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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Die Monarchenbegvgnung

ist, eine vollendete Tatsache an Stelle eines idealen Traumes zu werde",
dieses Ergebnis nur unter der Herrschaft der Hohenzollerndynastic erreicht
werden konnte. Mag nun diese Schlußfolgerung in der Abstraktion richtig
oder unrichtig sein, daran besteht kein Zweifel, daß sie vom deutschen Volke
als ein Glaubensartikel angenommen worden ist. Das Vorhandensein dieses
Glaubens bei der großen Mehrheit der deutschen Nation erklärt das unver¬
änderliche Scheitern jedes Versuchs der Verfechter eiues vollen parlamentarischen
Selfgovernment, in die Verfassung der preußischen Monarchie oder des
Deutschen Reiches Veränderungen einzuführen, die die Suprematie der Hohen¬
zollerndynastic in wesentlichem Umfange schwächen konnten. Wann auch immer
ein solcher Versuch gemacht worden ist, das deutsche Volk, zumal in den
preußischen Provinzen, hat immer Partei für die Krone und gegen das Par¬
lament genommen. Es muß also zugegeben werden, daß die bestehende Verfassung
Dentschlands, wie fern sie auch vou unsern britischen Idealen volkstümlicher
Selbstregierung sein mag, eine Art Kompromiß zwischen der demokratischen
und der autokratischen Herrschaft bildet, der von der regierenden Dynastie loyal
respektiert wird, und daß unter diesem Kompromiß die individuelle Freiheit
besteht, Gesetz und Ordnung aufrecht erhalten werden, Leben und Eigentum
gesichert sind gegen Eingriffe der Exekutive, parlamentarische Institutionen,
Freiheit der Presse und der politischen Diskussionen keine Fiktionen mehr, sondern
anerkannte Rechte sind, deren sich die deutsche Nation erfreut, mögen immer¬
hin diese Rechte nicht so voll entwickelt sein wie in andern konstitutionellen
Ländern.

So lange dieser Stand der Dinge andauert, hat kein Verlangen nach
revolutionären Umwälzungen Aussicht ans die Zustimmung des deutschen Volkes,
das auf die Hohenzollerndynastie als den besten Schutz seiner Freiheiten, seiner
Größe als Nation, seiner Wohlfahrt für die Gegenwart und seines Ehrgeizes
für die Zukunft vertraut. Wenn diese Ansicht richtig ist, ist es leicht ver¬
ständlich, daß sich Kaiser Wilhelm der Zweite der moralischen Suprematie er¬
freut, die ihm zukommt als dem Erben einer langen Linie von Souveränen,
die alle an der Vergrößerung Preußens und an der Einigung Deutschlands
unter Preußens Hegemonie gearbeitet haben. Jeder seiner Vorfahren auf
dem Throne, welcher Art seine Mängel oder Fehler auch gewesen sein mögen,
hat eine außerordentliche Fähigkeit an deu Tag gelegt, die Strömungen der
öffentlichen Meinung in seinem Volke zu erkennen und sich ihre Ideen, ihren
Ehrgeiz und sogar ihre Vorurteile anzueignen. In dieser Hinsicht hat Seine
Majestät wenigstens die Traditionen seines Hauses mehr als erfüllt. Es ist
uicht meine Absicht, eine allgemeine Billigung der Haltung auszusprechen,
die jeder der beiden Monarchen, die jüngst in Friedrichshof zusammentrafen,
bei verschiednen Gelegenheiten eingenommen hat. Was ich wünsche, ist zu
zeigen, daß wie Seine Majestät der König von England ein typischer Eng¬
länder ist, den englischen Herzen teuer, so Seine Majestät der Kaiser von
Deutschland ein typischer Deutscher, den deutschen Herzen teuer. Beide können


Die Monarchenbegvgnung

ist, eine vollendete Tatsache an Stelle eines idealen Traumes zu werde»,
dieses Ergebnis nur unter der Herrschaft der Hohenzollerndynastic erreicht
werden konnte. Mag nun diese Schlußfolgerung in der Abstraktion richtig
oder unrichtig sein, daran besteht kein Zweifel, daß sie vom deutschen Volke
als ein Glaubensartikel angenommen worden ist. Das Vorhandensein dieses
Glaubens bei der großen Mehrheit der deutschen Nation erklärt das unver¬
änderliche Scheitern jedes Versuchs der Verfechter eiues vollen parlamentarischen
Selfgovernment, in die Verfassung der preußischen Monarchie oder des
Deutschen Reiches Veränderungen einzuführen, die die Suprematie der Hohen¬
zollerndynastic in wesentlichem Umfange schwächen konnten. Wann auch immer
ein solcher Versuch gemacht worden ist, das deutsche Volk, zumal in den
preußischen Provinzen, hat immer Partei für die Krone und gegen das Par¬
lament genommen. Es muß also zugegeben werden, daß die bestehende Verfassung
Dentschlands, wie fern sie auch vou unsern britischen Idealen volkstümlicher
Selbstregierung sein mag, eine Art Kompromiß zwischen der demokratischen
und der autokratischen Herrschaft bildet, der von der regierenden Dynastie loyal
respektiert wird, und daß unter diesem Kompromiß die individuelle Freiheit
besteht, Gesetz und Ordnung aufrecht erhalten werden, Leben und Eigentum
gesichert sind gegen Eingriffe der Exekutive, parlamentarische Institutionen,
Freiheit der Presse und der politischen Diskussionen keine Fiktionen mehr, sondern
anerkannte Rechte sind, deren sich die deutsche Nation erfreut, mögen immer¬
hin diese Rechte nicht so voll entwickelt sein wie in andern konstitutionellen
Ländern.

So lange dieser Stand der Dinge andauert, hat kein Verlangen nach
revolutionären Umwälzungen Aussicht ans die Zustimmung des deutschen Volkes,
das auf die Hohenzollerndynastie als den besten Schutz seiner Freiheiten, seiner
Größe als Nation, seiner Wohlfahrt für die Gegenwart und seines Ehrgeizes
für die Zukunft vertraut. Wenn diese Ansicht richtig ist, ist es leicht ver¬
ständlich, daß sich Kaiser Wilhelm der Zweite der moralischen Suprematie er¬
freut, die ihm zukommt als dem Erben einer langen Linie von Souveränen,
die alle an der Vergrößerung Preußens und an der Einigung Deutschlands
unter Preußens Hegemonie gearbeitet haben. Jeder seiner Vorfahren auf
dem Throne, welcher Art seine Mängel oder Fehler auch gewesen sein mögen,
hat eine außerordentliche Fähigkeit an deu Tag gelegt, die Strömungen der
öffentlichen Meinung in seinem Volke zu erkennen und sich ihre Ideen, ihren
Ehrgeiz und sogar ihre Vorurteile anzueignen. In dieser Hinsicht hat Seine
Majestät wenigstens die Traditionen seines Hauses mehr als erfüllt. Es ist
uicht meine Absicht, eine allgemeine Billigung der Haltung auszusprechen,
die jeder der beiden Monarchen, die jüngst in Friedrichshof zusammentrafen,
bei verschiednen Gelegenheiten eingenommen hat. Was ich wünsche, ist zu
zeigen, daß wie Seine Majestät der König von England ein typischer Eng¬
länder ist, den englischen Herzen teuer, so Seine Majestät der Kaiser von
Deutschland ein typischer Deutscher, den deutschen Herzen teuer. Beide können


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/656>, abgerufen am 23.07.2024.