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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Elizabeth Percy

Die Gärten, die von Gärtnern aus Versailles angelegt und gepflegt und mit Rosen
und holländischen Tulpen geschmückt worden waren, wie ihresgleichen nicht einmal
Sir William Temple auf seinen weit weniger umfangreichen Rabatten auf Sheen
hatte, waren weit berühmt und übertrafen alle ähnlichen Anlagen im Reiche. Der
Park war natürlich nicht so groß wie Hulne Park, aber prächtig und reich an edelm
Wild. Lady Elizabeth fühlte sich denn auch -- wenigstens im ersten Augenblick --
ganz überwältigt von dem ganzen Besitz und mußte einräumen, sie habe doch nicht
geglaubt, daß "Tom von den Zehntausend" so fürstlich wohne.

Der Herzog von Monmouth trug auch durch seine Gegenwart in hohem Maße
dazu bei, erhöhten Glanz über das schon im voraus strahlende Longleat auszugießen.
Seine Gnaden -- die eifrigsten seiner Anhänger Wagler schon, ihn Hoheit zu titu¬
lieren -- war zu dieser Zeit, wo der Stern von seines Vaters Bruder, des Thron¬
folgers, niedrig stand, der meist besprochne, gesuchteste und anziehendste Kavalier in
seines Vaters Reich, und er entfaltete eine Pracht, die seine Freunde wie seine
Feinde blendete und verwirrte. Jetzt trat er immer wie ein legitimer Prinz von
England auf: er behielt seinen Hut in des Königs Gegenwart auf, trug violette
Trauerkleidung für fremde Fürsten und führte Englands Löwen und Frankreichs
Lilien ohne Querbalken in seinem Schilde. Seinen Hut schmückte an Stelle der
Agraffe ein längliches Medaillon, auf dem man deutlich den Wahlspruch des Prinzen
von Wales und die drei Straußenfedern sah. Sein Übermut kannte keine Grenzen;
aber des Königs Vaterliebe und seine eigne unbestrittne persönliche Liebenswürdigkeit
machten alles wieder gut, entschuldigten alles. Hier auf Longleat war er die Seele
aller Vergnügungen, und es gefiel ihm -- was ja übrigens nur natürlich war --,
Sir Thomas auserkorner Braut eine auffallende Aufmerksamkeit zu erzeigen. So
hatte er beim Ringkampf im Park ihren gestickten Handschuh auf seinem Hute ge¬
tragen, und bei der großen MÄsauo, die Sir Thomas später gab, hatte er Lady
Elizabeth mehr als einmal zum Tanze geführt. Sie war geschmeichelt und entzückt
von seiner Aufmerksamkeit -- nicht weil er des Königs Lieblingssohn war; Bastard
ist Bastard, sagte sie nonchalant zu Lady Sophia, er mag nun Stuart oder Percy
heißen! --, sondern weil er ohne Frage das schönste Gesicht hatte, das sie jemals
an einem Manne gesehen hatte, Graf Königsmark selber nicht ausgenommen. Sie
war ja leicht begeistert für alles Neue -- in Feuer und Flamme über ein paar
beredte Augen, eine weiche Stimme, ein verständnisvolles und munteres Lachen.
Karl Königsmark, der ihr beständig, ohne die geringste Rücksicht auf Sir Thomas
zu nehmen, hartnäckig den Hof machte, fühlte sich denn auch gekränkt und eifersüchtig.
Es gab sogar Augenblicke, in denen er ernstlich zu glauben begann, daß sich seine
Bella Rubbia -- trotz aller ihrer muntern Freundlichkeit, ihrer großen Offenherzigkeit
und ihrer Lust, Schmeicheleien und Komplimenten zu lauschen -- in Wirklichkeit
keinen Deut mehr aus ihm machte als aus den übrigen Herren, die ihr ihre Auf¬
wartung machten.

Diese Entdeckung reizte und verletzte deu jungen Mann mehr, als er sich an-
fänglich eingestehn wollte. Lady Sophia hatte seine Meriten nicht übertrieben, als
sie sie Lady Elizabeth auf der Reise nach London geschildert hatte. Er galt wirklich
in den drei größten Modezentren der Welt -- in Paris, Madrid und London --
für unwiderstehlich. Prinzessinnen von Geblüt, Maitressen von Königen hatten sich
mehr als einmal nach dem Taschentuch gebückt, das er geruht hatte, ihnen zuzuwerfen.
Bisher hatte er sich nicht herabgelassen, einem jungen Mädchen alles Ernstes seine
Aufmerksamkeit zu schenken -- und Lady Elizabeth wurde ja immer als junges
Mädchen betrachtet, wenn man sie auch Lady Ogle nannte --, und er hatte sich
^ nicht ohne Grund -- eingebildet, daß er einen leichten Sieg über sie gewinnen


Elizabeth Percy

Die Gärten, die von Gärtnern aus Versailles angelegt und gepflegt und mit Rosen
und holländischen Tulpen geschmückt worden waren, wie ihresgleichen nicht einmal
Sir William Temple auf seinen weit weniger umfangreichen Rabatten auf Sheen
hatte, waren weit berühmt und übertrafen alle ähnlichen Anlagen im Reiche. Der
Park war natürlich nicht so groß wie Hulne Park, aber prächtig und reich an edelm
Wild. Lady Elizabeth fühlte sich denn auch — wenigstens im ersten Augenblick —
ganz überwältigt von dem ganzen Besitz und mußte einräumen, sie habe doch nicht
geglaubt, daß „Tom von den Zehntausend" so fürstlich wohne.

Der Herzog von Monmouth trug auch durch seine Gegenwart in hohem Maße
dazu bei, erhöhten Glanz über das schon im voraus strahlende Longleat auszugießen.
Seine Gnaden — die eifrigsten seiner Anhänger Wagler schon, ihn Hoheit zu titu¬
lieren — war zu dieser Zeit, wo der Stern von seines Vaters Bruder, des Thron¬
folgers, niedrig stand, der meist besprochne, gesuchteste und anziehendste Kavalier in
seines Vaters Reich, und er entfaltete eine Pracht, die seine Freunde wie seine
Feinde blendete und verwirrte. Jetzt trat er immer wie ein legitimer Prinz von
England auf: er behielt seinen Hut in des Königs Gegenwart auf, trug violette
Trauerkleidung für fremde Fürsten und führte Englands Löwen und Frankreichs
Lilien ohne Querbalken in seinem Schilde. Seinen Hut schmückte an Stelle der
Agraffe ein längliches Medaillon, auf dem man deutlich den Wahlspruch des Prinzen
von Wales und die drei Straußenfedern sah. Sein Übermut kannte keine Grenzen;
aber des Königs Vaterliebe und seine eigne unbestrittne persönliche Liebenswürdigkeit
machten alles wieder gut, entschuldigten alles. Hier auf Longleat war er die Seele
aller Vergnügungen, und es gefiel ihm — was ja übrigens nur natürlich war —,
Sir Thomas auserkorner Braut eine auffallende Aufmerksamkeit zu erzeigen. So
hatte er beim Ringkampf im Park ihren gestickten Handschuh auf seinem Hute ge¬
tragen, und bei der großen MÄsauo, die Sir Thomas später gab, hatte er Lady
Elizabeth mehr als einmal zum Tanze geführt. Sie war geschmeichelt und entzückt
von seiner Aufmerksamkeit — nicht weil er des Königs Lieblingssohn war; Bastard
ist Bastard, sagte sie nonchalant zu Lady Sophia, er mag nun Stuart oder Percy
heißen! —, sondern weil er ohne Frage das schönste Gesicht hatte, das sie jemals
an einem Manne gesehen hatte, Graf Königsmark selber nicht ausgenommen. Sie
war ja leicht begeistert für alles Neue — in Feuer und Flamme über ein paar
beredte Augen, eine weiche Stimme, ein verständnisvolles und munteres Lachen.
Karl Königsmark, der ihr beständig, ohne die geringste Rücksicht auf Sir Thomas
zu nehmen, hartnäckig den Hof machte, fühlte sich denn auch gekränkt und eifersüchtig.
Es gab sogar Augenblicke, in denen er ernstlich zu glauben begann, daß sich seine
Bella Rubbia — trotz aller ihrer muntern Freundlichkeit, ihrer großen Offenherzigkeit
und ihrer Lust, Schmeicheleien und Komplimenten zu lauschen — in Wirklichkeit
keinen Deut mehr aus ihm machte als aus den übrigen Herren, die ihr ihre Auf¬
wartung machten.

Diese Entdeckung reizte und verletzte deu jungen Mann mehr, als er sich an-
fänglich eingestehn wollte. Lady Sophia hatte seine Meriten nicht übertrieben, als
sie sie Lady Elizabeth auf der Reise nach London geschildert hatte. Er galt wirklich
in den drei größten Modezentren der Welt — in Paris, Madrid und London —
für unwiderstehlich. Prinzessinnen von Geblüt, Maitressen von Königen hatten sich
mehr als einmal nach dem Taschentuch gebückt, das er geruht hatte, ihnen zuzuwerfen.
Bisher hatte er sich nicht herabgelassen, einem jungen Mädchen alles Ernstes seine
Aufmerksamkeit zu schenken — und Lady Elizabeth wurde ja immer als junges
Mädchen betrachtet, wenn man sie auch Lady Ogle nannte —, und er hatte sich
^ nicht ohne Grund — eingebildet, daß er einen leichten Sieg über sie gewinnen


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[0487] Elizabeth Percy Die Gärten, die von Gärtnern aus Versailles angelegt und gepflegt und mit Rosen und holländischen Tulpen geschmückt worden waren, wie ihresgleichen nicht einmal Sir William Temple auf seinen weit weniger umfangreichen Rabatten auf Sheen hatte, waren weit berühmt und übertrafen alle ähnlichen Anlagen im Reiche. Der Park war natürlich nicht so groß wie Hulne Park, aber prächtig und reich an edelm Wild. Lady Elizabeth fühlte sich denn auch — wenigstens im ersten Augenblick — ganz überwältigt von dem ganzen Besitz und mußte einräumen, sie habe doch nicht geglaubt, daß „Tom von den Zehntausend" so fürstlich wohne. Der Herzog von Monmouth trug auch durch seine Gegenwart in hohem Maße dazu bei, erhöhten Glanz über das schon im voraus strahlende Longleat auszugießen. Seine Gnaden — die eifrigsten seiner Anhänger Wagler schon, ihn Hoheit zu titu¬ lieren — war zu dieser Zeit, wo der Stern von seines Vaters Bruder, des Thron¬ folgers, niedrig stand, der meist besprochne, gesuchteste und anziehendste Kavalier in seines Vaters Reich, und er entfaltete eine Pracht, die seine Freunde wie seine Feinde blendete und verwirrte. Jetzt trat er immer wie ein legitimer Prinz von England auf: er behielt seinen Hut in des Königs Gegenwart auf, trug violette Trauerkleidung für fremde Fürsten und führte Englands Löwen und Frankreichs Lilien ohne Querbalken in seinem Schilde. Seinen Hut schmückte an Stelle der Agraffe ein längliches Medaillon, auf dem man deutlich den Wahlspruch des Prinzen von Wales und die drei Straußenfedern sah. Sein Übermut kannte keine Grenzen; aber des Königs Vaterliebe und seine eigne unbestrittne persönliche Liebenswürdigkeit machten alles wieder gut, entschuldigten alles. Hier auf Longleat war er die Seele aller Vergnügungen, und es gefiel ihm — was ja übrigens nur natürlich war —, Sir Thomas auserkorner Braut eine auffallende Aufmerksamkeit zu erzeigen. So hatte er beim Ringkampf im Park ihren gestickten Handschuh auf seinem Hute ge¬ tragen, und bei der großen MÄsauo, die Sir Thomas später gab, hatte er Lady Elizabeth mehr als einmal zum Tanze geführt. Sie war geschmeichelt und entzückt von seiner Aufmerksamkeit — nicht weil er des Königs Lieblingssohn war; Bastard ist Bastard, sagte sie nonchalant zu Lady Sophia, er mag nun Stuart oder Percy heißen! —, sondern weil er ohne Frage das schönste Gesicht hatte, das sie jemals an einem Manne gesehen hatte, Graf Königsmark selber nicht ausgenommen. Sie war ja leicht begeistert für alles Neue — in Feuer und Flamme über ein paar beredte Augen, eine weiche Stimme, ein verständnisvolles und munteres Lachen. Karl Königsmark, der ihr beständig, ohne die geringste Rücksicht auf Sir Thomas zu nehmen, hartnäckig den Hof machte, fühlte sich denn auch gekränkt und eifersüchtig. Es gab sogar Augenblicke, in denen er ernstlich zu glauben begann, daß sich seine Bella Rubbia — trotz aller ihrer muntern Freundlichkeit, ihrer großen Offenherzigkeit und ihrer Lust, Schmeicheleien und Komplimenten zu lauschen — in Wirklichkeit keinen Deut mehr aus ihm machte als aus den übrigen Herren, die ihr ihre Auf¬ wartung machten. Diese Entdeckung reizte und verletzte deu jungen Mann mehr, als er sich an- fänglich eingestehn wollte. Lady Sophia hatte seine Meriten nicht übertrieben, als sie sie Lady Elizabeth auf der Reise nach London geschildert hatte. Er galt wirklich in den drei größten Modezentren der Welt — in Paris, Madrid und London — für unwiderstehlich. Prinzessinnen von Geblüt, Maitressen von Königen hatten sich mehr als einmal nach dem Taschentuch gebückt, das er geruht hatte, ihnen zuzuwerfen. Bisher hatte er sich nicht herabgelassen, einem jungen Mädchen alles Ernstes seine Aufmerksamkeit zu schenken — und Lady Elizabeth wurde ja immer als junges Mädchen betrachtet, wenn man sie auch Lady Ogle nannte —, und er hatte sich ^ nicht ohne Grund — eingebildet, daß er einen leichten Sieg über sie gewinnen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/487>, abgerufen am 27.12.2024.