Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.Die Moimrchcnbcgegnung Großjährigkeit und seiner Thronbesteigung verflossen sind, hat sich Seine Eine ähnliche Autorität, wenngleich auf etwas andern Ursachen beruhend, Die Moimrchcnbcgegnung Großjährigkeit und seiner Thronbesteigung verflossen sind, hat sich Seine Eine ähnliche Autorität, wenngleich auf etwas andern Ursachen beruhend, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0655" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300442"/> <fw type="header" place="top"> Die Moimrchcnbcgegnung</fw><lb/> <p xml:id="ID_2612" prev="#ID_2611"> Großjährigkeit und seiner Thronbesteigung verflossen sind, hat sich Seine<lb/> Majestät unverdrossen von jeder Einmischung in die Politik fern gehalten,<lb/> die seiner königlichen Mutter hätte Verdrießlichkeiten bereiten können. Er gab<lb/> niemals irgendeiner politischen Partei die geringste Ermutigung zu der An¬<lb/> nahme, als sei er mehr der Vertreter seiner eignen Ansichten als der der<lb/> regierenden Souveränin. Als er in einem reifen Alter den Thron bestieg,<lb/> gab er sofort den Beweis, wie sorgfältig er die Pflichten und die Rechte eines<lb/> englischen konstitutionellen Herrschers studiert habe, der eifersüchtig auf die Wohl¬<lb/> fahrt seines Volkes und auf die Würde seines Reiches sei. In der Tat, erst<lb/> als der Tod seiner verehrten Mutter ihm die Gelegenheit zur persönlichen Be-<lb/> tätigung gegeben hat, haben seine Untertanen die bemerkenswerte Geschicklichkeit,<lb/> die Weltkenntnis, den vollendeten Takt und den echten guten Menschenverstand<lb/> kennen lernen, die ihm so lange Zurückhaltung auferlegten, als er nach den<lb/> ungeschriebnen Gesetzen unsers Hofes in innern oder auswärtigen Angelegen¬<lb/> heiten keine Initiative aus sich selbst heraus nehmen konnte. Was vielleicht<lb/> noch wichtiger war, Seine Majestät hatte während seiner Abgeschlossenheit vom<lb/> öffentlichen Leben die Ideen, die Aspirationen, die Überzeugungen und auch die<lb/> Vorurteile des britischen Volkes genauer kennen gelernt als die verstorbne<lb/> Königin selbst oder irgendeiner ihrer welfischen Vorfahren. Engländer von<lb/> Geburt, von Erziehung und von Charakter, ist er von der englischen Nation<lb/> als ein König nach ihrem Herzen aufgenommen worden, als ein Monarch, wie<lb/> England ihn selten gekannt hat. Es darf daher aufrichtig ausgesprochen werden,<lb/> daß der König, wenn er eine Meinung äußert, ob zu Hause oder sonstwo,<lb/> das Mundstück ist, nicht allein von Großbritannien, sondern auch des Gröszern<lb/> Britanniens jenseits der Meere. Die Tatsache, daß er England hinter sich<lb/> hat, bekleidet ihn mit einer Autorität, die anzuerkennen die fremden Machte<lb/> sich beeilt haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_2613" next="#ID_2614"> Eine ähnliche Autorität, wenngleich auf etwas andern Ursachen beruhend,<lb/> knüpft sich an die Persönlichkeit Kaiser Wilhelms des Zweiten. Fremde in<lb/> Deutschland vermögen es sich oft nicht vorzustellen, daß der außerordentliche<lb/> Halt, den Seine Majestät bei dem deutschen Volke hat, auf der Tatsache<lb/> beruht, daß die Hvhenzollerndhnastie in den deutschen Herzen unauflöslich ver¬<lb/> bunden ist mit der Umwandlung des kleinen Herzogtums (sie) Brandenburg zum<lb/> großen Deutschen Reiche. Von den Zeiten des Herzogtums Brandenburg bis<lb/> zur Gegenwart ist nicht einer der Hohenzollernschen Fürsten, der nicht sein<lb/> Herz und seinen Verstand daran gesetzt Hütte, die Politik zu fördern, durch die<lb/> Preußen zur Suprematie in Deutschland emporgestiegen ist. Kein gerechter<lb/> Geschichtsforscher kann es in Abrede stellen, daß die Vergrößerung Preußens<lb/> und die konsequente Errichtung eines geeinten Deutschlands weit mehr der<lb/> Weisheit und dem Mute der Hohenzollern als den Anstrengungen ihrer<lb/> Staatsmänner und Politiker zu verdanken sind, mit der möglichen Ausnahme<lb/> des Fürsten Bismarck. Aber sogar der große Kanzler hat sein Leben lang seine<lb/> Politik auf den Grundsatz basiert, daß wenn das Deutsche Reich dazu gelangt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0655]
Die Moimrchcnbcgegnung
Großjährigkeit und seiner Thronbesteigung verflossen sind, hat sich Seine
Majestät unverdrossen von jeder Einmischung in die Politik fern gehalten,
die seiner königlichen Mutter hätte Verdrießlichkeiten bereiten können. Er gab
niemals irgendeiner politischen Partei die geringste Ermutigung zu der An¬
nahme, als sei er mehr der Vertreter seiner eignen Ansichten als der der
regierenden Souveränin. Als er in einem reifen Alter den Thron bestieg,
gab er sofort den Beweis, wie sorgfältig er die Pflichten und die Rechte eines
englischen konstitutionellen Herrschers studiert habe, der eifersüchtig auf die Wohl¬
fahrt seines Volkes und auf die Würde seines Reiches sei. In der Tat, erst
als der Tod seiner verehrten Mutter ihm die Gelegenheit zur persönlichen Be-
tätigung gegeben hat, haben seine Untertanen die bemerkenswerte Geschicklichkeit,
die Weltkenntnis, den vollendeten Takt und den echten guten Menschenverstand
kennen lernen, die ihm so lange Zurückhaltung auferlegten, als er nach den
ungeschriebnen Gesetzen unsers Hofes in innern oder auswärtigen Angelegen¬
heiten keine Initiative aus sich selbst heraus nehmen konnte. Was vielleicht
noch wichtiger war, Seine Majestät hatte während seiner Abgeschlossenheit vom
öffentlichen Leben die Ideen, die Aspirationen, die Überzeugungen und auch die
Vorurteile des britischen Volkes genauer kennen gelernt als die verstorbne
Königin selbst oder irgendeiner ihrer welfischen Vorfahren. Engländer von
Geburt, von Erziehung und von Charakter, ist er von der englischen Nation
als ein König nach ihrem Herzen aufgenommen worden, als ein Monarch, wie
England ihn selten gekannt hat. Es darf daher aufrichtig ausgesprochen werden,
daß der König, wenn er eine Meinung äußert, ob zu Hause oder sonstwo,
das Mundstück ist, nicht allein von Großbritannien, sondern auch des Gröszern
Britanniens jenseits der Meere. Die Tatsache, daß er England hinter sich
hat, bekleidet ihn mit einer Autorität, die anzuerkennen die fremden Machte
sich beeilt haben.
Eine ähnliche Autorität, wenngleich auf etwas andern Ursachen beruhend,
knüpft sich an die Persönlichkeit Kaiser Wilhelms des Zweiten. Fremde in
Deutschland vermögen es sich oft nicht vorzustellen, daß der außerordentliche
Halt, den Seine Majestät bei dem deutschen Volke hat, auf der Tatsache
beruht, daß die Hvhenzollerndhnastie in den deutschen Herzen unauflöslich ver¬
bunden ist mit der Umwandlung des kleinen Herzogtums (sie) Brandenburg zum
großen Deutschen Reiche. Von den Zeiten des Herzogtums Brandenburg bis
zur Gegenwart ist nicht einer der Hohenzollernschen Fürsten, der nicht sein
Herz und seinen Verstand daran gesetzt Hütte, die Politik zu fördern, durch die
Preußen zur Suprematie in Deutschland emporgestiegen ist. Kein gerechter
Geschichtsforscher kann es in Abrede stellen, daß die Vergrößerung Preußens
und die konsequente Errichtung eines geeinten Deutschlands weit mehr der
Weisheit und dem Mute der Hohenzollern als den Anstrengungen ihrer
Staatsmänner und Politiker zu verdanken sind, mit der möglichen Ausnahme
des Fürsten Bismarck. Aber sogar der große Kanzler hat sein Leben lang seine
Politik auf den Grundsatz basiert, daß wenn das Deutsche Reich dazu gelangt
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