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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

den Begleitern des Kronprinzen mitgab, ist ungemein charakteristisch und läßt auch,
rückwärts leuchtend, einiges Licht auf die Begegnung von Oos fallen. Den Auf¬
zeichnungen des Generals von Stosch zufolge sagte der König: "Für den Orient
habe ich Ihnen nichts zu sagen. Meine Beziehungen sind dort die allerbesten.
Ihnen wünsche ich nur, daß Sie gesund bleiben. In Wien wünsche ich nur freund¬
liches Entgegenkommen. Ich will da nichts, ich bedarf ihrer nicht. Kommt man
auf 1866 zu sprechen, so behandeln Sie die Sache coulant, kommt man aber mit
Rodomontaden, so scheuen Sie die Antwort nicht. Wenn man auf Baden hin¬
weist, als über den Prager Frieden hinausschreitend, so sagen Sie, daß die Ver¬
hältnisse ohne uns gemacht sind. Wir stehn auf dem Boden des Prager Friedens.
Und nun Adieu! Wenn ich jünger wäre, hätte ich die Reise selbst gemacht, ich
beneide Sie." Der Empfang des Kronprinzen, zu dem die Kaiserin Elisabeth von
Pest nach Wien gekommen war, war sehr herzlich, die Begegnung mit dem Kaiser
durchaus freundlich. Der Kaiser streifte die Vergangenheit nur mit dem Ausdruck
des Dankes an den Kronprinzen für die kameradschaftliche Freundlichkeit, mit der
er den gefangnen und verwundeten Österreichern begegnet sei. Soweit diese Er¬
innerungen. Beide Vorgänge sind insofern nicht ohne Bedeutung, als sie die
schließliche Annäherung der beiden Kabinette, die dann in die Versailler Zeit
fällt und in der Salzburg-Gasteiner Begegnung von 1871 sowie in der Berliner
Dreikaiserzusammenkunft von 1872 ihren Ausdruck fand, wirksam eingeleitet haben.
Allerdings hat Kaiser Franz Joseph bei der Begegnung in Oos wohl nicht an die
Möglichkeit gedacht, daß er fünf Jahre später -- der Gast des Deutschen Kaisers
in Berlin und später über ein Menschenalter hinaus sein enger Verbündeter sein
werde. Der erste Faden zu diesem so dauerhaften Gewebe mag immerhin an jenem
M *g* orgen zu Oos gesponnen worden sein.








Maßgebliches und Unmaßgebliches

den Begleitern des Kronprinzen mitgab, ist ungemein charakteristisch und läßt auch,
rückwärts leuchtend, einiges Licht auf die Begegnung von Oos fallen. Den Auf¬
zeichnungen des Generals von Stosch zufolge sagte der König: „Für den Orient
habe ich Ihnen nichts zu sagen. Meine Beziehungen sind dort die allerbesten.
Ihnen wünsche ich nur, daß Sie gesund bleiben. In Wien wünsche ich nur freund¬
liches Entgegenkommen. Ich will da nichts, ich bedarf ihrer nicht. Kommt man
auf 1866 zu sprechen, so behandeln Sie die Sache coulant, kommt man aber mit
Rodomontaden, so scheuen Sie die Antwort nicht. Wenn man auf Baden hin¬
weist, als über den Prager Frieden hinausschreitend, so sagen Sie, daß die Ver¬
hältnisse ohne uns gemacht sind. Wir stehn auf dem Boden des Prager Friedens.
Und nun Adieu! Wenn ich jünger wäre, hätte ich die Reise selbst gemacht, ich
beneide Sie." Der Empfang des Kronprinzen, zu dem die Kaiserin Elisabeth von
Pest nach Wien gekommen war, war sehr herzlich, die Begegnung mit dem Kaiser
durchaus freundlich. Der Kaiser streifte die Vergangenheit nur mit dem Ausdruck
des Dankes an den Kronprinzen für die kameradschaftliche Freundlichkeit, mit der
er den gefangnen und verwundeten Österreichern begegnet sei. Soweit diese Er¬
innerungen. Beide Vorgänge sind insofern nicht ohne Bedeutung, als sie die
schließliche Annäherung der beiden Kabinette, die dann in die Versailler Zeit
fällt und in der Salzburg-Gasteiner Begegnung von 1871 sowie in der Berliner
Dreikaiserzusammenkunft von 1872 ihren Ausdruck fand, wirksam eingeleitet haben.
Allerdings hat Kaiser Franz Joseph bei der Begegnung in Oos wohl nicht an die
Möglichkeit gedacht, daß er fünf Jahre später — der Gast des Deutschen Kaisers
in Berlin und später über ein Menschenalter hinaus sein enger Verbündeter sein
werde. Der erste Faden zu diesem so dauerhaften Gewebe mag immerhin an jenem
M *g* orgen zu Oos gesponnen worden sein.








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[0496] Maßgebliches und Unmaßgebliches den Begleitern des Kronprinzen mitgab, ist ungemein charakteristisch und läßt auch, rückwärts leuchtend, einiges Licht auf die Begegnung von Oos fallen. Den Auf¬ zeichnungen des Generals von Stosch zufolge sagte der König: „Für den Orient habe ich Ihnen nichts zu sagen. Meine Beziehungen sind dort die allerbesten. Ihnen wünsche ich nur, daß Sie gesund bleiben. In Wien wünsche ich nur freund¬ liches Entgegenkommen. Ich will da nichts, ich bedarf ihrer nicht. Kommt man auf 1866 zu sprechen, so behandeln Sie die Sache coulant, kommt man aber mit Rodomontaden, so scheuen Sie die Antwort nicht. Wenn man auf Baden hin¬ weist, als über den Prager Frieden hinausschreitend, so sagen Sie, daß die Ver¬ hältnisse ohne uns gemacht sind. Wir stehn auf dem Boden des Prager Friedens. Und nun Adieu! Wenn ich jünger wäre, hätte ich die Reise selbst gemacht, ich beneide Sie." Der Empfang des Kronprinzen, zu dem die Kaiserin Elisabeth von Pest nach Wien gekommen war, war sehr herzlich, die Begegnung mit dem Kaiser durchaus freundlich. Der Kaiser streifte die Vergangenheit nur mit dem Ausdruck des Dankes an den Kronprinzen für die kameradschaftliche Freundlichkeit, mit der er den gefangnen und verwundeten Österreichern begegnet sei. Soweit diese Er¬ innerungen. Beide Vorgänge sind insofern nicht ohne Bedeutung, als sie die schließliche Annäherung der beiden Kabinette, die dann in die Versailler Zeit fällt und in der Salzburg-Gasteiner Begegnung von 1871 sowie in der Berliner Dreikaiserzusammenkunft von 1872 ihren Ausdruck fand, wirksam eingeleitet haben. Allerdings hat Kaiser Franz Joseph bei der Begegnung in Oos wohl nicht an die Möglichkeit gedacht, daß er fünf Jahre später — der Gast des Deutschen Kaisers in Berlin und später über ein Menschenalter hinaus sein enger Verbündeter sein werde. Der erste Faden zu diesem so dauerhaften Gewebe mag immerhin an jenem M *g* orgen zu Oos gesponnen worden sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/496>, abgerufen am 25.08.2024.