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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Die Bedeutung der Luftschiffahrt für die Wissenschaft

darüber hin. Man glaubt, daß diese Verdunklung nur von der irdischen
Atmosphäre herrühren könne, für deren Ausdehnung sich dann ebenfalls die
runde Zahl von 300 Kilometern ergibt, wenn man die Geschwindigkeiten der
beiden Gestirne in Betracht zieht.

Wie erforscht mau nun diese uns umgebende immense Lufthülle? Es
wurde schon vorher auf die Notwendigkeit zahlreicher Beobachtungen hingewiesen;
nicht minder wichtig ist es aber, daß diese über möglichst vielen Punkten der
Erde zugleich gemacht werden. Zu diesem Zwecke haben sich die über die ganze
zivilisierte Welt verbreiteten Wetterstationen, die Vereine für Luftschiffahrt und
die Luftschiffertruppenteile zu einem Verbände zusammengetan und veranstalten
an bestimmten Tagen eines jeden Monats Ausstiege und Beobachtungen der
verschiedensten Art. Alljährlich tagen internationale Luftschifferkongresse, auf
den Weltausstellungen werden Preisfahrten und -finge veranstaltet, und Zeit¬
schriften besprechen alles Wissenswerte, alle Erfahrungen auf dem Gebiete der
Luftschiffahrt und der Meteorologie. So erscheinen in Straßburg die auch für
Laien hochinteressanter Illustrierten Aeronautischen Mitteilungen.

Unter den Mitteln, die für meteorologische Zwecke zur Verfügung stehn,
nimmt der bemannte Ballon die erste Stelle ein. Es ist klar, daß ein an Ort
und Stelle tätiger Beobachter am besten alles Wissenswerte feststellen kann.
Doch leider setzt diesen Hochflieger die Sauerstoffabnahme in den Luftschichten
nach oben hin bald eine Grenze. Das mußte man schon zu Anfang des neun¬
zehnten Jahrhunderts erfahren, als zum erstenmal wissenschaftliche Hochfahrten
unternommen wurden, und in den sechziger Jahren büßten die britischen Ge¬
lehrten Glaisher und Koxwell dabei beinahe ihr Leben ein. Auch bei künst¬
licher Sauerstoffeinatmung liegt die dem Menschen erreichbare Grenze nicht
wesentlich höher. Mit 10800 Metern haben am 31. Juli 1901 die Pro¬
fessoren Berson und Süring bis jetzt das Maximum erreicht. Auch sie ent¬
gingen nur durch einen Glückszufall dem Tode. Von einer Ohnmacht befallen,
waren sie nicht mehr imstande, den Ballon zum Sinken zu bringen. Da geschah
dieses, wie durch ein Wunder, infolge äußerer Einflüsse, und wirklichem Luft¬
schichten wiedergegeben, erholten sich die kühnen Forscher allmählich, die man
und Recht "die höchsten Menschen der Erde" genannt hat. Bei dieser Fahrt
wurden in einer Höhe von 10250 Metern -- 40 Grad Celsius festgestellt.
(Als niedrigste Temperatur wurde -- nebenbei bemerkt -- am 4. Dezember 1394
^ 48 Grad in einer Höhe von 9150 Metern abgelesen.)

Um nun noch höhere, dem Menschen nicht mehr zugängliche Luftschichten
^ erforschen, läßt man unbenannte Ballons aufsteigen, die mit selbst¬
registrierenden Instrumenten ausgerüstet sind. Diese sind hauptsächlich Baro-
Hhgro-Thermographen und photographische Apparate. Man verwendet für
die Ballons entweder Gummistoff oder gefirnistcs Papier. Die größte Höhe,
worin auf diese Weise Aufzeichnungen gemacht worden sind, war 25 Kilometer.
Da nun die Instrumente bei einem Platzen und Herabstürzen des Ballons


Grenzboten III 190S
Die Bedeutung der Luftschiffahrt für die Wissenschaft

darüber hin. Man glaubt, daß diese Verdunklung nur von der irdischen
Atmosphäre herrühren könne, für deren Ausdehnung sich dann ebenfalls die
runde Zahl von 300 Kilometern ergibt, wenn man die Geschwindigkeiten der
beiden Gestirne in Betracht zieht.

Wie erforscht mau nun diese uns umgebende immense Lufthülle? Es
wurde schon vorher auf die Notwendigkeit zahlreicher Beobachtungen hingewiesen;
nicht minder wichtig ist es aber, daß diese über möglichst vielen Punkten der
Erde zugleich gemacht werden. Zu diesem Zwecke haben sich die über die ganze
zivilisierte Welt verbreiteten Wetterstationen, die Vereine für Luftschiffahrt und
die Luftschiffertruppenteile zu einem Verbände zusammengetan und veranstalten
an bestimmten Tagen eines jeden Monats Ausstiege und Beobachtungen der
verschiedensten Art. Alljährlich tagen internationale Luftschifferkongresse, auf
den Weltausstellungen werden Preisfahrten und -finge veranstaltet, und Zeit¬
schriften besprechen alles Wissenswerte, alle Erfahrungen auf dem Gebiete der
Luftschiffahrt und der Meteorologie. So erscheinen in Straßburg die auch für
Laien hochinteressanter Illustrierten Aeronautischen Mitteilungen.

Unter den Mitteln, die für meteorologische Zwecke zur Verfügung stehn,
nimmt der bemannte Ballon die erste Stelle ein. Es ist klar, daß ein an Ort
und Stelle tätiger Beobachter am besten alles Wissenswerte feststellen kann.
Doch leider setzt diesen Hochflieger die Sauerstoffabnahme in den Luftschichten
nach oben hin bald eine Grenze. Das mußte man schon zu Anfang des neun¬
zehnten Jahrhunderts erfahren, als zum erstenmal wissenschaftliche Hochfahrten
unternommen wurden, und in den sechziger Jahren büßten die britischen Ge¬
lehrten Glaisher und Koxwell dabei beinahe ihr Leben ein. Auch bei künst¬
licher Sauerstoffeinatmung liegt die dem Menschen erreichbare Grenze nicht
wesentlich höher. Mit 10800 Metern haben am 31. Juli 1901 die Pro¬
fessoren Berson und Süring bis jetzt das Maximum erreicht. Auch sie ent¬
gingen nur durch einen Glückszufall dem Tode. Von einer Ohnmacht befallen,
waren sie nicht mehr imstande, den Ballon zum Sinken zu bringen. Da geschah
dieses, wie durch ein Wunder, infolge äußerer Einflüsse, und wirklichem Luft¬
schichten wiedergegeben, erholten sich die kühnen Forscher allmählich, die man
und Recht „die höchsten Menschen der Erde" genannt hat. Bei dieser Fahrt
wurden in einer Höhe von 10250 Metern — 40 Grad Celsius festgestellt.
(Als niedrigste Temperatur wurde — nebenbei bemerkt — am 4. Dezember 1394
^ 48 Grad in einer Höhe von 9150 Metern abgelesen.)

Um nun noch höhere, dem Menschen nicht mehr zugängliche Luftschichten
^ erforschen, läßt man unbenannte Ballons aufsteigen, die mit selbst¬
registrierenden Instrumenten ausgerüstet sind. Diese sind hauptsächlich Baro-
Hhgro-Thermographen und photographische Apparate. Man verwendet für
die Ballons entweder Gummistoff oder gefirnistcs Papier. Die größte Höhe,
worin auf diese Weise Aufzeichnungen gemacht worden sind, war 25 Kilometer.
Da nun die Instrumente bei einem Platzen und Herabstürzen des Ballons


Grenzboten III 190S
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[0469] Die Bedeutung der Luftschiffahrt für die Wissenschaft darüber hin. Man glaubt, daß diese Verdunklung nur von der irdischen Atmosphäre herrühren könne, für deren Ausdehnung sich dann ebenfalls die runde Zahl von 300 Kilometern ergibt, wenn man die Geschwindigkeiten der beiden Gestirne in Betracht zieht. Wie erforscht mau nun diese uns umgebende immense Lufthülle? Es wurde schon vorher auf die Notwendigkeit zahlreicher Beobachtungen hingewiesen; nicht minder wichtig ist es aber, daß diese über möglichst vielen Punkten der Erde zugleich gemacht werden. Zu diesem Zwecke haben sich die über die ganze zivilisierte Welt verbreiteten Wetterstationen, die Vereine für Luftschiffahrt und die Luftschiffertruppenteile zu einem Verbände zusammengetan und veranstalten an bestimmten Tagen eines jeden Monats Ausstiege und Beobachtungen der verschiedensten Art. Alljährlich tagen internationale Luftschifferkongresse, auf den Weltausstellungen werden Preisfahrten und -finge veranstaltet, und Zeit¬ schriften besprechen alles Wissenswerte, alle Erfahrungen auf dem Gebiete der Luftschiffahrt und der Meteorologie. So erscheinen in Straßburg die auch für Laien hochinteressanter Illustrierten Aeronautischen Mitteilungen. Unter den Mitteln, die für meteorologische Zwecke zur Verfügung stehn, nimmt der bemannte Ballon die erste Stelle ein. Es ist klar, daß ein an Ort und Stelle tätiger Beobachter am besten alles Wissenswerte feststellen kann. Doch leider setzt diesen Hochflieger die Sauerstoffabnahme in den Luftschichten nach oben hin bald eine Grenze. Das mußte man schon zu Anfang des neun¬ zehnten Jahrhunderts erfahren, als zum erstenmal wissenschaftliche Hochfahrten unternommen wurden, und in den sechziger Jahren büßten die britischen Ge¬ lehrten Glaisher und Koxwell dabei beinahe ihr Leben ein. Auch bei künst¬ licher Sauerstoffeinatmung liegt die dem Menschen erreichbare Grenze nicht wesentlich höher. Mit 10800 Metern haben am 31. Juli 1901 die Pro¬ fessoren Berson und Süring bis jetzt das Maximum erreicht. Auch sie ent¬ gingen nur durch einen Glückszufall dem Tode. Von einer Ohnmacht befallen, waren sie nicht mehr imstande, den Ballon zum Sinken zu bringen. Da geschah dieses, wie durch ein Wunder, infolge äußerer Einflüsse, und wirklichem Luft¬ schichten wiedergegeben, erholten sich die kühnen Forscher allmählich, die man und Recht „die höchsten Menschen der Erde" genannt hat. Bei dieser Fahrt wurden in einer Höhe von 10250 Metern — 40 Grad Celsius festgestellt. (Als niedrigste Temperatur wurde — nebenbei bemerkt — am 4. Dezember 1394 ^ 48 Grad in einer Höhe von 9150 Metern abgelesen.) Um nun noch höhere, dem Menschen nicht mehr zugängliche Luftschichten ^ erforschen, läßt man unbenannte Ballons aufsteigen, die mit selbst¬ registrierenden Instrumenten ausgerüstet sind. Diese sind hauptsächlich Baro- Hhgro-Thermographen und photographische Apparate. Man verwendet für die Ballons entweder Gummistoff oder gefirnistcs Papier. Die größte Höhe, worin auf diese Weise Aufzeichnungen gemacht worden sind, war 25 Kilometer. Da nun die Instrumente bei einem Platzen und Herabstürzen des Ballons Grenzboten III 190S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/469>, abgerufen am 23.07.2024.