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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

Briefe vom 7. August an deu Kriegsminister von Roon, seinen Schwager,
"ein anstündiges Deutschland, das Frieden für die Welt gebietet, als Resultat
des Krieges". Es heißt am Schlüsse des Briefes wörtlich: "Daß die Bayern
unter unsers Kronprinzen Führung den ersten entscheidenden Schlag angetan
haben, ist die Lösung der deutschen Frage, die Einheit ist die beste."

Ottokar Lorenz in seinein Buche "Kaiser Wilhelm und die Begründung
des Deutschen Reiches", das ja mit Recht viel Anfechtung erfahren hat, be¬
richtet, daß noch am 6. August der Staatssekretär des Auswärtigen, Herr
von Thile, in Berlin dem bayrischen Gesandten Freiherrn von Perglas, freilich
ohne Auftrag, die feierlichsten Versicherungen gegeben habe, daß Preußen die
Selbständigkeit Bayerns und Süddeutschlands niemals schwächen oder schädigen
werde. Graf Bismarck habe mit Entrüstung gehört, daß die preußische Presse
neuerdings von einem deutschen Kaisertitel für den König Wilhelm spreche, er
habe Auftrag gegeben, solche Äußerungen zu unterdrücken. Lorenz nimmt diese
Sprache der Diplomatie, die doch nur deren innerste Gedanken verbergen sollte,
für bare Münze. Am 6. Angust war sich die Leitung der preußischen Politik
über die Haltung Österreichs bei dessen umfangreichen Rüstungen noch keines¬
wegs klar, eine und sogar zwei gewonnene Schlachten (die Nachrichten von
Worts und Spichern lagen noch nicht einmal vor) bedeuteten noch keine
Entscheidung des Krieges, und es darf nicht vergessen werden, daß noch durch
Kabinettsorder vom 22. August die Aufstellung zweier mobiler Korps bei
Berlin und Glogau gegen Österreich angeordnet werden mußte. Moltke
hatte während der Mobilmachung am 18. Juli dem Kriegsministerium auf
dessen Anfrage erwidert, "die Front gegen Österreich ist bis jetzt nicht bedroht.
Ich halte es vielmehr für das beste, alle demonstrativen Anordnungen in der
Grenzprovinz zu vermeiden, und es wird deshalb anch beabsichtigt, das sechste
Armeekorps nunmehr in Niederschlesien an der Bahnlinie zu echellonieren."
Vom 25. Juli an war das Korps in Marsch gesetzt worden, und es traf vom
4. Angust an bei Landau ein. Aber am 10. August brachte die Wiener
Abendpost eine halbamtliche Erklärung, daß "zu Zwecken der Selbstverteidigung"
die Wehrkraft der Monarchie auf einen Stand habe versetzt werden müssen,
der gestatte, mit Beruhigung möglichen Eventualitäten entgegenzusehen.
Bei der Artillerie waren Verstärkungen des Standes an Mannschaften und
Pferden, an Pferden der volle Kriegsstand, angeordnet, ebenso wurde unter
dem 5. August die Versetzung der gesamten Kavallerie auf den Kriegsstand,
die Aufstellung der Ergänzungseskadrons und der Regimentstrains befohlen,
was eine Beschaffung von beinahe 8500 Pferden nötig machte. Beim Fuhr¬
wesen wurden 36 Feldeskadrons auf den Kriegsfuß gesetzt, Offiziere aus dem
Pensionsstand einberufen, Maßnahmen, die nicht mehr und nicht weniger als
die Mobilmachung der österreichischen Kavallerie, der Artillerie und des Trains
bedeuteten. Da die österreichische Regierung durch den Abmarsch des schlesischen
Armeekorps an den Rhein die volle Gewißheit hatte, daß an einen Angriff
von preußischer Seite nicht zu denken sei, so konnte diese österreichische Mohn-


Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

Briefe vom 7. August an deu Kriegsminister von Roon, seinen Schwager,
„ein anstündiges Deutschland, das Frieden für die Welt gebietet, als Resultat
des Krieges". Es heißt am Schlüsse des Briefes wörtlich: „Daß die Bayern
unter unsers Kronprinzen Führung den ersten entscheidenden Schlag angetan
haben, ist die Lösung der deutschen Frage, die Einheit ist die beste."

Ottokar Lorenz in seinein Buche „Kaiser Wilhelm und die Begründung
des Deutschen Reiches", das ja mit Recht viel Anfechtung erfahren hat, be¬
richtet, daß noch am 6. August der Staatssekretär des Auswärtigen, Herr
von Thile, in Berlin dem bayrischen Gesandten Freiherrn von Perglas, freilich
ohne Auftrag, die feierlichsten Versicherungen gegeben habe, daß Preußen die
Selbständigkeit Bayerns und Süddeutschlands niemals schwächen oder schädigen
werde. Graf Bismarck habe mit Entrüstung gehört, daß die preußische Presse
neuerdings von einem deutschen Kaisertitel für den König Wilhelm spreche, er
habe Auftrag gegeben, solche Äußerungen zu unterdrücken. Lorenz nimmt diese
Sprache der Diplomatie, die doch nur deren innerste Gedanken verbergen sollte,
für bare Münze. Am 6. Angust war sich die Leitung der preußischen Politik
über die Haltung Österreichs bei dessen umfangreichen Rüstungen noch keines¬
wegs klar, eine und sogar zwei gewonnene Schlachten (die Nachrichten von
Worts und Spichern lagen noch nicht einmal vor) bedeuteten noch keine
Entscheidung des Krieges, und es darf nicht vergessen werden, daß noch durch
Kabinettsorder vom 22. August die Aufstellung zweier mobiler Korps bei
Berlin und Glogau gegen Österreich angeordnet werden mußte. Moltke
hatte während der Mobilmachung am 18. Juli dem Kriegsministerium auf
dessen Anfrage erwidert, „die Front gegen Österreich ist bis jetzt nicht bedroht.
Ich halte es vielmehr für das beste, alle demonstrativen Anordnungen in der
Grenzprovinz zu vermeiden, und es wird deshalb anch beabsichtigt, das sechste
Armeekorps nunmehr in Niederschlesien an der Bahnlinie zu echellonieren."
Vom 25. Juli an war das Korps in Marsch gesetzt worden, und es traf vom
4. Angust an bei Landau ein. Aber am 10. August brachte die Wiener
Abendpost eine halbamtliche Erklärung, daß „zu Zwecken der Selbstverteidigung"
die Wehrkraft der Monarchie auf einen Stand habe versetzt werden müssen,
der gestatte, mit Beruhigung möglichen Eventualitäten entgegenzusehen.
Bei der Artillerie waren Verstärkungen des Standes an Mannschaften und
Pferden, an Pferden der volle Kriegsstand, angeordnet, ebenso wurde unter
dem 5. August die Versetzung der gesamten Kavallerie auf den Kriegsstand,
die Aufstellung der Ergänzungseskadrons und der Regimentstrains befohlen,
was eine Beschaffung von beinahe 8500 Pferden nötig machte. Beim Fuhr¬
wesen wurden 36 Feldeskadrons auf den Kriegsfuß gesetzt, Offiziere aus dem
Pensionsstand einberufen, Maßnahmen, die nicht mehr und nicht weniger als
die Mobilmachung der österreichischen Kavallerie, der Artillerie und des Trains
bedeuteten. Da die österreichische Regierung durch den Abmarsch des schlesischen
Armeekorps an den Rhein die volle Gewißheit hatte, daß an einen Angriff
von preußischer Seite nicht zu denken sei, so konnte diese österreichische Mohn-


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[0665] Großherzog Friedrich von Baden in Versailles Briefe vom 7. August an deu Kriegsminister von Roon, seinen Schwager, „ein anstündiges Deutschland, das Frieden für die Welt gebietet, als Resultat des Krieges". Es heißt am Schlüsse des Briefes wörtlich: „Daß die Bayern unter unsers Kronprinzen Führung den ersten entscheidenden Schlag angetan haben, ist die Lösung der deutschen Frage, die Einheit ist die beste." Ottokar Lorenz in seinein Buche „Kaiser Wilhelm und die Begründung des Deutschen Reiches", das ja mit Recht viel Anfechtung erfahren hat, be¬ richtet, daß noch am 6. August der Staatssekretär des Auswärtigen, Herr von Thile, in Berlin dem bayrischen Gesandten Freiherrn von Perglas, freilich ohne Auftrag, die feierlichsten Versicherungen gegeben habe, daß Preußen die Selbständigkeit Bayerns und Süddeutschlands niemals schwächen oder schädigen werde. Graf Bismarck habe mit Entrüstung gehört, daß die preußische Presse neuerdings von einem deutschen Kaisertitel für den König Wilhelm spreche, er habe Auftrag gegeben, solche Äußerungen zu unterdrücken. Lorenz nimmt diese Sprache der Diplomatie, die doch nur deren innerste Gedanken verbergen sollte, für bare Münze. Am 6. Angust war sich die Leitung der preußischen Politik über die Haltung Österreichs bei dessen umfangreichen Rüstungen noch keines¬ wegs klar, eine und sogar zwei gewonnene Schlachten (die Nachrichten von Worts und Spichern lagen noch nicht einmal vor) bedeuteten noch keine Entscheidung des Krieges, und es darf nicht vergessen werden, daß noch durch Kabinettsorder vom 22. August die Aufstellung zweier mobiler Korps bei Berlin und Glogau gegen Österreich angeordnet werden mußte. Moltke hatte während der Mobilmachung am 18. Juli dem Kriegsministerium auf dessen Anfrage erwidert, „die Front gegen Österreich ist bis jetzt nicht bedroht. Ich halte es vielmehr für das beste, alle demonstrativen Anordnungen in der Grenzprovinz zu vermeiden, und es wird deshalb anch beabsichtigt, das sechste Armeekorps nunmehr in Niederschlesien an der Bahnlinie zu echellonieren." Vom 25. Juli an war das Korps in Marsch gesetzt worden, und es traf vom 4. Angust an bei Landau ein. Aber am 10. August brachte die Wiener Abendpost eine halbamtliche Erklärung, daß „zu Zwecken der Selbstverteidigung" die Wehrkraft der Monarchie auf einen Stand habe versetzt werden müssen, der gestatte, mit Beruhigung möglichen Eventualitäten entgegenzusehen. Bei der Artillerie waren Verstärkungen des Standes an Mannschaften und Pferden, an Pferden der volle Kriegsstand, angeordnet, ebenso wurde unter dem 5. August die Versetzung der gesamten Kavallerie auf den Kriegsstand, die Aufstellung der Ergänzungseskadrons und der Regimentstrains befohlen, was eine Beschaffung von beinahe 8500 Pferden nötig machte. Beim Fuhr¬ wesen wurden 36 Feldeskadrons auf den Kriegsfuß gesetzt, Offiziere aus dem Pensionsstand einberufen, Maßnahmen, die nicht mehr und nicht weniger als die Mobilmachung der österreichischen Kavallerie, der Artillerie und des Trains bedeuteten. Da die österreichische Regierung durch den Abmarsch des schlesischen Armeekorps an den Rhein die volle Gewißheit hatte, daß an einen Angriff von preußischer Seite nicht zu denken sei, so konnte diese österreichische Mohn-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/665>, abgerufen am 28.12.2024.