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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Llizabeth percy

Und dann -- indem er ihren Augen begegnete und den vielsagenden schelmischen
Blick sah, mit dein sie sich erlaubte, den Finger auf den Mund zu legen --: Wer
but Wohl Augen für deu Mond, wenn die Sonne soeben aufgegangen ist?

Und mit dergleichen galanten Redensarten, die zu jener Zeit in Whitehall sehr
Mode waren, fuhr er über eine halbe Stunde fort, ihr zu schmeicheln. Sie
aber lachte nur und blieb ihm keine Antwort schuldig, vielleicht ein wenig wärmer
und mit mehr Glanz in den Augen, aber keinen Augenblick davou berührt.

Sie saß ganz im Hintergrunde des langen Festsaals in einem der neuen, ver¬
goldeten, seidenbezognen Lehnstühle, die der Jarl von Pembroke aus Paris hatte
kommen lassen. Hinter ihr, zwischen zwei Lcnnpetten, hing ein Gobelin in Grün,
der eine Jagd in Mcirly darstellte -- ein Geschenk von Colbert an das Haus
Pembroke. Viele, die Elizabeth Percy an jenem Abend sahen, und unter ihnen
Seine Majestät selbst, meinten, wenn sie die welterfahrenste Kokette gewesen wäre,
die sich durchtrieben ihren Platz ausgesucht hätte, sie keinen vorteilhaften Hinter¬
grund für das feine Oval ihres hochgetragnen Kopfes, für ihren schlanken, laugen
Hals und ihre feinen Schultern hätte finden können. Der Lichtschein von oben
verlieh ihrem Haar Kupferglanz und verlieh der schweren, weißlichgrauen Perlen¬
schnur, die es zusammenhielt, einen schimmernden Glanz; von den Ohren herab
sielen ein paar lange, birnenförmige Perlen auf den Hals. Das Kleid, das sie
trug, bestand nur aus Heller, graugrüner Seide und durchsichtigem Spitzentüll --
auch nicht eine Unze Gold, das sie des Haares wegen immer zu meiden Pflegte.
Sie gleiche, sagte Graf Kvnigsmark -- in einem französischen Sonett, das er ihr
später sandte --, der Morgendämmerung ihrer nördlichen Heimat, in Nebel gehüllt.
Aber auf den breitschnabligen roten Schuhen, die unter den Falten des Kleides hervor¬
guckten, trug sie Gold wie auch klare Diamanten.

Ihr wißt, Madame -- begann Karl Königsmark wieder in dem ausgesuchten
Hofton, den er in Italien gelernt, und in dem er sich in Whitehall ausgebildet
hatte --, daß es einem Toren erlaubt ist, noch mehr zu fragen, als was zehn
Weise beantworten können. Nun bin ich aber ein Tor -- er legte die Hand auf
seine Brust und senkte einen Augenblick das Haupt --, und Ihr, Lady Ogle, seid
wahrlich weiser als Pallas, Venus und Juno zusammen.

Wenn ich weise bin, sagte Lady Elizabeth, so erwartet Ihr wohl nicht, daß
ich antworten soll.

Dann laßt Euern Mund schweigen, seht mich aber nur an, und mein Herz
liest die Antwort in Euern Augen.

Er beugte sich über sie, plötzlich ernsthaft:

Liebt Ihr jemand?

Seine brüske und offenbar ehrlich gemeinte Frage überrumpelte sie in dem
Maße, daß sie -- rot wie Blut -- die Augen niederschlug, unfähig, ein Scherz¬
haftes Wort hervorzubringen.

Er schwieg ein paar Sekunden -- freute sich über seine Schlagfertigkeit.
Sie fühlte während der ganzen Zeit seine Augen auf ihrem Antlitz ruhen und sah
nicht auf.

Dann ergriff er leise ihre Hand, die auf der Lehne des Stuhles ruhte.

Habt Dank für Eure Aufrichtigkeit, sagte er. Jetzt weiß ich, was ich wissen
wollte.

Sie sah schnell auf -- in seine lächelnden, triumphierenden Augen und begriff,
daß er glaubte -- daß er sich einbildete, daß . , . daß er es sei ...

Im ersten Augenblick wurde sie ärgerlich, pikiert -- dann unruhig. Dann
aber lachte sie und fand nur, daß es amüsant war. Und als er, seines Sieges


Llizabeth percy

Und dann — indem er ihren Augen begegnete und den vielsagenden schelmischen
Blick sah, mit dein sie sich erlaubte, den Finger auf den Mund zu legen —: Wer
but Wohl Augen für deu Mond, wenn die Sonne soeben aufgegangen ist?

Und mit dergleichen galanten Redensarten, die zu jener Zeit in Whitehall sehr
Mode waren, fuhr er über eine halbe Stunde fort, ihr zu schmeicheln. Sie
aber lachte nur und blieb ihm keine Antwort schuldig, vielleicht ein wenig wärmer
und mit mehr Glanz in den Augen, aber keinen Augenblick davou berührt.

Sie saß ganz im Hintergrunde des langen Festsaals in einem der neuen, ver¬
goldeten, seidenbezognen Lehnstühle, die der Jarl von Pembroke aus Paris hatte
kommen lassen. Hinter ihr, zwischen zwei Lcnnpetten, hing ein Gobelin in Grün,
der eine Jagd in Mcirly darstellte — ein Geschenk von Colbert an das Haus
Pembroke. Viele, die Elizabeth Percy an jenem Abend sahen, und unter ihnen
Seine Majestät selbst, meinten, wenn sie die welterfahrenste Kokette gewesen wäre,
die sich durchtrieben ihren Platz ausgesucht hätte, sie keinen vorteilhaften Hinter¬
grund für das feine Oval ihres hochgetragnen Kopfes, für ihren schlanken, laugen
Hals und ihre feinen Schultern hätte finden können. Der Lichtschein von oben
verlieh ihrem Haar Kupferglanz und verlieh der schweren, weißlichgrauen Perlen¬
schnur, die es zusammenhielt, einen schimmernden Glanz; von den Ohren herab
sielen ein paar lange, birnenförmige Perlen auf den Hals. Das Kleid, das sie
trug, bestand nur aus Heller, graugrüner Seide und durchsichtigem Spitzentüll —
auch nicht eine Unze Gold, das sie des Haares wegen immer zu meiden Pflegte.
Sie gleiche, sagte Graf Kvnigsmark — in einem französischen Sonett, das er ihr
später sandte —, der Morgendämmerung ihrer nördlichen Heimat, in Nebel gehüllt.
Aber auf den breitschnabligen roten Schuhen, die unter den Falten des Kleides hervor¬
guckten, trug sie Gold wie auch klare Diamanten.

Ihr wißt, Madame — begann Karl Königsmark wieder in dem ausgesuchten
Hofton, den er in Italien gelernt, und in dem er sich in Whitehall ausgebildet
hatte —, daß es einem Toren erlaubt ist, noch mehr zu fragen, als was zehn
Weise beantworten können. Nun bin ich aber ein Tor — er legte die Hand auf
seine Brust und senkte einen Augenblick das Haupt —, und Ihr, Lady Ogle, seid
wahrlich weiser als Pallas, Venus und Juno zusammen.

Wenn ich weise bin, sagte Lady Elizabeth, so erwartet Ihr wohl nicht, daß
ich antworten soll.

Dann laßt Euern Mund schweigen, seht mich aber nur an, und mein Herz
liest die Antwort in Euern Augen.

Er beugte sich über sie, plötzlich ernsthaft:

Liebt Ihr jemand?

Seine brüske und offenbar ehrlich gemeinte Frage überrumpelte sie in dem
Maße, daß sie — rot wie Blut — die Augen niederschlug, unfähig, ein Scherz¬
haftes Wort hervorzubringen.

Er schwieg ein paar Sekunden — freute sich über seine Schlagfertigkeit.
Sie fühlte während der ganzen Zeit seine Augen auf ihrem Antlitz ruhen und sah
nicht auf.

Dann ergriff er leise ihre Hand, die auf der Lehne des Stuhles ruhte.

Habt Dank für Eure Aufrichtigkeit, sagte er. Jetzt weiß ich, was ich wissen
wollte.

Sie sah schnell auf — in seine lächelnden, triumphierenden Augen und begriff,
daß er glaubte — daß er sich einbildete, daß . , . daß er es sei ...

Im ersten Augenblick wurde sie ärgerlich, pikiert — dann unruhig. Dann
aber lachte sie und fand nur, daß es amüsant war. Und als er, seines Sieges


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[0484] Llizabeth percy Und dann — indem er ihren Augen begegnete und den vielsagenden schelmischen Blick sah, mit dein sie sich erlaubte, den Finger auf den Mund zu legen —: Wer but Wohl Augen für deu Mond, wenn die Sonne soeben aufgegangen ist? Und mit dergleichen galanten Redensarten, die zu jener Zeit in Whitehall sehr Mode waren, fuhr er über eine halbe Stunde fort, ihr zu schmeicheln. Sie aber lachte nur und blieb ihm keine Antwort schuldig, vielleicht ein wenig wärmer und mit mehr Glanz in den Augen, aber keinen Augenblick davou berührt. Sie saß ganz im Hintergrunde des langen Festsaals in einem der neuen, ver¬ goldeten, seidenbezognen Lehnstühle, die der Jarl von Pembroke aus Paris hatte kommen lassen. Hinter ihr, zwischen zwei Lcnnpetten, hing ein Gobelin in Grün, der eine Jagd in Mcirly darstellte — ein Geschenk von Colbert an das Haus Pembroke. Viele, die Elizabeth Percy an jenem Abend sahen, und unter ihnen Seine Majestät selbst, meinten, wenn sie die welterfahrenste Kokette gewesen wäre, die sich durchtrieben ihren Platz ausgesucht hätte, sie keinen vorteilhaften Hinter¬ grund für das feine Oval ihres hochgetragnen Kopfes, für ihren schlanken, laugen Hals und ihre feinen Schultern hätte finden können. Der Lichtschein von oben verlieh ihrem Haar Kupferglanz und verlieh der schweren, weißlichgrauen Perlen¬ schnur, die es zusammenhielt, einen schimmernden Glanz; von den Ohren herab sielen ein paar lange, birnenförmige Perlen auf den Hals. Das Kleid, das sie trug, bestand nur aus Heller, graugrüner Seide und durchsichtigem Spitzentüll — auch nicht eine Unze Gold, das sie des Haares wegen immer zu meiden Pflegte. Sie gleiche, sagte Graf Kvnigsmark — in einem französischen Sonett, das er ihr später sandte —, der Morgendämmerung ihrer nördlichen Heimat, in Nebel gehüllt. Aber auf den breitschnabligen roten Schuhen, die unter den Falten des Kleides hervor¬ guckten, trug sie Gold wie auch klare Diamanten. Ihr wißt, Madame — begann Karl Königsmark wieder in dem ausgesuchten Hofton, den er in Italien gelernt, und in dem er sich in Whitehall ausgebildet hatte —, daß es einem Toren erlaubt ist, noch mehr zu fragen, als was zehn Weise beantworten können. Nun bin ich aber ein Tor — er legte die Hand auf seine Brust und senkte einen Augenblick das Haupt —, und Ihr, Lady Ogle, seid wahrlich weiser als Pallas, Venus und Juno zusammen. Wenn ich weise bin, sagte Lady Elizabeth, so erwartet Ihr wohl nicht, daß ich antworten soll. Dann laßt Euern Mund schweigen, seht mich aber nur an, und mein Herz liest die Antwort in Euern Augen. Er beugte sich über sie, plötzlich ernsthaft: Liebt Ihr jemand? Seine brüske und offenbar ehrlich gemeinte Frage überrumpelte sie in dem Maße, daß sie — rot wie Blut — die Augen niederschlug, unfähig, ein Scherz¬ haftes Wort hervorzubringen. Er schwieg ein paar Sekunden — freute sich über seine Schlagfertigkeit. Sie fühlte während der ganzen Zeit seine Augen auf ihrem Antlitz ruhen und sah nicht auf. Dann ergriff er leise ihre Hand, die auf der Lehne des Stuhles ruhte. Habt Dank für Eure Aufrichtigkeit, sagte er. Jetzt weiß ich, was ich wissen wollte. Sie sah schnell auf — in seine lächelnden, triumphierenden Augen und begriff, daß er glaubte — daß er sich einbildete, daß . , . daß er es sei ... Im ersten Augenblick wurde sie ärgerlich, pikiert — dann unruhig. Dann aber lachte sie und fand nur, daß es amüsant war. Und als er, seines Sieges

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/484>, abgerufen am 27.12.2024.