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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

bündnisse alles vermieden wissen, was Frankreichs Mißtrauen reizen könnte.
Weder der vom Fürsten Hohenlohe angebotne Bund noch die schon damals
vom Großherzog gewünschte Militärkonvention fand deshalb die Zustimmung des
preußischen Staatsmannes. Der Großherzog mußte sich begnügen, das gesamte
Heerwesen Badens nach preußischem Muster zu reformieren, Preußen lieferte
ihm in der Person des Generals von Beyer einen geeigneten Kriegsminister,
und im Herbst hatte er die Genugtuung, die neugestaltete badische Division
dem sorgfältig prüfenden Blicke des Oberfeldherrn in Karlsruhe vorzuführen.
Ein wichtiger Schritt war damit gelungen. Schon am 5. September hatte der
Großherzog bei Eröffnung der Ständeversammlung ausgesprochen: ". . . Mein
Entschluß steht fest, dieser nationalen Einigung unausgesetzt nachzustreben, und
gern werde ich, und wird mit mir mein getreues Volk die Opfer bringen, die
mit dem Eintritt in dieselbe unzertrennlich verbunden sind. . . . Ist auch die
Form der nationalen Einigung Süddeutschlands mit dem Norddeutschen Bunde
noch nicht gefunden, so sind doch schon bedeutungsvolle Schritte zu diesem
Ziele getan. ..." Zwei Tage darauf erging Bismarcks berühmte, durch die
Salzburger Kaiserbegegnung hervorgerufne Zirkulardepesche in ihrer ernsten
entschlossenen Sprache. Still und unermüdlich arbeiteten Großherzog Friedrich
und das badische Ministerium ihrem Ziele zu, und nichts ist bezeichnender
als die zwar resignierte, aber dennoch feste patriotische Zuversicht, mit der
Mathy nach Mitteilung der ablehnenden Antwort Bismarcks auf seinen Antrag,
Baden in den Norddeutschen Bund aufzunehmen, tiefbewegt zum Großherzog
in die Worte ausbrach: "Und wir tun doch unsre Pflicht." Im Februar 1870
fand dann die an den bekannten Laskerschen Antrag anknüpfende Reichstags¬
debatte statt, in der sich Bismarck mit großer Schärfe gegen einen verfrühten
Eintritt Badens aussprach und dabei das Gleichnis brauchte, er könne nicht
den Milchtopf abfahren und den Rest sauer werden lassen. Die Lebhaftig¬
keit der Debatte hatte zu einem Schriftwechsel zwischen den beiden Regierungen
Anlaß gegeben, doch wurde die hervorgerufne Verstimmung erst bei der An¬
wesenheit des Großherzogs in Berlin gelegentlich des Geburtstags des Königs
beseitigt. Bismarck war auf dem Standpunkt geblieben, den er in einer Note
vom 15. September 1867 nach Karlsruhe und im folgenden Monat dem
badischen Gesandten in Berlin gegenüber in mündlicher Aussprache festgehalten
hatte, daß der gegenwärtige Zustand nicht das Ziel, aber eine ganz annehm¬
bare Wartestation sei, wo durch die Bündnisverträge die Sicherheit gegen
fremde Einmischungen, durch den verbesserten Zollverein die Befriedigung
materieller Interessen gesichert scheine. Der Bundeskanzler sah es als die
geschichtliche Mission Badens an, im Süden Deutschlands der zuverlässige
nationale Kern zu sein, und die Gestaltung, die die Verhältnisse damals in
Bayern nahmen, war freilich nicht geeignet, ihn in dieser Auffassung zu er¬
schüttern. War Baden zu nationalen Opfern bereit, so sollte es zunächst das
Opfer des Ausharrens bringen. Neben diesem amtlichen ging zugleich ein sehr


Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

bündnisse alles vermieden wissen, was Frankreichs Mißtrauen reizen könnte.
Weder der vom Fürsten Hohenlohe angebotne Bund noch die schon damals
vom Großherzog gewünschte Militärkonvention fand deshalb die Zustimmung des
preußischen Staatsmannes. Der Großherzog mußte sich begnügen, das gesamte
Heerwesen Badens nach preußischem Muster zu reformieren, Preußen lieferte
ihm in der Person des Generals von Beyer einen geeigneten Kriegsminister,
und im Herbst hatte er die Genugtuung, die neugestaltete badische Division
dem sorgfältig prüfenden Blicke des Oberfeldherrn in Karlsruhe vorzuführen.
Ein wichtiger Schritt war damit gelungen. Schon am 5. September hatte der
Großherzog bei Eröffnung der Ständeversammlung ausgesprochen: „. . . Mein
Entschluß steht fest, dieser nationalen Einigung unausgesetzt nachzustreben, und
gern werde ich, und wird mit mir mein getreues Volk die Opfer bringen, die
mit dem Eintritt in dieselbe unzertrennlich verbunden sind. . . . Ist auch die
Form der nationalen Einigung Süddeutschlands mit dem Norddeutschen Bunde
noch nicht gefunden, so sind doch schon bedeutungsvolle Schritte zu diesem
Ziele getan. ..." Zwei Tage darauf erging Bismarcks berühmte, durch die
Salzburger Kaiserbegegnung hervorgerufne Zirkulardepesche in ihrer ernsten
entschlossenen Sprache. Still und unermüdlich arbeiteten Großherzog Friedrich
und das badische Ministerium ihrem Ziele zu, und nichts ist bezeichnender
als die zwar resignierte, aber dennoch feste patriotische Zuversicht, mit der
Mathy nach Mitteilung der ablehnenden Antwort Bismarcks auf seinen Antrag,
Baden in den Norddeutschen Bund aufzunehmen, tiefbewegt zum Großherzog
in die Worte ausbrach: „Und wir tun doch unsre Pflicht." Im Februar 1870
fand dann die an den bekannten Laskerschen Antrag anknüpfende Reichstags¬
debatte statt, in der sich Bismarck mit großer Schärfe gegen einen verfrühten
Eintritt Badens aussprach und dabei das Gleichnis brauchte, er könne nicht
den Milchtopf abfahren und den Rest sauer werden lassen. Die Lebhaftig¬
keit der Debatte hatte zu einem Schriftwechsel zwischen den beiden Regierungen
Anlaß gegeben, doch wurde die hervorgerufne Verstimmung erst bei der An¬
wesenheit des Großherzogs in Berlin gelegentlich des Geburtstags des Königs
beseitigt. Bismarck war auf dem Standpunkt geblieben, den er in einer Note
vom 15. September 1867 nach Karlsruhe und im folgenden Monat dem
badischen Gesandten in Berlin gegenüber in mündlicher Aussprache festgehalten
hatte, daß der gegenwärtige Zustand nicht das Ziel, aber eine ganz annehm¬
bare Wartestation sei, wo durch die Bündnisverträge die Sicherheit gegen
fremde Einmischungen, durch den verbesserten Zollverein die Befriedigung
materieller Interessen gesichert scheine. Der Bundeskanzler sah es als die
geschichtliche Mission Badens an, im Süden Deutschlands der zuverlässige
nationale Kern zu sein, und die Gestaltung, die die Verhältnisse damals in
Bayern nahmen, war freilich nicht geeignet, ihn in dieser Auffassung zu er¬
schüttern. War Baden zu nationalen Opfern bereit, so sollte es zunächst das
Opfer des Ausharrens bringen. Neben diesem amtlichen ging zugleich ein sehr


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[0604] Großherzog Friedrich von Baden in Versailles bündnisse alles vermieden wissen, was Frankreichs Mißtrauen reizen könnte. Weder der vom Fürsten Hohenlohe angebotne Bund noch die schon damals vom Großherzog gewünschte Militärkonvention fand deshalb die Zustimmung des preußischen Staatsmannes. Der Großherzog mußte sich begnügen, das gesamte Heerwesen Badens nach preußischem Muster zu reformieren, Preußen lieferte ihm in der Person des Generals von Beyer einen geeigneten Kriegsminister, und im Herbst hatte er die Genugtuung, die neugestaltete badische Division dem sorgfältig prüfenden Blicke des Oberfeldherrn in Karlsruhe vorzuführen. Ein wichtiger Schritt war damit gelungen. Schon am 5. September hatte der Großherzog bei Eröffnung der Ständeversammlung ausgesprochen: „. . . Mein Entschluß steht fest, dieser nationalen Einigung unausgesetzt nachzustreben, und gern werde ich, und wird mit mir mein getreues Volk die Opfer bringen, die mit dem Eintritt in dieselbe unzertrennlich verbunden sind. . . . Ist auch die Form der nationalen Einigung Süddeutschlands mit dem Norddeutschen Bunde noch nicht gefunden, so sind doch schon bedeutungsvolle Schritte zu diesem Ziele getan. ..." Zwei Tage darauf erging Bismarcks berühmte, durch die Salzburger Kaiserbegegnung hervorgerufne Zirkulardepesche in ihrer ernsten entschlossenen Sprache. Still und unermüdlich arbeiteten Großherzog Friedrich und das badische Ministerium ihrem Ziele zu, und nichts ist bezeichnender als die zwar resignierte, aber dennoch feste patriotische Zuversicht, mit der Mathy nach Mitteilung der ablehnenden Antwort Bismarcks auf seinen Antrag, Baden in den Norddeutschen Bund aufzunehmen, tiefbewegt zum Großherzog in die Worte ausbrach: „Und wir tun doch unsre Pflicht." Im Februar 1870 fand dann die an den bekannten Laskerschen Antrag anknüpfende Reichstags¬ debatte statt, in der sich Bismarck mit großer Schärfe gegen einen verfrühten Eintritt Badens aussprach und dabei das Gleichnis brauchte, er könne nicht den Milchtopf abfahren und den Rest sauer werden lassen. Die Lebhaftig¬ keit der Debatte hatte zu einem Schriftwechsel zwischen den beiden Regierungen Anlaß gegeben, doch wurde die hervorgerufne Verstimmung erst bei der An¬ wesenheit des Großherzogs in Berlin gelegentlich des Geburtstags des Königs beseitigt. Bismarck war auf dem Standpunkt geblieben, den er in einer Note vom 15. September 1867 nach Karlsruhe und im folgenden Monat dem badischen Gesandten in Berlin gegenüber in mündlicher Aussprache festgehalten hatte, daß der gegenwärtige Zustand nicht das Ziel, aber eine ganz annehm¬ bare Wartestation sei, wo durch die Bündnisverträge die Sicherheit gegen fremde Einmischungen, durch den verbesserten Zollverein die Befriedigung materieller Interessen gesichert scheine. Der Bundeskanzler sah es als die geschichtliche Mission Badens an, im Süden Deutschlands der zuverlässige nationale Kern zu sein, und die Gestaltung, die die Verhältnisse damals in Bayern nahmen, war freilich nicht geeignet, ihn in dieser Auffassung zu er¬ schüttern. War Baden zu nationalen Opfern bereit, so sollte es zunächst das Opfer des Ausharrens bringen. Neben diesem amtlichen ging zugleich ein sehr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/604>, abgerufen am 28.12.2024.