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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Russische Bauernhochzeit

Will einen "Mönch" usw. Das Spiel zieht sich endlos hin. Tief in der Nacht
verabschieden sich die Gäste und kehren in ihre Hütten zurück. Solche - Abende
finden in den meisten Dörfern statt, natürlich hat jedes Gouvernement seine eignen
Gebräuche, doch im wesentlichen ist es immer dasselbe. Besonders festliche Abende
gibt es nach Weihnachten -- die Mädchen müssen da zu drei Abenden sechs Toiletten
haben; verfügen sie nicht über soviel, dann borgen sie sich das nötige. Beliebt
sind natürlich möglichst grelle Farben und unglaubliche Farbenkontraste. Von
weitem hört man die hell und fröhlich tönenden Schlittenglocken -- es kommen
Burschen aus den Nachbardörfern angefahren, die die "große" Abende" mitmachen
wollen. Sie haben sich zum Teil festlich in bunte, seidne Hemden gekleidet. Auf
diesen Abenden werden häufig "Anträge" gemacht. Wenns drinnen in der Stube
zu heiß wird, gehn Burschen und Mädchen paarweise hinaus ins Freie. Draußen
glitzert der weiße Schuee -- bergehoch liegt er oft --, die Äste der Tannen und
der Fichten neigen sich schwer uuter der Schneelast, und der Mond leuchtet friedlich
am flimmernden, blauschwarzen Himmel. Da sieht mau nun einzelne Paare sich
ergehn -- schwarze Pünktchen auf der weiten, hellen Fläche. Ein Paar verliert
sich im Walde; der Bursche fragt nun das Mädchen, ob es seine Frau werden
wolle. Sie antwortet: "Wie der Vater es will." Dann fährt er nach Hause und
kommt am nächsten Tage mit seinen Eltern zur Werbung. Er logiert im Hause
des Nachbarn, und von diesem wird dann jemand ins Haus der Braut geschickt,
der erst an ihre Eltern die Frage richtet, ob sie den Bewerber anhören wollen
oder nicht, und im Falle einer bejahenden Antwort sagt, daß man die nötigen Vor¬
bereitungen treffen solle. Es wird nun ein Tisch gedeckt, auf dem der blanke
Samowar dampft und verschiednes zum Essen steht, wie z. B. saure und eingesalzne
Pilze, Fische usw. Der Bräutigam kommt nun mit seinen Eltern, alle setzen sich
an den Tisch. Die beiderseitigen Eltern unterhalten sich über Mitgift, das Haus
des Bräutigams usw. Währenddessen müssen die Brautleute schweigen, dürfen sich
nicht einmal ansehen. Nach einer Weile gehn die Brautleute hinaus, und der
Bräutigam stellt noch einmal die Frage, ob ihn die Braut heiraten wolle. Bejaht
sie es, gehn sie ins Zimmer zurück und teilen diesen Entschluß den Eltern mit.
Nun bestimmen diese einen Tag, an dem sie in das andre Dorf fahren Wollen, das
Haus des Bräutigams zu besehen. Die Braut fährt nicht mit. Gefällt den Eltern
der Braut alles, so haben sie nichts gegen die Hochzeit einzuwenden, dann kommt
um einem Tage der Bräutigam mit seinen Eltern wieder in das Haus seiner
Schwiegereltern "zu Gott beten". Es wird lange gebetet, dann ist großes Hände-
schütteln, und Braut und Bräutigam küssen sich zum erstenmal vor den Eltern.
Das ist nun das Verlöbnis. Von da an kommt der Bräutigam jeden Abend zur
Braut und bringt immer irgendein Geschenk mit. Nach einiger Zeit kommt der Tag
des "Handschlagens". Im Hause der Braut versammeln sich deren Verwandten
und die Eltern und Taufeltern des Bräutigams. Die beiden Väter, die immer
bei dieser Gelegenheit Pelze anhaben müssen, ergreifen den Saum ihres Mantels
-- die Hand muß von diesem bedeckt sein -- und reichen sich die Hand. Die
Braut selbst darf nicht zugegen sein. Dann überreicht der Vater der Braut dem
Vater des Bräutigams die Aussteuer. Nachdem das geschehen ist, setzen sie sich
an den gedeckten Tisch und rufen die Braut. Diese wird von den Freundinnen
hereingeführt. Der Schwiegervater überreicht ihr einen Spiegel, auf dem Geschenke
liegen -- Seife, Kämme usw. Die Braut ergreift darauf ein Schnapsglas, verneigt
sich tief vor dem Schwiegervater und setzt es, ohne getrunken zu haben, wieder auf
den Tisch. Damit bezeugt sie ihm ihre Ehrerbietung und ihren Gehorsam. Wenn
sich die Braut wieder entfernt hat, beginnt ein großes Gelage. Sind die Gäste


Russische Bauernhochzeit

Will einen „Mönch" usw. Das Spiel zieht sich endlos hin. Tief in der Nacht
verabschieden sich die Gäste und kehren in ihre Hütten zurück. Solche - Abende
finden in den meisten Dörfern statt, natürlich hat jedes Gouvernement seine eignen
Gebräuche, doch im wesentlichen ist es immer dasselbe. Besonders festliche Abende
gibt es nach Weihnachten — die Mädchen müssen da zu drei Abenden sechs Toiletten
haben; verfügen sie nicht über soviel, dann borgen sie sich das nötige. Beliebt
sind natürlich möglichst grelle Farben und unglaubliche Farbenkontraste. Von
weitem hört man die hell und fröhlich tönenden Schlittenglocken — es kommen
Burschen aus den Nachbardörfern angefahren, die die „große» Abende" mitmachen
wollen. Sie haben sich zum Teil festlich in bunte, seidne Hemden gekleidet. Auf
diesen Abenden werden häufig „Anträge" gemacht. Wenns drinnen in der Stube
zu heiß wird, gehn Burschen und Mädchen paarweise hinaus ins Freie. Draußen
glitzert der weiße Schuee — bergehoch liegt er oft —, die Äste der Tannen und
der Fichten neigen sich schwer uuter der Schneelast, und der Mond leuchtet friedlich
am flimmernden, blauschwarzen Himmel. Da sieht mau nun einzelne Paare sich
ergehn — schwarze Pünktchen auf der weiten, hellen Fläche. Ein Paar verliert
sich im Walde; der Bursche fragt nun das Mädchen, ob es seine Frau werden
wolle. Sie antwortet: „Wie der Vater es will." Dann fährt er nach Hause und
kommt am nächsten Tage mit seinen Eltern zur Werbung. Er logiert im Hause
des Nachbarn, und von diesem wird dann jemand ins Haus der Braut geschickt,
der erst an ihre Eltern die Frage richtet, ob sie den Bewerber anhören wollen
oder nicht, und im Falle einer bejahenden Antwort sagt, daß man die nötigen Vor¬
bereitungen treffen solle. Es wird nun ein Tisch gedeckt, auf dem der blanke
Samowar dampft und verschiednes zum Essen steht, wie z. B. saure und eingesalzne
Pilze, Fische usw. Der Bräutigam kommt nun mit seinen Eltern, alle setzen sich
an den Tisch. Die beiderseitigen Eltern unterhalten sich über Mitgift, das Haus
des Bräutigams usw. Währenddessen müssen die Brautleute schweigen, dürfen sich
nicht einmal ansehen. Nach einer Weile gehn die Brautleute hinaus, und der
Bräutigam stellt noch einmal die Frage, ob ihn die Braut heiraten wolle. Bejaht
sie es, gehn sie ins Zimmer zurück und teilen diesen Entschluß den Eltern mit.
Nun bestimmen diese einen Tag, an dem sie in das andre Dorf fahren Wollen, das
Haus des Bräutigams zu besehen. Die Braut fährt nicht mit. Gefällt den Eltern
der Braut alles, so haben sie nichts gegen die Hochzeit einzuwenden, dann kommt
um einem Tage der Bräutigam mit seinen Eltern wieder in das Haus seiner
Schwiegereltern „zu Gott beten". Es wird lange gebetet, dann ist großes Hände-
schütteln, und Braut und Bräutigam küssen sich zum erstenmal vor den Eltern.
Das ist nun das Verlöbnis. Von da an kommt der Bräutigam jeden Abend zur
Braut und bringt immer irgendein Geschenk mit. Nach einiger Zeit kommt der Tag
des „Handschlagens". Im Hause der Braut versammeln sich deren Verwandten
und die Eltern und Taufeltern des Bräutigams. Die beiden Väter, die immer
bei dieser Gelegenheit Pelze anhaben müssen, ergreifen den Saum ihres Mantels
— die Hand muß von diesem bedeckt sein — und reichen sich die Hand. Die
Braut selbst darf nicht zugegen sein. Dann überreicht der Vater der Braut dem
Vater des Bräutigams die Aussteuer. Nachdem das geschehen ist, setzen sie sich
an den gedeckten Tisch und rufen die Braut. Diese wird von den Freundinnen
hereingeführt. Der Schwiegervater überreicht ihr einen Spiegel, auf dem Geschenke
liegen — Seife, Kämme usw. Die Braut ergreift darauf ein Schnapsglas, verneigt
sich tief vor dem Schwiegervater und setzt es, ohne getrunken zu haben, wieder auf
den Tisch. Damit bezeugt sie ihm ihre Ehrerbietung und ihren Gehorsam. Wenn
sich die Braut wieder entfernt hat, beginnt ein großes Gelage. Sind die Gäste


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[0687] Russische Bauernhochzeit Will einen „Mönch" usw. Das Spiel zieht sich endlos hin. Tief in der Nacht verabschieden sich die Gäste und kehren in ihre Hütten zurück. Solche - Abende finden in den meisten Dörfern statt, natürlich hat jedes Gouvernement seine eignen Gebräuche, doch im wesentlichen ist es immer dasselbe. Besonders festliche Abende gibt es nach Weihnachten — die Mädchen müssen da zu drei Abenden sechs Toiletten haben; verfügen sie nicht über soviel, dann borgen sie sich das nötige. Beliebt sind natürlich möglichst grelle Farben und unglaubliche Farbenkontraste. Von weitem hört man die hell und fröhlich tönenden Schlittenglocken — es kommen Burschen aus den Nachbardörfern angefahren, die die „große» Abende" mitmachen wollen. Sie haben sich zum Teil festlich in bunte, seidne Hemden gekleidet. Auf diesen Abenden werden häufig „Anträge" gemacht. Wenns drinnen in der Stube zu heiß wird, gehn Burschen und Mädchen paarweise hinaus ins Freie. Draußen glitzert der weiße Schuee — bergehoch liegt er oft —, die Äste der Tannen und der Fichten neigen sich schwer uuter der Schneelast, und der Mond leuchtet friedlich am flimmernden, blauschwarzen Himmel. Da sieht mau nun einzelne Paare sich ergehn — schwarze Pünktchen auf der weiten, hellen Fläche. Ein Paar verliert sich im Walde; der Bursche fragt nun das Mädchen, ob es seine Frau werden wolle. Sie antwortet: „Wie der Vater es will." Dann fährt er nach Hause und kommt am nächsten Tage mit seinen Eltern zur Werbung. Er logiert im Hause des Nachbarn, und von diesem wird dann jemand ins Haus der Braut geschickt, der erst an ihre Eltern die Frage richtet, ob sie den Bewerber anhören wollen oder nicht, und im Falle einer bejahenden Antwort sagt, daß man die nötigen Vor¬ bereitungen treffen solle. Es wird nun ein Tisch gedeckt, auf dem der blanke Samowar dampft und verschiednes zum Essen steht, wie z. B. saure und eingesalzne Pilze, Fische usw. Der Bräutigam kommt nun mit seinen Eltern, alle setzen sich an den Tisch. Die beiderseitigen Eltern unterhalten sich über Mitgift, das Haus des Bräutigams usw. Währenddessen müssen die Brautleute schweigen, dürfen sich nicht einmal ansehen. Nach einer Weile gehn die Brautleute hinaus, und der Bräutigam stellt noch einmal die Frage, ob ihn die Braut heiraten wolle. Bejaht sie es, gehn sie ins Zimmer zurück und teilen diesen Entschluß den Eltern mit. Nun bestimmen diese einen Tag, an dem sie in das andre Dorf fahren Wollen, das Haus des Bräutigams zu besehen. Die Braut fährt nicht mit. Gefällt den Eltern der Braut alles, so haben sie nichts gegen die Hochzeit einzuwenden, dann kommt um einem Tage der Bräutigam mit seinen Eltern wieder in das Haus seiner Schwiegereltern „zu Gott beten". Es wird lange gebetet, dann ist großes Hände- schütteln, und Braut und Bräutigam küssen sich zum erstenmal vor den Eltern. Das ist nun das Verlöbnis. Von da an kommt der Bräutigam jeden Abend zur Braut und bringt immer irgendein Geschenk mit. Nach einiger Zeit kommt der Tag des „Handschlagens". Im Hause der Braut versammeln sich deren Verwandten und die Eltern und Taufeltern des Bräutigams. Die beiden Väter, die immer bei dieser Gelegenheit Pelze anhaben müssen, ergreifen den Saum ihres Mantels — die Hand muß von diesem bedeckt sein — und reichen sich die Hand. Die Braut selbst darf nicht zugegen sein. Dann überreicht der Vater der Braut dem Vater des Bräutigams die Aussteuer. Nachdem das geschehen ist, setzen sie sich an den gedeckten Tisch und rufen die Braut. Diese wird von den Freundinnen hereingeführt. Der Schwiegervater überreicht ihr einen Spiegel, auf dem Geschenke liegen — Seife, Kämme usw. Die Braut ergreift darauf ein Schnapsglas, verneigt sich tief vor dem Schwiegervater und setzt es, ohne getrunken zu haben, wieder auf den Tisch. Damit bezeugt sie ihm ihre Ehrerbietung und ihren Gehorsam. Wenn sich die Braut wieder entfernt hat, beginnt ein großes Gelage. Sind die Gäste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/687>, abgerufen am 27.12.2024.