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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

Regierung mitzuteilen, welche Fortschritte im Interesse der Sache geschehen, und
auf welche Gesinnungen Baden dabei gestoßen sei. "Die preußische Negierung
muß durchaus wissen, daß ein großer Unterschied besteht zwischen dem Ver¬
halten der Truppen Bayerns und Württembergs im Felde und deren Re¬
gierungen zu Hause, wo der alte Partikularismus uuter der Asche glüht und
nur nicht zur Flamme sich aufzurichten wagt, da die Macht der Ereignisse dies
nicht gestattet."

Der Ausgang dieser Angelegenheit bot dem Großherzog den bestimmten
Anlaß, auf die Notwendigkeit der baldigen Regelung des Verhältnisses von
Süddeutschland zum Nordbund überzugehn und damit einen genau formulierten
Antrag zu begründen, zumal da der Minister von badischen Abgeordneten
dringend ersucht worden war, mit Bismarck in Unterhandlung zu treten. In
dem betreffenden Schreiben an Jolly heißt es: "Ihre Mitteilungen betreffs der
nationalen Frage sind mir äußerst wertvoll. Zunächst bin ich ganz mit Ihnen
einverstanden, daß die Abgeordneten in diesem Augenblick jeden Versuch einer
Einwirkung auf die großen politischen Entwicklungsfragen, wie sie aus dem
siegreichen Vorschreiten der deutschen Heere hervorgehn, sorgfältig vermeiden
müssen. Wir wissen zunächst noch gar nicht, mit welchen Absichten die preußische
Regierung der Zukunft entgegengeht, es liegen nur Andeutungen vor, welche
auf gewisse Richtungen schließen lassen. Was wir aber bestimmt wissen, das
ist, daß Graf Bismarck keine Einmischung in seine Pläne gestattet. . Die
Gründe dieses Verhaltens Bismarcks sind, wie oben dargetan worden ist, heute
hinlänglich klar. Man darf annehmen, daß in Berlin dem Bundeskanzler die
Äußerung bekannt war, die Kaiser Franz Joseph am 14. Juni zu dem als Unter¬
händler in Laxenburg anwesenden französischen General Lebrun getan hatte,
und die darin gipfelte, "daß wenn Kaiser Napoleon im Süden von Deutschland,
nicht sowohl als Feind, sondern als Befreier erscheine, der Kaiser Franz Joseph
gezwungen sein würde, von seiner Seite zu erklären, daß er mit ihm gemein¬
schaftliche Sache mache. Vor den Augen meiner Völker vermöchte ich nichts
andres zu tun, als meine Armee mit der französischen dann zu vereinen."
Dies war der Sinn und die Bedeutung der österreichischen Mobilmachung, hierin
lag der stärkste Grund für Bismarcks Zurückhaltung. Wäre nach einer Nieder¬
lage der deutschen Heere, die ja damals noch keineswegs außer Möglichkeit
war, die französische Armee in Süddeutschland erschienen und Frankreich hätte
Österreich mit fortgerissen, so wäre die deutsche Idee die wirksamste Waffe
geblieben, die Bismarck der österreichischen Politik noch entgegenzusetzen vermocht
hätte. Es ist begreiflich, daß er sie nicht vorzeitig aus der Hand geben wollte,
ebenso aber auch, daß er allen Grund hatte, über seine Absichten und Pläne
das tiefste Schweigen zu beobachten. Einig war er wohl nur mit dem Könige.

Minister Jolly arbeitete nun eine Denkschrift für den Bundeskanzler aus,
die er am 31. August dem Großherzog vorlegte, und die an den preußischen
Gesandten in Karlsruhe, aber auch an den Kronprinzen und den König ging-
Graf Flemming wurde gebeten, die Angelegenheit bei dem Bundeskanzler,


Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

Regierung mitzuteilen, welche Fortschritte im Interesse der Sache geschehen, und
auf welche Gesinnungen Baden dabei gestoßen sei. „Die preußische Negierung
muß durchaus wissen, daß ein großer Unterschied besteht zwischen dem Ver¬
halten der Truppen Bayerns und Württembergs im Felde und deren Re¬
gierungen zu Hause, wo der alte Partikularismus uuter der Asche glüht und
nur nicht zur Flamme sich aufzurichten wagt, da die Macht der Ereignisse dies
nicht gestattet."

Der Ausgang dieser Angelegenheit bot dem Großherzog den bestimmten
Anlaß, auf die Notwendigkeit der baldigen Regelung des Verhältnisses von
Süddeutschland zum Nordbund überzugehn und damit einen genau formulierten
Antrag zu begründen, zumal da der Minister von badischen Abgeordneten
dringend ersucht worden war, mit Bismarck in Unterhandlung zu treten. In
dem betreffenden Schreiben an Jolly heißt es: „Ihre Mitteilungen betreffs der
nationalen Frage sind mir äußerst wertvoll. Zunächst bin ich ganz mit Ihnen
einverstanden, daß die Abgeordneten in diesem Augenblick jeden Versuch einer
Einwirkung auf die großen politischen Entwicklungsfragen, wie sie aus dem
siegreichen Vorschreiten der deutschen Heere hervorgehn, sorgfältig vermeiden
müssen. Wir wissen zunächst noch gar nicht, mit welchen Absichten die preußische
Regierung der Zukunft entgegengeht, es liegen nur Andeutungen vor, welche
auf gewisse Richtungen schließen lassen. Was wir aber bestimmt wissen, das
ist, daß Graf Bismarck keine Einmischung in seine Pläne gestattet. . Die
Gründe dieses Verhaltens Bismarcks sind, wie oben dargetan worden ist, heute
hinlänglich klar. Man darf annehmen, daß in Berlin dem Bundeskanzler die
Äußerung bekannt war, die Kaiser Franz Joseph am 14. Juni zu dem als Unter¬
händler in Laxenburg anwesenden französischen General Lebrun getan hatte,
und die darin gipfelte, „daß wenn Kaiser Napoleon im Süden von Deutschland,
nicht sowohl als Feind, sondern als Befreier erscheine, der Kaiser Franz Joseph
gezwungen sein würde, von seiner Seite zu erklären, daß er mit ihm gemein¬
schaftliche Sache mache. Vor den Augen meiner Völker vermöchte ich nichts
andres zu tun, als meine Armee mit der französischen dann zu vereinen."
Dies war der Sinn und die Bedeutung der österreichischen Mobilmachung, hierin
lag der stärkste Grund für Bismarcks Zurückhaltung. Wäre nach einer Nieder¬
lage der deutschen Heere, die ja damals noch keineswegs außer Möglichkeit
war, die französische Armee in Süddeutschland erschienen und Frankreich hätte
Österreich mit fortgerissen, so wäre die deutsche Idee die wirksamste Waffe
geblieben, die Bismarck der österreichischen Politik noch entgegenzusetzen vermocht
hätte. Es ist begreiflich, daß er sie nicht vorzeitig aus der Hand geben wollte,
ebenso aber auch, daß er allen Grund hatte, über seine Absichten und Pläne
das tiefste Schweigen zu beobachten. Einig war er wohl nur mit dem Könige.

Minister Jolly arbeitete nun eine Denkschrift für den Bundeskanzler aus,
die er am 31. August dem Großherzog vorlegte, und die an den preußischen
Gesandten in Karlsruhe, aber auch an den Kronprinzen und den König ging-
Graf Flemming wurde gebeten, die Angelegenheit bei dem Bundeskanzler,


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[0668] Großherzog Friedrich von Baden in Versailles Regierung mitzuteilen, welche Fortschritte im Interesse der Sache geschehen, und auf welche Gesinnungen Baden dabei gestoßen sei. „Die preußische Negierung muß durchaus wissen, daß ein großer Unterschied besteht zwischen dem Ver¬ halten der Truppen Bayerns und Württembergs im Felde und deren Re¬ gierungen zu Hause, wo der alte Partikularismus uuter der Asche glüht und nur nicht zur Flamme sich aufzurichten wagt, da die Macht der Ereignisse dies nicht gestattet." Der Ausgang dieser Angelegenheit bot dem Großherzog den bestimmten Anlaß, auf die Notwendigkeit der baldigen Regelung des Verhältnisses von Süddeutschland zum Nordbund überzugehn und damit einen genau formulierten Antrag zu begründen, zumal da der Minister von badischen Abgeordneten dringend ersucht worden war, mit Bismarck in Unterhandlung zu treten. In dem betreffenden Schreiben an Jolly heißt es: „Ihre Mitteilungen betreffs der nationalen Frage sind mir äußerst wertvoll. Zunächst bin ich ganz mit Ihnen einverstanden, daß die Abgeordneten in diesem Augenblick jeden Versuch einer Einwirkung auf die großen politischen Entwicklungsfragen, wie sie aus dem siegreichen Vorschreiten der deutschen Heere hervorgehn, sorgfältig vermeiden müssen. Wir wissen zunächst noch gar nicht, mit welchen Absichten die preußische Regierung der Zukunft entgegengeht, es liegen nur Andeutungen vor, welche auf gewisse Richtungen schließen lassen. Was wir aber bestimmt wissen, das ist, daß Graf Bismarck keine Einmischung in seine Pläne gestattet. . Die Gründe dieses Verhaltens Bismarcks sind, wie oben dargetan worden ist, heute hinlänglich klar. Man darf annehmen, daß in Berlin dem Bundeskanzler die Äußerung bekannt war, die Kaiser Franz Joseph am 14. Juni zu dem als Unter¬ händler in Laxenburg anwesenden französischen General Lebrun getan hatte, und die darin gipfelte, „daß wenn Kaiser Napoleon im Süden von Deutschland, nicht sowohl als Feind, sondern als Befreier erscheine, der Kaiser Franz Joseph gezwungen sein würde, von seiner Seite zu erklären, daß er mit ihm gemein¬ schaftliche Sache mache. Vor den Augen meiner Völker vermöchte ich nichts andres zu tun, als meine Armee mit der französischen dann zu vereinen." Dies war der Sinn und die Bedeutung der österreichischen Mobilmachung, hierin lag der stärkste Grund für Bismarcks Zurückhaltung. Wäre nach einer Nieder¬ lage der deutschen Heere, die ja damals noch keineswegs außer Möglichkeit war, die französische Armee in Süddeutschland erschienen und Frankreich hätte Österreich mit fortgerissen, so wäre die deutsche Idee die wirksamste Waffe geblieben, die Bismarck der österreichischen Politik noch entgegenzusetzen vermocht hätte. Es ist begreiflich, daß er sie nicht vorzeitig aus der Hand geben wollte, ebenso aber auch, daß er allen Grund hatte, über seine Absichten und Pläne das tiefste Schweigen zu beobachten. Einig war er wohl nur mit dem Könige. Minister Jolly arbeitete nun eine Denkschrift für den Bundeskanzler aus, die er am 31. August dem Großherzog vorlegte, und die an den preußischen Gesandten in Karlsruhe, aber auch an den Kronprinzen und den König ging- Graf Flemming wurde gebeten, die Angelegenheit bei dem Bundeskanzler,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/668>, abgerufen am 23.07.2024.