Kaiserwürde eine neue Weihe zu geben. Am 5. Januar richtete er ein Schreiben an Bismarck, der noch immer das Zimmer hütete, des Inhalts, daß er nun baldigst Vorschläge erwarte über alles, was die Einsetzung und die Aus¬ stattung des Deutschen Kaiserreichs betreffe; die Titelfrage, die Ausdehnung des Titels auf die königliche Familie, Wappen, Fahnen und Flaggen waren die wesentlichen Punkte, die der König erledigt zu sehen wünschte. Er war damals auch durchaus bereit, für das gesamte deutsche Heer das kaiserliche Abzeichen einzuführen, wie das ja auch in der Militärkonvention mit Baden vorgesehen war, und gab diese Absicht erst auf, als sich die Schwierigkeiten aller Art fort¬ gesetzt mehrten. Bismarck sandte alsbald den Minister Delbrück zum Kronprinzen, der sich mit diesen Dingen schon seit längerer Zeit beschäftigt hatte, um mit ihm eine Vorlage vorzubereiten. Der Kronprinz erwiderte, der Titel des Kaisers solle Kaiser von Deutschland lauten, der des Kronprinzen dementsprechend. Das ganze königliche Haus müsse kaiserlich werden, das gesamte deutsche Heer solle kaiserlich deutsches Heer, die Marine kaiserlich deutsche Marine heißen. Das gesamte Heer solle die schwarzweißrote Kokarde und das schwarzweißrote Fahnenband führen. Der Großherzog sowie auch der Herzog von Koburg waren mit diesen Ansichten des Kronprinzen durchaus einverstanden, die nun gemeinschaftlich mit den Vorschlägen des Bundeskanzlers dem Könige vor¬ gelegt wurden und zunächst Gegenstand weiterer schriftlicher Verhandlungen waren. Bismarck berichtet in seinem Vortrag dem Könige, die bayrischen Be¬ vollmächtigten Hütten schon bei den Verhandlungen im November die Bedingung gestellt, der Titel „Kaiser von Deutschland" dürfe uicht gebraucht werden, und er beantrage darum die Führung des Titels „Wir Wilhelm von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen". Die Königin soll den kaiserlichen Titel führen, der Kronprinz und die Kronprinzessin die gegenwärtige Bezeichnung behalten, jedoch kaiserliche und königliche Hoheit genannt werden. Wie es der König mit den übrigen Mitgliedern des königlichen Hauses gehalten wissen wolle, stelle er, der Bundeskanzler, ehrfurchtsvoll anheim. In betreff der Armee und ihrer Abzeichen schloß sich Bismarck der schließlichen Meinung des Königs an, daß Preußen die preußischen Fahnen und die andern Kontingente die ihrigen behalten sollten, nur in Kriegszeiten solle allen ein dreifarbiges Fahnenband

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/206>, abgerufen am 23.07.2024.