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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Die Trennung der Kirchen und des Staats in Frankreich

Zusammenhang mit den jesuitischen Prinzipien nachgewiesen ist: über das alles
bin ich in der Lage, Zeugnis ablegen zu können, denn Sie können mir wohl
glauben, daß ich diese Sache nachgerade nicht bloß aus aufgefundnen Papieren,
sondern auch aus Mitteilungen, die ich aus den betreffenden Kreisen habe,
sehr genau weiß." Was Fürst Bismarck hier dargelegt hat, wird durch andre
Zeugnisse bestätigt. Erwähnt sei nur. daß dem bekannten Münchner Professor
Dr. Johannes Friedrich, der während des vatikanischen Konzils als Theologe
des Kardinals Hohenlohe in Rom weilte, dort schon Anfang Mai 1870, wie
er in seinem 1871 veröffentlichten "Tagebuche" berichtet, "von einer Seite,
die es wissen kann oder wenigstens wissen soll", gesagt wurde, "daß es im
Jahre 1871 einen Krieg zwischen Preußen und Frankreich geben wird. Man
munkelt von einem Einverständnis der Kurie und der Jesuiten mit den Tuilerien.
Auch andre Pläne, ja eine förmliche Restaurationspolitik sollen sich daran
knüpfen."

Welche Anstrengungen die Kurie und ihre Organe in Frankreich nach dem
Sturze des zweiten Kaiserreichs gemacht haben, um auch die dritte Republik
ihrem beherrschenden Einflüsse zu unterwerfen, dafür sind die Beweise gegeben
in der Unterstützung, die von den Klerikalen allen Gegnern der demokratischen
Regierungsform gewährt wurde. Legitimisten, Orleanisten. Bonapartisten, diese
geschwornen Feinde der republikanischen Demokratie sahen immer die Römlinge
an ihrer Seite und erfreuten sich allerwege des mehr oder weniger offen be¬
kundeten vatikanischen Wohlwollens. Es ist durchaus richtig, wenn Sabotier
sagt, seit 1870 habe die römisch-katholische Kirche die zum Sturme gegen die
Republik vorgeschickten Truppen geliefert. "Die Katholiken, schreibt er, sind
nicht nur konservativ, sondern die wütendsten Reaktionäre gewesen, bereit,
jeder Fahne zu folgen, sei es der eines Boulanger oder der eines Drumont,
wenn man ihnen nur versprach, das Land so schnell als möglich von einem
verabscheuten Regiment zu befreien." Das habe sich auch nicht geändert,
nachdem Papst Leo der Dreizehnte 1892 die Katholiken zum Anschlusse an
die Republik, dem "Ralliement", aufgefordert hatte; der Gegensatz zwischen
Katholizismus und Demokratie sei vielmehr infolge der päpstlichen Kundgebung
nur noch stärker hervorgetreten. Die Ralliierten bildeten sich mit einer an
Torheit grenzenden Naivität ein, sie brauchten nur das Wort ..Republik" an¬
zunehmen, die Trikolore zu bisher und die "Marseillaise" anzuhören, um von
der Demokratie als Führer willkommen geheißen und geehrt zu werden. Allein
die Demokratie war klug und verlangte von ihren unerwarteten Freunden Be¬
weise ihrer aufrichtigen Gesinnung. Da waren diese bald verschwunden. Die
verbissenen Klerikalen aber scharten sich um die Assumptionisten. deren Organe
bald das ganze Land überschwemmten und immer rückhaltloser die demokratische
Republik bekämpften. Und als dann das innerste Wesen der Römlinge durch
den Taxilschwindel und den Drehfushandel völlig offenbar geworden war. da
erkannte die französische Demokratie die Wahrheit des berühmten Ausspruchs.


Die Trennung der Kirchen und des Staats in Frankreich

Zusammenhang mit den jesuitischen Prinzipien nachgewiesen ist: über das alles
bin ich in der Lage, Zeugnis ablegen zu können, denn Sie können mir wohl
glauben, daß ich diese Sache nachgerade nicht bloß aus aufgefundnen Papieren,
sondern auch aus Mitteilungen, die ich aus den betreffenden Kreisen habe,
sehr genau weiß." Was Fürst Bismarck hier dargelegt hat, wird durch andre
Zeugnisse bestätigt. Erwähnt sei nur. daß dem bekannten Münchner Professor
Dr. Johannes Friedrich, der während des vatikanischen Konzils als Theologe
des Kardinals Hohenlohe in Rom weilte, dort schon Anfang Mai 1870, wie
er in seinem 1871 veröffentlichten „Tagebuche" berichtet, „von einer Seite,
die es wissen kann oder wenigstens wissen soll", gesagt wurde, „daß es im
Jahre 1871 einen Krieg zwischen Preußen und Frankreich geben wird. Man
munkelt von einem Einverständnis der Kurie und der Jesuiten mit den Tuilerien.
Auch andre Pläne, ja eine förmliche Restaurationspolitik sollen sich daran
knüpfen."

Welche Anstrengungen die Kurie und ihre Organe in Frankreich nach dem
Sturze des zweiten Kaiserreichs gemacht haben, um auch die dritte Republik
ihrem beherrschenden Einflüsse zu unterwerfen, dafür sind die Beweise gegeben
in der Unterstützung, die von den Klerikalen allen Gegnern der demokratischen
Regierungsform gewährt wurde. Legitimisten, Orleanisten. Bonapartisten, diese
geschwornen Feinde der republikanischen Demokratie sahen immer die Römlinge
an ihrer Seite und erfreuten sich allerwege des mehr oder weniger offen be¬
kundeten vatikanischen Wohlwollens. Es ist durchaus richtig, wenn Sabotier
sagt, seit 1870 habe die römisch-katholische Kirche die zum Sturme gegen die
Republik vorgeschickten Truppen geliefert. „Die Katholiken, schreibt er, sind
nicht nur konservativ, sondern die wütendsten Reaktionäre gewesen, bereit,
jeder Fahne zu folgen, sei es der eines Boulanger oder der eines Drumont,
wenn man ihnen nur versprach, das Land so schnell als möglich von einem
verabscheuten Regiment zu befreien." Das habe sich auch nicht geändert,
nachdem Papst Leo der Dreizehnte 1892 die Katholiken zum Anschlusse an
die Republik, dem „Ralliement", aufgefordert hatte; der Gegensatz zwischen
Katholizismus und Demokratie sei vielmehr infolge der päpstlichen Kundgebung
nur noch stärker hervorgetreten. Die Ralliierten bildeten sich mit einer an
Torheit grenzenden Naivität ein, sie brauchten nur das Wort ..Republik" an¬
zunehmen, die Trikolore zu bisher und die „Marseillaise" anzuhören, um von
der Demokratie als Führer willkommen geheißen und geehrt zu werden. Allein
die Demokratie war klug und verlangte von ihren unerwarteten Freunden Be¬
weise ihrer aufrichtigen Gesinnung. Da waren diese bald verschwunden. Die
verbissenen Klerikalen aber scharten sich um die Assumptionisten. deren Organe
bald das ganze Land überschwemmten und immer rückhaltloser die demokratische
Republik bekämpften. Und als dann das innerste Wesen der Römlinge durch
den Taxilschwindel und den Drehfushandel völlig offenbar geworden war. da
erkannte die französische Demokratie die Wahrheit des berühmten Ausspruchs.


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[0343] Die Trennung der Kirchen und des Staats in Frankreich Zusammenhang mit den jesuitischen Prinzipien nachgewiesen ist: über das alles bin ich in der Lage, Zeugnis ablegen zu können, denn Sie können mir wohl glauben, daß ich diese Sache nachgerade nicht bloß aus aufgefundnen Papieren, sondern auch aus Mitteilungen, die ich aus den betreffenden Kreisen habe, sehr genau weiß." Was Fürst Bismarck hier dargelegt hat, wird durch andre Zeugnisse bestätigt. Erwähnt sei nur. daß dem bekannten Münchner Professor Dr. Johannes Friedrich, der während des vatikanischen Konzils als Theologe des Kardinals Hohenlohe in Rom weilte, dort schon Anfang Mai 1870, wie er in seinem 1871 veröffentlichten „Tagebuche" berichtet, „von einer Seite, die es wissen kann oder wenigstens wissen soll", gesagt wurde, „daß es im Jahre 1871 einen Krieg zwischen Preußen und Frankreich geben wird. Man munkelt von einem Einverständnis der Kurie und der Jesuiten mit den Tuilerien. Auch andre Pläne, ja eine förmliche Restaurationspolitik sollen sich daran knüpfen." Welche Anstrengungen die Kurie und ihre Organe in Frankreich nach dem Sturze des zweiten Kaiserreichs gemacht haben, um auch die dritte Republik ihrem beherrschenden Einflüsse zu unterwerfen, dafür sind die Beweise gegeben in der Unterstützung, die von den Klerikalen allen Gegnern der demokratischen Regierungsform gewährt wurde. Legitimisten, Orleanisten. Bonapartisten, diese geschwornen Feinde der republikanischen Demokratie sahen immer die Römlinge an ihrer Seite und erfreuten sich allerwege des mehr oder weniger offen be¬ kundeten vatikanischen Wohlwollens. Es ist durchaus richtig, wenn Sabotier sagt, seit 1870 habe die römisch-katholische Kirche die zum Sturme gegen die Republik vorgeschickten Truppen geliefert. „Die Katholiken, schreibt er, sind nicht nur konservativ, sondern die wütendsten Reaktionäre gewesen, bereit, jeder Fahne zu folgen, sei es der eines Boulanger oder der eines Drumont, wenn man ihnen nur versprach, das Land so schnell als möglich von einem verabscheuten Regiment zu befreien." Das habe sich auch nicht geändert, nachdem Papst Leo der Dreizehnte 1892 die Katholiken zum Anschlusse an die Republik, dem „Ralliement", aufgefordert hatte; der Gegensatz zwischen Katholizismus und Demokratie sei vielmehr infolge der päpstlichen Kundgebung nur noch stärker hervorgetreten. Die Ralliierten bildeten sich mit einer an Torheit grenzenden Naivität ein, sie brauchten nur das Wort ..Republik" an¬ zunehmen, die Trikolore zu bisher und die „Marseillaise" anzuhören, um von der Demokratie als Führer willkommen geheißen und geehrt zu werden. Allein die Demokratie war klug und verlangte von ihren unerwarteten Freunden Be¬ weise ihrer aufrichtigen Gesinnung. Da waren diese bald verschwunden. Die verbissenen Klerikalen aber scharten sich um die Assumptionisten. deren Organe bald das ganze Land überschwemmten und immer rückhaltloser die demokratische Republik bekämpften. Und als dann das innerste Wesen der Römlinge durch den Taxilschwindel und den Drehfushandel völlig offenbar geworden war. da erkannte die französische Demokratie die Wahrheit des berühmten Ausspruchs.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/343>, abgerufen am 27.12.2024.