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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Sie Bedeutung der Luftschiffahrt für die Wissenschaft

kondensierten Wasserteilchen vereinigen sich im Fallen zu Tropfen und werden,
falls sie nicht in einer darunter liegenden trocknen Luftschicht verdunsten, zu
Regen oder bei größerer Kälte zu Schnee. In Deutschland rechnet man mit
150 bis 200 Niederschlagstagen.

Wind nennt man eine durch Temperaturunterschiede bewegte Luftmenge.
Die Windrichtung ist erstens abhängig von der allgemeinen Strömungsrichtung
in der Atmosphäre zwischen Pol und Äquator, dann aber auch von den
Temperaturunterschieden der über dem Lande und über dem Meere lagernden
Schichten. Die Windstärke ist infolge der Reibung an der Erdoberfläche unten
geringer, nimmt mit der Erhebung über den Boden bis zu einer gewissen
Grenze bedeutend zu und wächst dann nur noch unwesentlich, was durch Berson
auf Grund von Ballonaufstiegen festgestellt worden ist. Die mittlere Wind¬
geschwindigkeit ist bei uns 5 bis 6 Meter, bei Stürmen 30 bis 40 Meter in
der Sekunde, als größter Winddruck wurde 200 bis 300 Kilogramm auf den
Quadratmeter ermittelt. In Europa herrschen Winde von Südwesten bis Nord¬
westen vor, jedoch dreht sich der Wind in höhern Luftschichten sehr häufig nach
rechts. Weiter wurde durch etwa 250 Ausstiege über Nvrdjutland festgestellt,
daß bei starkem Südwest- oder auch Nordwestwinde in einer gewissen Höhe
plötzlich sozusagen Windstille eintrat. Zu derselben Zeit wurden in Paris
Ausstiege unternommen, und man stellte an einem Tage in einer Höhe von
4000 Metern nur unwesentliche Temperaturunterschiede fest, am andern Tage
dagegen war es über Jütland um 22 Grad kälter als über Paris. Solche
und ähnliche Versuche illustrieren die große Unstetigkeit in den höhern Luft¬
schichten.

Ist der Luftdruck über einem Teile der Erdoberfläche besonders groß, so
sagen wir, es herrscht dort ein Maximum. Die Luft sucht dem vorhandnen
Drucke nachzugeben, strömt deshalb fort und steigt außerdem ab, sie erwärmt
sich dabei, verdampft etwa vorhcmdne Wolken und erzeugt vorwiegend trocknes
und heiteres Wetter. Während die Maxima langsam wandern, ziehn die
Minima, d. h. die Sphären mit geringem Luftdruck, rasch dahin. Ihnen strömt
die Luft von den Seiten und von unten zu, sie kühlt sich somit ab, kondensiert
Wasserdampf zu Wolken und bringt nasses Wetter. Luftdruckmaxima herrschen
häufig über den Azoren und im Winter über Sibirien, Minima dagegen über
dem Atlantischen Ozean nordwestlich von Europa und über dem Mittelmeer.
Durch viele Beobachtungen hat man die recht regelmüßigen Zugstraßen der
Minima feststellen können und ist darum sowie auf Grund der andern Forschungen
imstande, für etwa vierundzwanzig Stunden das Wetter ziemlich genau vorher-
zusagen; will man dies für längere Zeit tun, so müssen auch noch die Meeres¬
strömungen, die Passate und andres berücksichtigt werden.

Am 30. August 1905 diente der Ballon zum erstenmal zur Beobachtung
einer totalen Sonnenfinsternis und ihrer Begleiterscheinungen. Von der Erde
aus konnte das Phänomen wegen des teilweise bewölkten Himmels nicht in


Sie Bedeutung der Luftschiffahrt für die Wissenschaft

kondensierten Wasserteilchen vereinigen sich im Fallen zu Tropfen und werden,
falls sie nicht in einer darunter liegenden trocknen Luftschicht verdunsten, zu
Regen oder bei größerer Kälte zu Schnee. In Deutschland rechnet man mit
150 bis 200 Niederschlagstagen.

Wind nennt man eine durch Temperaturunterschiede bewegte Luftmenge.
Die Windrichtung ist erstens abhängig von der allgemeinen Strömungsrichtung
in der Atmosphäre zwischen Pol und Äquator, dann aber auch von den
Temperaturunterschieden der über dem Lande und über dem Meere lagernden
Schichten. Die Windstärke ist infolge der Reibung an der Erdoberfläche unten
geringer, nimmt mit der Erhebung über den Boden bis zu einer gewissen
Grenze bedeutend zu und wächst dann nur noch unwesentlich, was durch Berson
auf Grund von Ballonaufstiegen festgestellt worden ist. Die mittlere Wind¬
geschwindigkeit ist bei uns 5 bis 6 Meter, bei Stürmen 30 bis 40 Meter in
der Sekunde, als größter Winddruck wurde 200 bis 300 Kilogramm auf den
Quadratmeter ermittelt. In Europa herrschen Winde von Südwesten bis Nord¬
westen vor, jedoch dreht sich der Wind in höhern Luftschichten sehr häufig nach
rechts. Weiter wurde durch etwa 250 Ausstiege über Nvrdjutland festgestellt,
daß bei starkem Südwest- oder auch Nordwestwinde in einer gewissen Höhe
plötzlich sozusagen Windstille eintrat. Zu derselben Zeit wurden in Paris
Ausstiege unternommen, und man stellte an einem Tage in einer Höhe von
4000 Metern nur unwesentliche Temperaturunterschiede fest, am andern Tage
dagegen war es über Jütland um 22 Grad kälter als über Paris. Solche
und ähnliche Versuche illustrieren die große Unstetigkeit in den höhern Luft¬
schichten.

Ist der Luftdruck über einem Teile der Erdoberfläche besonders groß, so
sagen wir, es herrscht dort ein Maximum. Die Luft sucht dem vorhandnen
Drucke nachzugeben, strömt deshalb fort und steigt außerdem ab, sie erwärmt
sich dabei, verdampft etwa vorhcmdne Wolken und erzeugt vorwiegend trocknes
und heiteres Wetter. Während die Maxima langsam wandern, ziehn die
Minima, d. h. die Sphären mit geringem Luftdruck, rasch dahin. Ihnen strömt
die Luft von den Seiten und von unten zu, sie kühlt sich somit ab, kondensiert
Wasserdampf zu Wolken und bringt nasses Wetter. Luftdruckmaxima herrschen
häufig über den Azoren und im Winter über Sibirien, Minima dagegen über
dem Atlantischen Ozean nordwestlich von Europa und über dem Mittelmeer.
Durch viele Beobachtungen hat man die recht regelmüßigen Zugstraßen der
Minima feststellen können und ist darum sowie auf Grund der andern Forschungen
imstande, für etwa vierundzwanzig Stunden das Wetter ziemlich genau vorher-
zusagen; will man dies für längere Zeit tun, so müssen auch noch die Meeres¬
strömungen, die Passate und andres berücksichtigt werden.

Am 30. August 1905 diente der Ballon zum erstenmal zur Beobachtung
einer totalen Sonnenfinsternis und ihrer Begleiterscheinungen. Von der Erde
aus konnte das Phänomen wegen des teilweise bewölkten Himmels nicht in


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[0472] Sie Bedeutung der Luftschiffahrt für die Wissenschaft kondensierten Wasserteilchen vereinigen sich im Fallen zu Tropfen und werden, falls sie nicht in einer darunter liegenden trocknen Luftschicht verdunsten, zu Regen oder bei größerer Kälte zu Schnee. In Deutschland rechnet man mit 150 bis 200 Niederschlagstagen. Wind nennt man eine durch Temperaturunterschiede bewegte Luftmenge. Die Windrichtung ist erstens abhängig von der allgemeinen Strömungsrichtung in der Atmosphäre zwischen Pol und Äquator, dann aber auch von den Temperaturunterschieden der über dem Lande und über dem Meere lagernden Schichten. Die Windstärke ist infolge der Reibung an der Erdoberfläche unten geringer, nimmt mit der Erhebung über den Boden bis zu einer gewissen Grenze bedeutend zu und wächst dann nur noch unwesentlich, was durch Berson auf Grund von Ballonaufstiegen festgestellt worden ist. Die mittlere Wind¬ geschwindigkeit ist bei uns 5 bis 6 Meter, bei Stürmen 30 bis 40 Meter in der Sekunde, als größter Winddruck wurde 200 bis 300 Kilogramm auf den Quadratmeter ermittelt. In Europa herrschen Winde von Südwesten bis Nord¬ westen vor, jedoch dreht sich der Wind in höhern Luftschichten sehr häufig nach rechts. Weiter wurde durch etwa 250 Ausstiege über Nvrdjutland festgestellt, daß bei starkem Südwest- oder auch Nordwestwinde in einer gewissen Höhe plötzlich sozusagen Windstille eintrat. Zu derselben Zeit wurden in Paris Ausstiege unternommen, und man stellte an einem Tage in einer Höhe von 4000 Metern nur unwesentliche Temperaturunterschiede fest, am andern Tage dagegen war es über Jütland um 22 Grad kälter als über Paris. Solche und ähnliche Versuche illustrieren die große Unstetigkeit in den höhern Luft¬ schichten. Ist der Luftdruck über einem Teile der Erdoberfläche besonders groß, so sagen wir, es herrscht dort ein Maximum. Die Luft sucht dem vorhandnen Drucke nachzugeben, strömt deshalb fort und steigt außerdem ab, sie erwärmt sich dabei, verdampft etwa vorhcmdne Wolken und erzeugt vorwiegend trocknes und heiteres Wetter. Während die Maxima langsam wandern, ziehn die Minima, d. h. die Sphären mit geringem Luftdruck, rasch dahin. Ihnen strömt die Luft von den Seiten und von unten zu, sie kühlt sich somit ab, kondensiert Wasserdampf zu Wolken und bringt nasses Wetter. Luftdruckmaxima herrschen häufig über den Azoren und im Winter über Sibirien, Minima dagegen über dem Atlantischen Ozean nordwestlich von Europa und über dem Mittelmeer. Durch viele Beobachtungen hat man die recht regelmüßigen Zugstraßen der Minima feststellen können und ist darum sowie auf Grund der andern Forschungen imstande, für etwa vierundzwanzig Stunden das Wetter ziemlich genau vorher- zusagen; will man dies für längere Zeit tun, so müssen auch noch die Meeres¬ strömungen, die Passate und andres berücksichtigt werden. Am 30. August 1905 diente der Ballon zum erstenmal zur Beobachtung einer totalen Sonnenfinsternis und ihrer Begleiterscheinungen. Von der Erde aus konnte das Phänomen wegen des teilweise bewölkten Himmels nicht in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/472>, abgerufen am 23.07.2024.