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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Der Bopparder Krieg

Die Kirmes! Richtig, die Kirmes! Daraus wird Heuer freilich nichts werden,
sagte die Äbtissin nachdenklich, wenn der Kurfürst zum Neigen aufspielt, werden die
Bopparder nicht tanzen wollen.

Ihr hättets in der Hand, den Kurfürsten und die Bopparder miteinander
tanzen zu lassen, Domina, sintemalen Ihr doch den Tanzboden stellt. Beim Reigen
sind sich schon manche gut geworden, die vordem nicht viel voneinander haben wissen
wollen. Brauchtet mir zu sagen: das Stift besteht auf seinem Recht. Wenn der
Kurfürst und der Rat ihr vermeintliches Recht mit dem Schwerte verfechten, warum
wollt Ihr das Eure, das doch unbezweifelt ist, fahren lassen?

Die Äbtissin machte sich am Dochte der vor ihr stehenden Lampe zu schaffen
und schaute nachsinnend in das knisternde Flümmchen. Was das Mädchen da ge¬
äußert hatte, ließ sich hören. Es hatte sie schon lange gewurmt, daß sich die
streitenden Parteien nicht mit der Bitte um Vermittlung an sie gewandt hatten,
die doch wegen ihrer Geburt, ihrer Stellung und ihrer bewährten Klugheit wie
kein andrer zu diesem Geschäft befähigt gewesen wäre. Jetzt, wo sich der Kurfürst
ini Kloster festgesetzt und dadurch dieses zum Ziel für das städtische Geschütz gemacht
hatte, mußte sie zeigen, daß sie auch noch da war, mußte sie auf ihrem Recht
bestehn und die gewohnte Anerkennung der stiftischen Souveränität verlangen. Daß
sich die Stadt ihren Wünschen gefügig zeigen würde, war gewiß, denn diese hatte
den Vorteil davon. Die Frage war nur, ob der Kurfürst genügendes Verständnis
für ihre Lage beweisen und der Stadt den zur Erfüllung ihrer Pflicht notwendigen
Waffenstillstand bewilligen würde. Die Domina glaubte diese Frage bejahen zu
dürfen. Denn erstens mußte ihm in einer Zeit, wo Domkapitel, Adel und Städte
eifrig bemüht waren, seine Macht zu beschneiden, daran liegen, sich mit den geist¬
lichen Stiftern gut zu stellen, und zweitens konnte ihm, der, wie die Äbtissin nur
zu gut wußte, wider willen in den Krieg hineingetrieben worden war, nichts er¬
wünschter sein, als daß ihm die Möglichkeit geboten wurde, die Waffen aus der
Hand zu legen und noch zu guter Letzt eine Verständigung mit dem Feinde zu suchen.

Kam diese zustande, so war das Kloster gerettet, und die Äbtissin hatte sich
beide Parteien zur Dankbarkeit verpflichtet und ihr Ansehen als umsichtige und diplo¬
matisch gewandte Regentin aufs neue gerechtfertigt.

Der Gedanke beschäftigte sie so lebhaft, daß sie darüber den gefährdeten Garten,
die jungen Obstbcmme und die Würzkräutleiu vergaß, und da sie nun auch des Trostes
nicht mehr bedürfte, Regina mit dem Hinweis auf die vorgerückte Stunde entließ.

Am andern Morgen erhob sich die Domina nach einer schlaflos verbrachten
Nacht zu zeitiger Stunde und ließ Meister Metzler zu sich entbieten. Sie richtete
die Frage an ihn, wie denn die Stadt in diesem Jahre die Orgelborner Kirmes
zu feiern gedenke, und ob ein löblicher Rat schon Schritte getan hätte, bei Seiner
kurfürstlichen Gnaden für den Tag des Festes einen Waffenstillstand auszuwirken.
Metzler mußte bekennen, daß bisher noch niemand an die Kirmes gedacht habe, und
meinte, man werde diesesmnl wohl mit dem Feste aussetzen müssen, sintemalen der
Kurfürst in der Nacht Sukkurs vom Markgrafen von Baden und vom Landgrafen
von Hessen erhalten habe, auch noch die Völker des Schwäbischen Bundes erwarte
und mit dieser gewaltigen Heeresmacht Wohl eher zu einem Sturmlauf auf die Stadt
als zu Unterhandlungen geneigt sein werde. Aber die Äbtissin zeigte sich diesen
Gründen nicht zugänglich. Mit einer Bestimmtheit, die den Küfermeister beinahe
erschreckte, erklärte sie, wenn einem löblichen Magistrat so wenig an den freund¬
nachbarlichen Beziehungen zum hohen Kloster liege, daß er nicht einmal den Versuch
machen wolle, über Mittel und Wege nachzusinnen, wie die Stadt ihre Verpflichtungen
erfüllen könne, so werde sie genötigt sein, den Rebenstock zu verkaufen und die
stiftische Kellnerei in ihr allzeit getreues Dorf Holzfeld zu verlegen, auch fortan der


Der Bopparder Krieg

Die Kirmes! Richtig, die Kirmes! Daraus wird Heuer freilich nichts werden,
sagte die Äbtissin nachdenklich, wenn der Kurfürst zum Neigen aufspielt, werden die
Bopparder nicht tanzen wollen.

Ihr hättets in der Hand, den Kurfürsten und die Bopparder miteinander
tanzen zu lassen, Domina, sintemalen Ihr doch den Tanzboden stellt. Beim Reigen
sind sich schon manche gut geworden, die vordem nicht viel voneinander haben wissen
wollen. Brauchtet mir zu sagen: das Stift besteht auf seinem Recht. Wenn der
Kurfürst und der Rat ihr vermeintliches Recht mit dem Schwerte verfechten, warum
wollt Ihr das Eure, das doch unbezweifelt ist, fahren lassen?

Die Äbtissin machte sich am Dochte der vor ihr stehenden Lampe zu schaffen
und schaute nachsinnend in das knisternde Flümmchen. Was das Mädchen da ge¬
äußert hatte, ließ sich hören. Es hatte sie schon lange gewurmt, daß sich die
streitenden Parteien nicht mit der Bitte um Vermittlung an sie gewandt hatten,
die doch wegen ihrer Geburt, ihrer Stellung und ihrer bewährten Klugheit wie
kein andrer zu diesem Geschäft befähigt gewesen wäre. Jetzt, wo sich der Kurfürst
ini Kloster festgesetzt und dadurch dieses zum Ziel für das städtische Geschütz gemacht
hatte, mußte sie zeigen, daß sie auch noch da war, mußte sie auf ihrem Recht
bestehn und die gewohnte Anerkennung der stiftischen Souveränität verlangen. Daß
sich die Stadt ihren Wünschen gefügig zeigen würde, war gewiß, denn diese hatte
den Vorteil davon. Die Frage war nur, ob der Kurfürst genügendes Verständnis
für ihre Lage beweisen und der Stadt den zur Erfüllung ihrer Pflicht notwendigen
Waffenstillstand bewilligen würde. Die Domina glaubte diese Frage bejahen zu
dürfen. Denn erstens mußte ihm in einer Zeit, wo Domkapitel, Adel und Städte
eifrig bemüht waren, seine Macht zu beschneiden, daran liegen, sich mit den geist¬
lichen Stiftern gut zu stellen, und zweitens konnte ihm, der, wie die Äbtissin nur
zu gut wußte, wider willen in den Krieg hineingetrieben worden war, nichts er¬
wünschter sein, als daß ihm die Möglichkeit geboten wurde, die Waffen aus der
Hand zu legen und noch zu guter Letzt eine Verständigung mit dem Feinde zu suchen.

Kam diese zustande, so war das Kloster gerettet, und die Äbtissin hatte sich
beide Parteien zur Dankbarkeit verpflichtet und ihr Ansehen als umsichtige und diplo¬
matisch gewandte Regentin aufs neue gerechtfertigt.

Der Gedanke beschäftigte sie so lebhaft, daß sie darüber den gefährdeten Garten,
die jungen Obstbcmme und die Würzkräutleiu vergaß, und da sie nun auch des Trostes
nicht mehr bedürfte, Regina mit dem Hinweis auf die vorgerückte Stunde entließ.

Am andern Morgen erhob sich die Domina nach einer schlaflos verbrachten
Nacht zu zeitiger Stunde und ließ Meister Metzler zu sich entbieten. Sie richtete
die Frage an ihn, wie denn die Stadt in diesem Jahre die Orgelborner Kirmes
zu feiern gedenke, und ob ein löblicher Rat schon Schritte getan hätte, bei Seiner
kurfürstlichen Gnaden für den Tag des Festes einen Waffenstillstand auszuwirken.
Metzler mußte bekennen, daß bisher noch niemand an die Kirmes gedacht habe, und
meinte, man werde diesesmnl wohl mit dem Feste aussetzen müssen, sintemalen der
Kurfürst in der Nacht Sukkurs vom Markgrafen von Baden und vom Landgrafen
von Hessen erhalten habe, auch noch die Völker des Schwäbischen Bundes erwarte
und mit dieser gewaltigen Heeresmacht Wohl eher zu einem Sturmlauf auf die Stadt
als zu Unterhandlungen geneigt sein werde. Aber die Äbtissin zeigte sich diesen
Gründen nicht zugänglich. Mit einer Bestimmtheit, die den Küfermeister beinahe
erschreckte, erklärte sie, wenn einem löblichen Magistrat so wenig an den freund¬
nachbarlichen Beziehungen zum hohen Kloster liege, daß er nicht einmal den Versuch
machen wolle, über Mittel und Wege nachzusinnen, wie die Stadt ihre Verpflichtungen
erfüllen könne, so werde sie genötigt sein, den Rebenstock zu verkaufen und die
stiftische Kellnerei in ihr allzeit getreues Dorf Holzfeld zu verlegen, auch fortan der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/56>, abgerufen am 23.07.2024.