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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Llizabeth percy

Die Planken dröhnten unter den vielen Pferdehufen, die Sonne brach plötzlich
durch den Nebel, das Wasser blitzte zwischen den Brückenpfählen, und über den
dunkeln, blätterlosen Bäumen des Waldrandes lag ein frühlingsmäßiger, rotbrauner
Farbenton ausgegossen. Lady Elizabeth wandte den Kopf ab und warf noch einen
letzten Blick auf die gezackten Wälle und die breiten Türme des Schlosses. Die
steinernen Krieger auf dem Wachtturm hoben sich schwarz von dem jetzt blauenden
Himmel ab.

Adieu, mein Alnwick! sagte sie und winkte munter mit der Hand.

Ihr Pferd strauchelte, als es die Vorderhufe auf das gegenüberliegende Ufer
setzte, und würde gefallen sein, wenn Kapitän Percy es nicht mit einem kräftigen
Griff wieder auf die Beine gebracht hätte. Er sah mürrisch aus und fluchte un¬
geduldig: Die verteufelte fremdländische Mähre!

Aber Clelia! sagte Lady Elizabeth vorwurfsvoll zu dem Pferde. Sie bog sich
vornüber und streichelte es. Dann wandte sie sich lächelnd an Henry Percy: Was
soll ich nur machen, Harry, wenn ich dich nicht mehr zur Seite habe?

Dich auf einen andern verlassen, sollte ich meinen, erwiderte er kurz.

Seit er durch Anna gehört hatte, daß Lady Elizabeth jetzt mit einem bestimmten
Ja auf Sir Thomas Freierei geantwortet, hatte er sie gemieden. Und tödlich verletzt,
wahnsinnig eifersüchtig, aber viel zu klug, viel zu klar über seine Stellung, als daß er
seinem Zorne Lauf gelassen hätte, hatte er sich sofort zurückgezogen und war formell
und zurückhaltend geworden. Sie hingegen hatte während dieser vierzehn Tage ihr
Benehmen ihm gegenüber nicht im geringsten verändert und schien gar nicht verstehn
zu wollen, daß das Verhältnis zwischen ihnen in Zukunft anders werden könne oder
müsse, während er -- unglücklich, empört, gepeinigt durch seine mit jedem Tage
wachsende Neigung für die Pflegeschwester -- niemals, wieviel er auch darüber nach¬
sann, klug daraus werden konnte, ob die vertraute Zärtlichkeit, mit der sie ihn nach
wie vor rücksichtslos überschüttete, nur eine kindisch egoistische Gewohnheit war oder
ein unverkennbares Zeichen, daß sie, auch als erwachsene Frau, ihn allen andern
Männern vorzog. Da Lady Elizabeth gewöhnt war, sich souverän in ihrem Hause
zu fühlen, jeden Beweis von Huld, den sie gab, mit fast serviler Dankbarkeit auf¬
genommen zu sehen, so fiel es ihr niemals ein, sich auch nur den geringsten Zwang
aufzuerlegen. Henry Percy mit seiner Empfindlichkeit und Grandezza, mit seinem
Puritanischen Gewissen und der Abneigung, seine innersten Gefühle zu entblößen,
War verzweifelt über ihren Mangel an Schamhaftigkeit, und es verletzte seinen Stolz
als Mann tief, unaufhörlich wie ein Page oder ein Hund geliebkost zu werden.
Und doch -- wenn sie sich ausnahmsweise einmal etwas weniger zart, weniger auf¬
richtig in ihrer Zärtlichkeit zeigte, klagte er sie in seinem Innern sofort der Kälte und
Unbeständigkeit an' und erlitt alle Qualen eines verschmähten Liebhabers -- bis sie
ihm wieder, handgreiflich und unzweideutig. Beweise dafür gab, wie sehr sie ihn
liebte. Dann war er immer im ersten Augenblick leidenschaftlich dankbar, im nächsten
gedemütigt, im dritten zornig und oft bitter verzweifelt.

Der Gedanke an die unvermeidliche Reise nach London war ihm lange zu¬
wider gewesen, denn als echter Landbewohner graute ihm ihretwegen mehr vor
London als vor der Hölle selber. Sie, die so impulsiv war, so warm, so neu¬
gierig, so vergnügungssüchtig, so bestechlich für Schmeicheleien und so unschuldig
treuherzig -- was würde wohl aus ihr werden an Karls des Zweiten in Grund
und Boden verderbtem Hof, von dessen Mangel an guten Sitten und Moral er
°se so haarsträubende Geschichten gehört hatte? Würde sie nicht sofort eine Beute
des ersten besten routinierten Verführers werden, der ihr in den Weg kam? War
es nicht ein unverantwortlicher Seelenmord, sie allein und unbewacht nach diesem


Llizabeth percy

Die Planken dröhnten unter den vielen Pferdehufen, die Sonne brach plötzlich
durch den Nebel, das Wasser blitzte zwischen den Brückenpfählen, und über den
dunkeln, blätterlosen Bäumen des Waldrandes lag ein frühlingsmäßiger, rotbrauner
Farbenton ausgegossen. Lady Elizabeth wandte den Kopf ab und warf noch einen
letzten Blick auf die gezackten Wälle und die breiten Türme des Schlosses. Die
steinernen Krieger auf dem Wachtturm hoben sich schwarz von dem jetzt blauenden
Himmel ab.

Adieu, mein Alnwick! sagte sie und winkte munter mit der Hand.

Ihr Pferd strauchelte, als es die Vorderhufe auf das gegenüberliegende Ufer
setzte, und würde gefallen sein, wenn Kapitän Percy es nicht mit einem kräftigen
Griff wieder auf die Beine gebracht hätte. Er sah mürrisch aus und fluchte un¬
geduldig: Die verteufelte fremdländische Mähre!

Aber Clelia! sagte Lady Elizabeth vorwurfsvoll zu dem Pferde. Sie bog sich
vornüber und streichelte es. Dann wandte sie sich lächelnd an Henry Percy: Was
soll ich nur machen, Harry, wenn ich dich nicht mehr zur Seite habe?

Dich auf einen andern verlassen, sollte ich meinen, erwiderte er kurz.

Seit er durch Anna gehört hatte, daß Lady Elizabeth jetzt mit einem bestimmten
Ja auf Sir Thomas Freierei geantwortet, hatte er sie gemieden. Und tödlich verletzt,
wahnsinnig eifersüchtig, aber viel zu klug, viel zu klar über seine Stellung, als daß er
seinem Zorne Lauf gelassen hätte, hatte er sich sofort zurückgezogen und war formell
und zurückhaltend geworden. Sie hingegen hatte während dieser vierzehn Tage ihr
Benehmen ihm gegenüber nicht im geringsten verändert und schien gar nicht verstehn
zu wollen, daß das Verhältnis zwischen ihnen in Zukunft anders werden könne oder
müsse, während er — unglücklich, empört, gepeinigt durch seine mit jedem Tage
wachsende Neigung für die Pflegeschwester — niemals, wieviel er auch darüber nach¬
sann, klug daraus werden konnte, ob die vertraute Zärtlichkeit, mit der sie ihn nach
wie vor rücksichtslos überschüttete, nur eine kindisch egoistische Gewohnheit war oder
ein unverkennbares Zeichen, daß sie, auch als erwachsene Frau, ihn allen andern
Männern vorzog. Da Lady Elizabeth gewöhnt war, sich souverän in ihrem Hause
zu fühlen, jeden Beweis von Huld, den sie gab, mit fast serviler Dankbarkeit auf¬
genommen zu sehen, so fiel es ihr niemals ein, sich auch nur den geringsten Zwang
aufzuerlegen. Henry Percy mit seiner Empfindlichkeit und Grandezza, mit seinem
Puritanischen Gewissen und der Abneigung, seine innersten Gefühle zu entblößen,
War verzweifelt über ihren Mangel an Schamhaftigkeit, und es verletzte seinen Stolz
als Mann tief, unaufhörlich wie ein Page oder ein Hund geliebkost zu werden.
Und doch — wenn sie sich ausnahmsweise einmal etwas weniger zart, weniger auf¬
richtig in ihrer Zärtlichkeit zeigte, klagte er sie in seinem Innern sofort der Kälte und
Unbeständigkeit an' und erlitt alle Qualen eines verschmähten Liebhabers — bis sie
ihm wieder, handgreiflich und unzweideutig. Beweise dafür gab, wie sehr sie ihn
liebte. Dann war er immer im ersten Augenblick leidenschaftlich dankbar, im nächsten
gedemütigt, im dritten zornig und oft bitter verzweifelt.

Der Gedanke an die unvermeidliche Reise nach London war ihm lange zu¬
wider gewesen, denn als echter Landbewohner graute ihm ihretwegen mehr vor
London als vor der Hölle selber. Sie, die so impulsiv war, so warm, so neu¬
gierig, so vergnügungssüchtig, so bestechlich für Schmeicheleien und so unschuldig
treuherzig — was würde wohl aus ihr werden an Karls des Zweiten in Grund
und Boden verderbtem Hof, von dessen Mangel an guten Sitten und Moral er
°se so haarsträubende Geschichten gehört hatte? Würde sie nicht sofort eine Beute
des ersten besten routinierten Verführers werden, der ihr in den Weg kam? War
es nicht ein unverantwortlicher Seelenmord, sie allein und unbewacht nach diesem


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[0331] Llizabeth percy Die Planken dröhnten unter den vielen Pferdehufen, die Sonne brach plötzlich durch den Nebel, das Wasser blitzte zwischen den Brückenpfählen, und über den dunkeln, blätterlosen Bäumen des Waldrandes lag ein frühlingsmäßiger, rotbrauner Farbenton ausgegossen. Lady Elizabeth wandte den Kopf ab und warf noch einen letzten Blick auf die gezackten Wälle und die breiten Türme des Schlosses. Die steinernen Krieger auf dem Wachtturm hoben sich schwarz von dem jetzt blauenden Himmel ab. Adieu, mein Alnwick! sagte sie und winkte munter mit der Hand. Ihr Pferd strauchelte, als es die Vorderhufe auf das gegenüberliegende Ufer setzte, und würde gefallen sein, wenn Kapitän Percy es nicht mit einem kräftigen Griff wieder auf die Beine gebracht hätte. Er sah mürrisch aus und fluchte un¬ geduldig: Die verteufelte fremdländische Mähre! Aber Clelia! sagte Lady Elizabeth vorwurfsvoll zu dem Pferde. Sie bog sich vornüber und streichelte es. Dann wandte sie sich lächelnd an Henry Percy: Was soll ich nur machen, Harry, wenn ich dich nicht mehr zur Seite habe? Dich auf einen andern verlassen, sollte ich meinen, erwiderte er kurz. Seit er durch Anna gehört hatte, daß Lady Elizabeth jetzt mit einem bestimmten Ja auf Sir Thomas Freierei geantwortet, hatte er sie gemieden. Und tödlich verletzt, wahnsinnig eifersüchtig, aber viel zu klug, viel zu klar über seine Stellung, als daß er seinem Zorne Lauf gelassen hätte, hatte er sich sofort zurückgezogen und war formell und zurückhaltend geworden. Sie hingegen hatte während dieser vierzehn Tage ihr Benehmen ihm gegenüber nicht im geringsten verändert und schien gar nicht verstehn zu wollen, daß das Verhältnis zwischen ihnen in Zukunft anders werden könne oder müsse, während er — unglücklich, empört, gepeinigt durch seine mit jedem Tage wachsende Neigung für die Pflegeschwester — niemals, wieviel er auch darüber nach¬ sann, klug daraus werden konnte, ob die vertraute Zärtlichkeit, mit der sie ihn nach wie vor rücksichtslos überschüttete, nur eine kindisch egoistische Gewohnheit war oder ein unverkennbares Zeichen, daß sie, auch als erwachsene Frau, ihn allen andern Männern vorzog. Da Lady Elizabeth gewöhnt war, sich souverän in ihrem Hause zu fühlen, jeden Beweis von Huld, den sie gab, mit fast serviler Dankbarkeit auf¬ genommen zu sehen, so fiel es ihr niemals ein, sich auch nur den geringsten Zwang aufzuerlegen. Henry Percy mit seiner Empfindlichkeit und Grandezza, mit seinem Puritanischen Gewissen und der Abneigung, seine innersten Gefühle zu entblößen, War verzweifelt über ihren Mangel an Schamhaftigkeit, und es verletzte seinen Stolz als Mann tief, unaufhörlich wie ein Page oder ein Hund geliebkost zu werden. Und doch — wenn sie sich ausnahmsweise einmal etwas weniger zart, weniger auf¬ richtig in ihrer Zärtlichkeit zeigte, klagte er sie in seinem Innern sofort der Kälte und Unbeständigkeit an' und erlitt alle Qualen eines verschmähten Liebhabers — bis sie ihm wieder, handgreiflich und unzweideutig. Beweise dafür gab, wie sehr sie ihn liebte. Dann war er immer im ersten Augenblick leidenschaftlich dankbar, im nächsten gedemütigt, im dritten zornig und oft bitter verzweifelt. Der Gedanke an die unvermeidliche Reise nach London war ihm lange zu¬ wider gewesen, denn als echter Landbewohner graute ihm ihretwegen mehr vor London als vor der Hölle selber. Sie, die so impulsiv war, so warm, so neu¬ gierig, so vergnügungssüchtig, so bestechlich für Schmeicheleien und so unschuldig treuherzig — was würde wohl aus ihr werden an Karls des Zweiten in Grund und Boden verderbtem Hof, von dessen Mangel an guten Sitten und Moral er °se so haarsträubende Geschichten gehört hatte? Würde sie nicht sofort eine Beute des ersten besten routinierten Verführers werden, der ihr in den Weg kam? War es nicht ein unverantwortlicher Seelenmord, sie allein und unbewacht nach diesem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/331>, abgerufen am 23.07.2024.