Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
T>urch Transkaukasien

Nikolajewitsch und Nikolai Michailowitsch, von denen der eine aus seinen
Wäldern bedeutende Holzmengen in den Handel bringen läßt.

Michailowo, der Knotenpunkt der Abzweigungen der Eisenbahnen nach
Vorshom und Ssuram, ist durch den Holzhandel sowie durch die Entwicklung
seiner Eisenbahnreparaturwerkstätten und der Naphthawerke zu einem gewerb-
fleißigen Städtchen geworden. Entsprechend rührig war das Leben und Treiben
auf dem Bahnhofe. In dessen unmittelbarer Nähe stehn eine große Anzahl
Naphthatanks. Zur Zeit unsrer Fahrt war von der 1898 begonnenen trans¬
kaukasischen Naphthaleitung, von der wir unterwegs an manchen Stellen die
gußeisernen Röhren von zwanzig Zentimetern Durchmesser hatten zutage treten
selben, erst die Strecke Michailowo-Batna in Betrieb. Sie gewährte schon
damals den großen Vorteil, die unproduktive Rückfahrt der Zisternenwagen auf
der steigenden Strecke entbehrlich zu machen, indem das Raphtha von Baku
aus auf der Achse angefahren, hier in die Tanks übernommen und in die
Leitung getrieben wurde. Von der Paßhöhe ab führte das Gefälle der der
Eisenbahn folgenden Leitung das Naphtha in die Petroleumstadt von Batna,
wo es zur Ausfuhr in viereckige Blechkannen ungefüllt wird. Inzwischen ist
die Leitungsstrecke bis Baku in einer Gesamtlänge von 902 Kilometern fertig¬
gestellt worden, und die Betriebseröffnung auf ihr sollte in kurzer Zeit erfolgen,
sodaß die Füllung der Vatumer Tanks unmittelbar von Baku aus geschehen
kann. Es wird Wohl möglich gewesen sein, zur Beschaffung des nötigen Drucks
die vorhandnen Wasserkräfte auszunutzen, sodaß die Beförderung bis Batna
billiger zu stehn kommt als der Eisenbahntransport. Die jährliche Leistung
der Leitung ist in Höhe des bisherigen Ausfuhrquantums, nämlich 60 Millionen
Pud (982800 Tonnen) berechnet. Die Leitung, die den Staaten 14 Millionen
Rubel gekostet hat, gibt also die Möglichkeit, den Preis des Petroleums direkt
herabzusetzen sowie auch unter Fortsetzung der Eisenbahnabführ das Ausfuhr-
qucmtum zu verdoppeln, bei vermehrtem Gewinn geringern Verdienst zu nehmen
und dadurch das amerikanische Produkt im Preise zu drücken. Auch dem ört¬
lichen Bedürfnis ist durch die Einrichtung von neunzehn Entnahmestellen an
der Eisenbahn gedient.

Die Fahrt von Michailowo, auf der von größern Orten nur das unruhige
Gori und das historisch erwähnenswerte Mzchet berührt werden, wo die gru¬
sinische Heerstraße, vom Kasbek kommend, an die Bahn heranführt, war trotz
der Flachheit der fruchtbaren Talsohle so lange schön, als wir bei der sinkenden
Nachmittagssonne Ausblick auf die Gebirge hatten. Das Alpenglühen, worin
die zackigen Spitzen zuletzt rosig erstrahlten, kann ich mir auch da, wo es so
getauft ist, nicht herrlicher denken. Aber als es dunkler wurde, und die
miserable, vorsintflutliche Kerzenbeleuchtung russischer Züge, die auch hier im
Lande des Petroleums beibehalten wird, nicht einmal zu lesen erlaubte, machte
sich die Abspannung geltend. Auch das lebhaftere Getriebe im Waggon, das
Plappern und das Geschrei des fluchtartigen Zustroms auf den Stationen


Grenz boten III 1906 82
T>urch Transkaukasien

Nikolajewitsch und Nikolai Michailowitsch, von denen der eine aus seinen
Wäldern bedeutende Holzmengen in den Handel bringen läßt.

Michailowo, der Knotenpunkt der Abzweigungen der Eisenbahnen nach
Vorshom und Ssuram, ist durch den Holzhandel sowie durch die Entwicklung
seiner Eisenbahnreparaturwerkstätten und der Naphthawerke zu einem gewerb-
fleißigen Städtchen geworden. Entsprechend rührig war das Leben und Treiben
auf dem Bahnhofe. In dessen unmittelbarer Nähe stehn eine große Anzahl
Naphthatanks. Zur Zeit unsrer Fahrt war von der 1898 begonnenen trans¬
kaukasischen Naphthaleitung, von der wir unterwegs an manchen Stellen die
gußeisernen Röhren von zwanzig Zentimetern Durchmesser hatten zutage treten
selben, erst die Strecke Michailowo-Batna in Betrieb. Sie gewährte schon
damals den großen Vorteil, die unproduktive Rückfahrt der Zisternenwagen auf
der steigenden Strecke entbehrlich zu machen, indem das Raphtha von Baku
aus auf der Achse angefahren, hier in die Tanks übernommen und in die
Leitung getrieben wurde. Von der Paßhöhe ab führte das Gefälle der der
Eisenbahn folgenden Leitung das Naphtha in die Petroleumstadt von Batna,
wo es zur Ausfuhr in viereckige Blechkannen ungefüllt wird. Inzwischen ist
die Leitungsstrecke bis Baku in einer Gesamtlänge von 902 Kilometern fertig¬
gestellt worden, und die Betriebseröffnung auf ihr sollte in kurzer Zeit erfolgen,
sodaß die Füllung der Vatumer Tanks unmittelbar von Baku aus geschehen
kann. Es wird Wohl möglich gewesen sein, zur Beschaffung des nötigen Drucks
die vorhandnen Wasserkräfte auszunutzen, sodaß die Beförderung bis Batna
billiger zu stehn kommt als der Eisenbahntransport. Die jährliche Leistung
der Leitung ist in Höhe des bisherigen Ausfuhrquantums, nämlich 60 Millionen
Pud (982800 Tonnen) berechnet. Die Leitung, die den Staaten 14 Millionen
Rubel gekostet hat, gibt also die Möglichkeit, den Preis des Petroleums direkt
herabzusetzen sowie auch unter Fortsetzung der Eisenbahnabführ das Ausfuhr-
qucmtum zu verdoppeln, bei vermehrtem Gewinn geringern Verdienst zu nehmen
und dadurch das amerikanische Produkt im Preise zu drücken. Auch dem ört¬
lichen Bedürfnis ist durch die Einrichtung von neunzehn Entnahmestellen an
der Eisenbahn gedient.

Die Fahrt von Michailowo, auf der von größern Orten nur das unruhige
Gori und das historisch erwähnenswerte Mzchet berührt werden, wo die gru¬
sinische Heerstraße, vom Kasbek kommend, an die Bahn heranführt, war trotz
der Flachheit der fruchtbaren Talsohle so lange schön, als wir bei der sinkenden
Nachmittagssonne Ausblick auf die Gebirge hatten. Das Alpenglühen, worin
die zackigen Spitzen zuletzt rosig erstrahlten, kann ich mir auch da, wo es so
getauft ist, nicht herrlicher denken. Aber als es dunkler wurde, und die
miserable, vorsintflutliche Kerzenbeleuchtung russischer Züge, die auch hier im
Lande des Petroleums beibehalten wird, nicht einmal zu lesen erlaubte, machte
sich die Abspannung geltend. Auch das lebhaftere Getriebe im Waggon, das
Plappern und das Geschrei des fluchtartigen Zustroms auf den Stationen


Grenz boten III 1906 82
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0625" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300412"/>
          <fw type="header" place="top"> T&gt;urch Transkaukasien</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2461" prev="#ID_2460"> Nikolajewitsch und Nikolai Michailowitsch, von denen der eine aus seinen<lb/>
Wäldern bedeutende Holzmengen in den Handel bringen läßt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2462"> Michailowo, der Knotenpunkt der Abzweigungen der Eisenbahnen nach<lb/>
Vorshom und Ssuram, ist durch den Holzhandel sowie durch die Entwicklung<lb/>
seiner Eisenbahnreparaturwerkstätten und der Naphthawerke zu einem gewerb-<lb/>
fleißigen Städtchen geworden. Entsprechend rührig war das Leben und Treiben<lb/>
auf dem Bahnhofe. In dessen unmittelbarer Nähe stehn eine große Anzahl<lb/>
Naphthatanks. Zur Zeit unsrer Fahrt war von der 1898 begonnenen trans¬<lb/>
kaukasischen Naphthaleitung, von der wir unterwegs an manchen Stellen die<lb/>
gußeisernen Röhren von zwanzig Zentimetern Durchmesser hatten zutage treten<lb/>
selben, erst die Strecke Michailowo-Batna in Betrieb. Sie gewährte schon<lb/>
damals den großen Vorteil, die unproduktive Rückfahrt der Zisternenwagen auf<lb/>
der steigenden Strecke entbehrlich zu machen, indem das Raphtha von Baku<lb/>
aus auf der Achse angefahren, hier in die Tanks übernommen und in die<lb/>
Leitung getrieben wurde. Von der Paßhöhe ab führte das Gefälle der der<lb/>
Eisenbahn folgenden Leitung das Naphtha in die Petroleumstadt von Batna,<lb/>
wo es zur Ausfuhr in viereckige Blechkannen ungefüllt wird. Inzwischen ist<lb/>
die Leitungsstrecke bis Baku in einer Gesamtlänge von 902 Kilometern fertig¬<lb/>
gestellt worden, und die Betriebseröffnung auf ihr sollte in kurzer Zeit erfolgen,<lb/>
sodaß die Füllung der Vatumer Tanks unmittelbar von Baku aus geschehen<lb/>
kann. Es wird Wohl möglich gewesen sein, zur Beschaffung des nötigen Drucks<lb/>
die vorhandnen Wasserkräfte auszunutzen, sodaß die Beförderung bis Batna<lb/>
billiger zu stehn kommt als der Eisenbahntransport. Die jährliche Leistung<lb/>
der Leitung ist in Höhe des bisherigen Ausfuhrquantums, nämlich 60 Millionen<lb/>
Pud (982800 Tonnen) berechnet. Die Leitung, die den Staaten 14 Millionen<lb/>
Rubel gekostet hat, gibt also die Möglichkeit, den Preis des Petroleums direkt<lb/>
herabzusetzen sowie auch unter Fortsetzung der Eisenbahnabführ das Ausfuhr-<lb/>
qucmtum zu verdoppeln, bei vermehrtem Gewinn geringern Verdienst zu nehmen<lb/>
und dadurch das amerikanische Produkt im Preise zu drücken. Auch dem ört¬<lb/>
lichen Bedürfnis ist durch die Einrichtung von neunzehn Entnahmestellen an<lb/>
der Eisenbahn gedient.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2463" next="#ID_2464"> Die Fahrt von Michailowo, auf der von größern Orten nur das unruhige<lb/>
Gori und das historisch erwähnenswerte Mzchet berührt werden, wo die gru¬<lb/>
sinische Heerstraße, vom Kasbek kommend, an die Bahn heranführt, war trotz<lb/>
der Flachheit der fruchtbaren Talsohle so lange schön, als wir bei der sinkenden<lb/>
Nachmittagssonne Ausblick auf die Gebirge hatten. Das Alpenglühen, worin<lb/>
die zackigen Spitzen zuletzt rosig erstrahlten, kann ich mir auch da, wo es so<lb/>
getauft ist, nicht herrlicher denken. Aber als es dunkler wurde, und die<lb/>
miserable, vorsintflutliche Kerzenbeleuchtung russischer Züge, die auch hier im<lb/>
Lande des Petroleums beibehalten wird, nicht einmal zu lesen erlaubte, machte<lb/>
sich die Abspannung geltend. Auch das lebhaftere Getriebe im Waggon, das<lb/>
Plappern und das Geschrei des fluchtartigen Zustroms auf den Stationen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenz boten III 1906 82</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0625] T>urch Transkaukasien Nikolajewitsch und Nikolai Michailowitsch, von denen der eine aus seinen Wäldern bedeutende Holzmengen in den Handel bringen läßt. Michailowo, der Knotenpunkt der Abzweigungen der Eisenbahnen nach Vorshom und Ssuram, ist durch den Holzhandel sowie durch die Entwicklung seiner Eisenbahnreparaturwerkstätten und der Naphthawerke zu einem gewerb- fleißigen Städtchen geworden. Entsprechend rührig war das Leben und Treiben auf dem Bahnhofe. In dessen unmittelbarer Nähe stehn eine große Anzahl Naphthatanks. Zur Zeit unsrer Fahrt war von der 1898 begonnenen trans¬ kaukasischen Naphthaleitung, von der wir unterwegs an manchen Stellen die gußeisernen Röhren von zwanzig Zentimetern Durchmesser hatten zutage treten selben, erst die Strecke Michailowo-Batna in Betrieb. Sie gewährte schon damals den großen Vorteil, die unproduktive Rückfahrt der Zisternenwagen auf der steigenden Strecke entbehrlich zu machen, indem das Raphtha von Baku aus auf der Achse angefahren, hier in die Tanks übernommen und in die Leitung getrieben wurde. Von der Paßhöhe ab führte das Gefälle der der Eisenbahn folgenden Leitung das Naphtha in die Petroleumstadt von Batna, wo es zur Ausfuhr in viereckige Blechkannen ungefüllt wird. Inzwischen ist die Leitungsstrecke bis Baku in einer Gesamtlänge von 902 Kilometern fertig¬ gestellt worden, und die Betriebseröffnung auf ihr sollte in kurzer Zeit erfolgen, sodaß die Füllung der Vatumer Tanks unmittelbar von Baku aus geschehen kann. Es wird Wohl möglich gewesen sein, zur Beschaffung des nötigen Drucks die vorhandnen Wasserkräfte auszunutzen, sodaß die Beförderung bis Batna billiger zu stehn kommt als der Eisenbahntransport. Die jährliche Leistung der Leitung ist in Höhe des bisherigen Ausfuhrquantums, nämlich 60 Millionen Pud (982800 Tonnen) berechnet. Die Leitung, die den Staaten 14 Millionen Rubel gekostet hat, gibt also die Möglichkeit, den Preis des Petroleums direkt herabzusetzen sowie auch unter Fortsetzung der Eisenbahnabführ das Ausfuhr- qucmtum zu verdoppeln, bei vermehrtem Gewinn geringern Verdienst zu nehmen und dadurch das amerikanische Produkt im Preise zu drücken. Auch dem ört¬ lichen Bedürfnis ist durch die Einrichtung von neunzehn Entnahmestellen an der Eisenbahn gedient. Die Fahrt von Michailowo, auf der von größern Orten nur das unruhige Gori und das historisch erwähnenswerte Mzchet berührt werden, wo die gru¬ sinische Heerstraße, vom Kasbek kommend, an die Bahn heranführt, war trotz der Flachheit der fruchtbaren Talsohle so lange schön, als wir bei der sinkenden Nachmittagssonne Ausblick auf die Gebirge hatten. Das Alpenglühen, worin die zackigen Spitzen zuletzt rosig erstrahlten, kann ich mir auch da, wo es so getauft ist, nicht herrlicher denken. Aber als es dunkler wurde, und die miserable, vorsintflutliche Kerzenbeleuchtung russischer Züge, die auch hier im Lande des Petroleums beibehalten wird, nicht einmal zu lesen erlaubte, machte sich die Abspannung geltend. Auch das lebhaftere Getriebe im Waggon, das Plappern und das Geschrei des fluchtartigen Zustroms auf den Stationen Grenz boten III 1906 82

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/625
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/625>, abgerufen am 23.07.2024.