Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

konnte noch an demselben Tage dem Bllndeskanzler melden, daß diesen Wünschen
von'badischer Seite entsprochen werde, doch wünsche General Beyer eine
preußische Pionierkompagnie nebst einigen Jngenieurvffizieren nach Rastatt
sowie die Verstärkung der Besatzung durch ein preußisches Infanterieregiment.
Infolgedessen rückten am 16. und 17. Juli das Fttsilierregiment Ur. 34 aus
Frankfurt am Main, dem seine Reserven geschlossen nachgeführt wurden,
sowie die Mineurkompagnie des Pionierbataillons Ur. 8 mit der Bahn
nach Rastatt ab, sieben Jngenieuroffiziere und einige Artillerieoffiziere
folgten. Dies war die erste Hilfe, die Preußen Süddeutschland brachte. Am
23. Juli stand die badische Division westlich von Karlsruhe konzentriert, bis
auf die Trains marschfähig, eine Avantgarde war bis zur Murg vorgeschoben.
Tags zuvor waren auf Anordnung Moltkes zehn württembergische Reiter¬
eskadrons mit der Eisenbahn von Stuttgart nach Durlach transportiert worden
und hatten bei Ettlingen Kantonnements bezogen; die württembergische Feld¬
division wurde in den folgenden Tagen bei Graben versammelt. Bemerkens¬
wert ist, daß sowohl die badische als die württembergische Division den Wunsch
aussprachen, nicht gemeinschaftlich, sondern jede mit einer preußischen Division
zu einem Armeekorps verbunden zu werden. Am 30. Juli erging durch Moltke
der Befehl des Königs, am linken Rheinufer vorzugehn, den Feind aufzusuchen
und anzugreifen, ein feindlicher Brückenschlag bei Lauterburg werde dadurch ver¬
hindert, ganz Süddeutschland dadurch am wirksamsten geschützt. Da die dritte
Armee in ihrer Gesamtheit noch nicht vereinigt war, viele Trains noch zurück
waren, so meldete der Kronprinz am nächsten Tage, daß er von der sofortigen
Ausführung dieser Operation noch Abstand nehme und die badischen und die
württembergischen Truppen noch auf dem rechten Rheinufer belasse. Vom
Großen Hauptquartier wurde darauf der 3. August als der Termin für die
Operationsbereitschaft festgesetzt.

Der Kronprinz war aus seiner Reise an die süddeutschen Höfe am 29. Juli
in Karlsruhe angekommen und hatte am 30. sein Hauptquartier in Speyer
genommen. Der Großherzog war hoch erfreut, seinen Schwager als Heerführer
zu begrüßen; zum Empfang war auch die Großherzogin, die am 22. Juli mit
den Kindern nach Heidelberg übergesiedelt war, wieder nach Karlsruhe ge¬
kommen. Baden war von den süddeutschen Staaten der einzige, der ohne Prüfung
eines Casus tosÄeris zu den Waffen gegriffen und mit Preußen gleichen
Schritt gehalten hatte, schon am 13. Juli, zwei Tage vor der Mobilmachung,
hatte sich der Großherzog dem Könige zu jeder Verwendung im Dienste des
Vaterlandes zur Verfügung gestellt, der erste von allen deutschen Fürsten.
Es entsprach dies seiner ganzen bisherigen Haltung. Dennoch war für die
politische Stellung Badens zunächst nichts geändert, es blieb der treue Verbündete,,
der seine Pflicht tat. Im mündlichen Gespräch mit dem Kronprinzen konnte wohl
manches Zukunftsbild entrollt, manche Hoffnung besprochen werden, einstweilen
fehlte aber noch jede Grundlage. Der Großherzog beschloß, bis zur völligen


Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

konnte noch an demselben Tage dem Bllndeskanzler melden, daß diesen Wünschen
von'badischer Seite entsprochen werde, doch wünsche General Beyer eine
preußische Pionierkompagnie nebst einigen Jngenieurvffizieren nach Rastatt
sowie die Verstärkung der Besatzung durch ein preußisches Infanterieregiment.
Infolgedessen rückten am 16. und 17. Juli das Fttsilierregiment Ur. 34 aus
Frankfurt am Main, dem seine Reserven geschlossen nachgeführt wurden,
sowie die Mineurkompagnie des Pionierbataillons Ur. 8 mit der Bahn
nach Rastatt ab, sieben Jngenieuroffiziere und einige Artillerieoffiziere
folgten. Dies war die erste Hilfe, die Preußen Süddeutschland brachte. Am
23. Juli stand die badische Division westlich von Karlsruhe konzentriert, bis
auf die Trains marschfähig, eine Avantgarde war bis zur Murg vorgeschoben.
Tags zuvor waren auf Anordnung Moltkes zehn württembergische Reiter¬
eskadrons mit der Eisenbahn von Stuttgart nach Durlach transportiert worden
und hatten bei Ettlingen Kantonnements bezogen; die württembergische Feld¬
division wurde in den folgenden Tagen bei Graben versammelt. Bemerkens¬
wert ist, daß sowohl die badische als die württembergische Division den Wunsch
aussprachen, nicht gemeinschaftlich, sondern jede mit einer preußischen Division
zu einem Armeekorps verbunden zu werden. Am 30. Juli erging durch Moltke
der Befehl des Königs, am linken Rheinufer vorzugehn, den Feind aufzusuchen
und anzugreifen, ein feindlicher Brückenschlag bei Lauterburg werde dadurch ver¬
hindert, ganz Süddeutschland dadurch am wirksamsten geschützt. Da die dritte
Armee in ihrer Gesamtheit noch nicht vereinigt war, viele Trains noch zurück
waren, so meldete der Kronprinz am nächsten Tage, daß er von der sofortigen
Ausführung dieser Operation noch Abstand nehme und die badischen und die
württembergischen Truppen noch auf dem rechten Rheinufer belasse. Vom
Großen Hauptquartier wurde darauf der 3. August als der Termin für die
Operationsbereitschaft festgesetzt.

Der Kronprinz war aus seiner Reise an die süddeutschen Höfe am 29. Juli
in Karlsruhe angekommen und hatte am 30. sein Hauptquartier in Speyer
genommen. Der Großherzog war hoch erfreut, seinen Schwager als Heerführer
zu begrüßen; zum Empfang war auch die Großherzogin, die am 22. Juli mit
den Kindern nach Heidelberg übergesiedelt war, wieder nach Karlsruhe ge¬
kommen. Baden war von den süddeutschen Staaten der einzige, der ohne Prüfung
eines Casus tosÄeris zu den Waffen gegriffen und mit Preußen gleichen
Schritt gehalten hatte, schon am 13. Juli, zwei Tage vor der Mobilmachung,
hatte sich der Großherzog dem Könige zu jeder Verwendung im Dienste des
Vaterlandes zur Verfügung gestellt, der erste von allen deutschen Fürsten.
Es entsprach dies seiner ganzen bisherigen Haltung. Dennoch war für die
politische Stellung Badens zunächst nichts geändert, es blieb der treue Verbündete,,
der seine Pflicht tat. Im mündlichen Gespräch mit dem Kronprinzen konnte wohl
manches Zukunftsbild entrollt, manche Hoffnung besprochen werden, einstweilen
fehlte aber noch jede Grundlage. Der Großherzog beschloß, bis zur völligen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0606" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300393"/>
          <fw type="header" place="top"> Großherzog Friedrich von Baden in Versailles</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2398" prev="#ID_2397"> konnte noch an demselben Tage dem Bllndeskanzler melden, daß diesen Wünschen<lb/>
von'badischer Seite entsprochen werde, doch wünsche General Beyer eine<lb/>
preußische Pionierkompagnie nebst einigen Jngenieurvffizieren nach Rastatt<lb/>
sowie die Verstärkung der Besatzung durch ein preußisches Infanterieregiment.<lb/>
Infolgedessen rückten am 16. und 17. Juli das Fttsilierregiment Ur. 34 aus<lb/>
Frankfurt am Main, dem seine Reserven geschlossen nachgeführt wurden,<lb/>
sowie die Mineurkompagnie des Pionierbataillons Ur. 8 mit der Bahn<lb/>
nach Rastatt ab, sieben Jngenieuroffiziere und einige Artillerieoffiziere<lb/>
folgten. Dies war die erste Hilfe, die Preußen Süddeutschland brachte. Am<lb/>
23. Juli stand die badische Division westlich von Karlsruhe konzentriert, bis<lb/>
auf die Trains marschfähig, eine Avantgarde war bis zur Murg vorgeschoben.<lb/>
Tags zuvor waren auf Anordnung Moltkes zehn württembergische Reiter¬<lb/>
eskadrons mit der Eisenbahn von Stuttgart nach Durlach transportiert worden<lb/>
und hatten bei Ettlingen Kantonnements bezogen; die württembergische Feld¬<lb/>
division wurde in den folgenden Tagen bei Graben versammelt. Bemerkens¬<lb/>
wert ist, daß sowohl die badische als die württembergische Division den Wunsch<lb/>
aussprachen, nicht gemeinschaftlich, sondern jede mit einer preußischen Division<lb/>
zu einem Armeekorps verbunden zu werden. Am 30. Juli erging durch Moltke<lb/>
der Befehl des Königs, am linken Rheinufer vorzugehn, den Feind aufzusuchen<lb/>
und anzugreifen, ein feindlicher Brückenschlag bei Lauterburg werde dadurch ver¬<lb/>
hindert, ganz Süddeutschland dadurch am wirksamsten geschützt. Da die dritte<lb/>
Armee in ihrer Gesamtheit noch nicht vereinigt war, viele Trains noch zurück<lb/>
waren, so meldete der Kronprinz am nächsten Tage, daß er von der sofortigen<lb/>
Ausführung dieser Operation noch Abstand nehme und die badischen und die<lb/>
württembergischen Truppen noch auf dem rechten Rheinufer belasse. Vom<lb/>
Großen Hauptquartier wurde darauf der 3. August als der Termin für die<lb/>
Operationsbereitschaft festgesetzt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2399" next="#ID_2400"> Der Kronprinz war aus seiner Reise an die süddeutschen Höfe am 29. Juli<lb/>
in Karlsruhe angekommen und hatte am 30. sein Hauptquartier in Speyer<lb/>
genommen. Der Großherzog war hoch erfreut, seinen Schwager als Heerführer<lb/>
zu begrüßen; zum Empfang war auch die Großherzogin, die am 22. Juli mit<lb/>
den Kindern nach Heidelberg übergesiedelt war, wieder nach Karlsruhe ge¬<lb/>
kommen. Baden war von den süddeutschen Staaten der einzige, der ohne Prüfung<lb/>
eines Casus tosÄeris zu den Waffen gegriffen und mit Preußen gleichen<lb/>
Schritt gehalten hatte, schon am 13. Juli, zwei Tage vor der Mobilmachung,<lb/>
hatte sich der Großherzog dem Könige zu jeder Verwendung im Dienste des<lb/>
Vaterlandes zur Verfügung gestellt, der erste von allen deutschen Fürsten.<lb/>
Es entsprach dies seiner ganzen bisherigen Haltung. Dennoch war für die<lb/>
politische Stellung Badens zunächst nichts geändert, es blieb der treue Verbündete,,<lb/>
der seine Pflicht tat. Im mündlichen Gespräch mit dem Kronprinzen konnte wohl<lb/>
manches Zukunftsbild entrollt, manche Hoffnung besprochen werden, einstweilen<lb/>
fehlte aber noch jede Grundlage. Der Großherzog beschloß, bis zur völligen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0606] Großherzog Friedrich von Baden in Versailles konnte noch an demselben Tage dem Bllndeskanzler melden, daß diesen Wünschen von'badischer Seite entsprochen werde, doch wünsche General Beyer eine preußische Pionierkompagnie nebst einigen Jngenieurvffizieren nach Rastatt sowie die Verstärkung der Besatzung durch ein preußisches Infanterieregiment. Infolgedessen rückten am 16. und 17. Juli das Fttsilierregiment Ur. 34 aus Frankfurt am Main, dem seine Reserven geschlossen nachgeführt wurden, sowie die Mineurkompagnie des Pionierbataillons Ur. 8 mit der Bahn nach Rastatt ab, sieben Jngenieuroffiziere und einige Artillerieoffiziere folgten. Dies war die erste Hilfe, die Preußen Süddeutschland brachte. Am 23. Juli stand die badische Division westlich von Karlsruhe konzentriert, bis auf die Trains marschfähig, eine Avantgarde war bis zur Murg vorgeschoben. Tags zuvor waren auf Anordnung Moltkes zehn württembergische Reiter¬ eskadrons mit der Eisenbahn von Stuttgart nach Durlach transportiert worden und hatten bei Ettlingen Kantonnements bezogen; die württembergische Feld¬ division wurde in den folgenden Tagen bei Graben versammelt. Bemerkens¬ wert ist, daß sowohl die badische als die württembergische Division den Wunsch aussprachen, nicht gemeinschaftlich, sondern jede mit einer preußischen Division zu einem Armeekorps verbunden zu werden. Am 30. Juli erging durch Moltke der Befehl des Königs, am linken Rheinufer vorzugehn, den Feind aufzusuchen und anzugreifen, ein feindlicher Brückenschlag bei Lauterburg werde dadurch ver¬ hindert, ganz Süddeutschland dadurch am wirksamsten geschützt. Da die dritte Armee in ihrer Gesamtheit noch nicht vereinigt war, viele Trains noch zurück waren, so meldete der Kronprinz am nächsten Tage, daß er von der sofortigen Ausführung dieser Operation noch Abstand nehme und die badischen und die württembergischen Truppen noch auf dem rechten Rheinufer belasse. Vom Großen Hauptquartier wurde darauf der 3. August als der Termin für die Operationsbereitschaft festgesetzt. Der Kronprinz war aus seiner Reise an die süddeutschen Höfe am 29. Juli in Karlsruhe angekommen und hatte am 30. sein Hauptquartier in Speyer genommen. Der Großherzog war hoch erfreut, seinen Schwager als Heerführer zu begrüßen; zum Empfang war auch die Großherzogin, die am 22. Juli mit den Kindern nach Heidelberg übergesiedelt war, wieder nach Karlsruhe ge¬ kommen. Baden war von den süddeutschen Staaten der einzige, der ohne Prüfung eines Casus tosÄeris zu den Waffen gegriffen und mit Preußen gleichen Schritt gehalten hatte, schon am 13. Juli, zwei Tage vor der Mobilmachung, hatte sich der Großherzog dem Könige zu jeder Verwendung im Dienste des Vaterlandes zur Verfügung gestellt, der erste von allen deutschen Fürsten. Es entsprach dies seiner ganzen bisherigen Haltung. Dennoch war für die politische Stellung Badens zunächst nichts geändert, es blieb der treue Verbündete,, der seine Pflicht tat. Im mündlichen Gespräch mit dem Kronprinzen konnte wohl manches Zukunftsbild entrollt, manche Hoffnung besprochen werden, einstweilen fehlte aber noch jede Grundlage. Der Großherzog beschloß, bis zur völligen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/606
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/606>, abgerufen am 23.07.2024.